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Friedensdemos: Straßen-Solidarität als Selbstzweck

Friedensdemos: Straßen-Solidarität als Selbstzweck

Friedensdemos: Straßen-Solidarität als Selbstzweck

Friedensdemo anläßlich des Kriegs zwischen Rußland und der Ukraine am Berliner Alexanderplatz
Friedensdemo anläßlich des Kriegs zwischen Rußland und der Ukraine am Berliner Alexanderplatz
Friedensdemo anläßlich des Kriegs zwischen Rußland und der Ukraine am Berliner Alexanderplatz Foto: picture alliance / Gabsch/Geisler-Fotopress
Friedensdemos
 

Straßen-Solidarität als Selbstzweck

Für einige Deutsche scheinen Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine nur Selbstzweck zur moralischen Selbsterhöhung zu sein. Doch der Krieg spielt nach seinen eigenen Regeln und richtet sich nicht nach den Vorstellungen linker Berufspazifisten. Ein Kommentar.
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Angesichts des Krieges zwischen Rußland und der Ukraine geht eine Welle der Solidarität durch Deutschland. Das Mitgefühl gilt nicht nur den aus dem Land geflüchteten Frauen und Kinder, sondern auch den Menschen, die in ihrer Heimat tagtäglich dem mörderischen Kriegstreiben des russischen Präsidenten Wladimir Putins ausgesetzt sind.

Freiwillige Helfer empfangen Flüchtlinge an den Bahnhöfen, ja nehmen sie sogar bei sich zu Hause auf. Viele Deutsche organisieren Spenden oder gehen auf die Straße und protestieren, um den Kriegsopfern eine laute Stimme zu geben. Am vergangenen Wochenende nahmen deutschlandweit Tausende Menschen an Antikriegsdemonstrationen teil. In Frankfurt am Main waren es rund 12.000, die sich am Opernplatz für Frieden und gegen den russischen Angriffskrieg positionierten.

Diese Botschaft – sofern sie bei den Menschen in der Ukraine ankommt – gibt sicherlich Hoffnung, aber Putin wird sie nicht einmal ein Stirnrunzeln abringen. Anders als die Montagsdemonstrationen im Herbst 1989, die entscheidend zum Fall der DDR beitrugen, beschleicht einen bei den aktuellen Friedensdemos das Gefühl, sich inmitten einer großen Selbsthilfegruppe zu befinden. Der Protest wird zum Selbstzweck und dient der moralischen Selbsterhöhung.

Redner ernten Buhrufe von Ukrainern

Zur Teilnahme an der Friedensdemonstration in Frankfurt hatte ein Bündnis aus 50 Organisationen aufgerufen, darunter auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), „Fridays for Future“ und die linke globalisierungskritische Organisation „Attac“. Der Frankfurter DGB-Bezirksvorsitzende Michael Rudolph mahnte, man dürfe nicht wieder der Logik des Wettrüstens verfallen. Es gehe nicht um Abschreckung, sondern um Solidarität. Inwieweit die deutsche „Straßen-Solidarität“ die Menschen, die in Mariupol eingeschlossen sind, vom russischen Dauerbeschuß schützen soll, lassen die linken Berufspazifisten außen vor.

Auch „Attac“ bekräftigte, „kriegseskalierende Maßnahmen wie Waffenlieferungen“ abzulehnen. Für solche Bekundungen gab es seitens der anwesenden Ukrainer laute Buhrufe. Sie fühlten sich von den Rednern weder vertreten noch verstanden. Als die ukrainische Abschlußrednerin Lilia Dejaki schließlich zu bedenken gab, daß Putin sich nicht von Demonstrationen beeindrucken lassen werde und eindringlich vortrug „Die Ukraine braucht Waffen, um sich zu verteidigen“, rief ihr eine Frau dazwischen: „Mehr Waffen, mehr Krieg“.

Demo-Veranstalter schließen ukrainische Organisation aus

Die Meinungen und Gefühle der Menschen sind gespalten was den Krieg angeht. Manche sehen den Kampf der Ukrainer gegen die militärische Übermacht Rußands als verloren an und plädieren für eine Kapitulation, um jedes weitere Blutvergießen zu verhindern. Andere rufen hingegen zum unbedingten Widerstand auf, bis zum letzten Mann, bis zum letzten Blutstropfen. Fakt ist: Vom Schreibtisch aus lassen sich leicht Befehle erteilen und Menschen in den Tod schicken. Wir, die es auf dem Sofa vor dem Fernseher gemütlich haben, haben kaum das Recht, darüber zu urteilen, welchen Weg die Menschen in der Ukraine gehen sollten.

Da es in Deutschland aber anscheinend nicht ohne den moralischen Zeigefinger geht, wurde am ersten März-Sonntag bei der Großdemonstration am Brandenburger Tor in Berlin seitens der Veranstalter festgelegt, wer sich der Friedenskundgebung anschließen dürfe und wer nicht. Dabei wurde ausgerechnet die ukrainische Organisation „Vitsche“ ausgeschlossen. Ihre Anhänger fordern eine militärische Unterstützung ihres Landes und passen damit nicht in die „Programmatik“ der deutschen Friedensbewegung. Es ist wohl an der Zeit zu erkennen, daß Moral oft nur in der Theorie funktioniert und der Krieg nach seinen eigenen Regeln spielt.

Friedensdemo anläßlich des Kriegs zwischen Rußland und der Ukraine am Berliner Alexanderplatz Foto: picture alliance / Gabsch/Geisler-Fotopress
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