Selten konnte man einem Linksaußen wie Jürgen Trittin so ungeteilt zustimmen: „Das geht so nicht!“, sagte der grüne Außenpolitiker zur Nachricht, daß Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von der Ukraine zur unerwünschten Person erklärt wurde.
Nein, so brüskiert man kein Land, von dem man viel Unterstützung erhält und noch mehr Unterstützung verlangt. Und so verständlich aus ukrainischer Sicht der Ärger über die Person Steinmeiers ist, so ungehörig, undiplomatisch und taktlos ist dieser Affront, auf welchen offiziellen oder inoffiziellen Kanälen er auch immer erfolgt sein soll.
Denn bei einem solchen Besuch geht es nicht um eine Einzelperson, der man in der Vergangenheit eine zu große Nähe zum Kreml unterstellt. Ja, Steinmeier war ein „Frog“, ein „Friend of Gerd“, also ein Gefolgsmann Gerhard Schröders, der sich während und nach seiner Amtszeit als dicker Kumpel Wladimir Putins offenbarte. Und Steinmeier ist als ehemaliger deutscher Außenminister genauso wie die Ex-Kanzlerin Angela Merkel für manche falsche politische Weichenstellung verantwortlich.
Kiews Verantwortliche haben die Schraube überdreht
Aber als Hausherr von Schloß Bellevue ist er der höchste Repräsentant Deutschlands – und nichts anderes – ob das den Verantwortlichen in der Ukraine (oder ihrem Botschafter in Berlin) nun paßt oder nicht. Wenn nun aus der dritten Reihe in Kiew die Ausladung Steinmeiers dementiert wird, ist das ein Anzeichen für die – zu späte – Einsicht der Verantwortlichen dort, daß sie hier wohl deutlich überzogen haben. Nach „fest“ kommt „ab“, lautet eine alte Heimwerker-Weisheit, die sich auch auf das diplomatische Parkett übertragen läßt.
In Berlin sollte indes etwas anderes viel mehr zu denken geben. Die Staatschefs Polens und der baltischen Staaten, die gemeinsam mit dem deutschen Kollegen nach Kiew reisen wollten, fuhren ohne ihn dorthin und trafen sich mit Selenskyj, ohne die Vorgeschichte öffentlich zu kommentieren. Österreichs Kanzler versuchte sich in einer Art Pendeldiplomatie zwischen beiden Kriegsparteien, zwar ohne großen Erfolg, aber immerhin. Und der Premier der aus der EU ausgetretenen Briten, Boris Johnson, präsentierte sich in Kiew als stärkster europäischer Verbündeter der Ukraine, die ihren Beitrittswunsch Richtung Brüssel gerade noch einmal bestärkt hatte. Und Deutschland? Von Führungsanspruch keine Spur.
Auf den so dringend gewünschten Besuch des deutschen Kanzlers wird der ukrainische Präsident nun länger warten müssen. Mit der Ausladung Steinmeiers hat Selenskyj nicht seinem geschundenen Land gedient, sondern der Propaganda seines Widersachers im Kreml. Eine deutliche Mehrheit der Deutschen befürwortet die Unterstützung der Ukraine und der aus dem Land zu uns Geflüchteten. Die Hand, die einen füttert, sollte man nicht beißen!