Der Dollar hat seit Anfang 2021 gegenüber vielen Währungen der Welt merklich aufgewertet. Das spüren nicht nur europäische Touristen in den USA. Am 14. Juli gab es für den Euro nur noch 0,9952 Dollar. Im Sommer 2021 waren es noch mehr als 1,20 Dollar gewesen. Die Gründe dafür sind vielfältig. In Zeiten erhöhter Unsicherheit setzen Investoren wieder verstärkt auf den Greenback, der ihnen nach wie vor als „sicherer Hafen“ gilt. Zudem lassen sich mit US-Anlagen wieder Zinsen verdienen.
Beides erhöht die Nachfrage nach Dollar und läßt seinen Außenwert steigen. Vor allem der japanische Yen und der Euro haben kräftig gegenüber dem Greenback verloren: gut 34 Prozent der Yen seit Dezember 2020, gut 20 Prozent der Euro seit Mai 2021, der nunmehr wieder fast die Parität zum Dollar erreicht hat. Beide Währungen sind ganz offenkundig in der Gunst der Investoren stark gesunken. Was sind die Gründe?
Die elektronischen Notenpressen laufen immer schneller
Große Sorgen bereitet es den Investoren, daß die japanische Zentralbank die Zinsen künstlich niedrig hält und dazu immer mehr Staatsanleihen aufkauft. Japans öffentliche Schuld belief sich Ende 2021 auf 257 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – das war der höchste Stand im Kreise der entwickelten Volkswirtschaften. Hinzu kommt der starke Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise, der die Wettbewerbsaussichten der japanischen Wirtschaft verdunkelt und ihre Schuldentragfähigkeit verschlechtert. Das wiederum nährt die Furcht der Investoren, die Bank von Japan werde nicht umhinkommen, die elektronische Notenpresse immer schneller laufen zu lassen und die Kaufkraft des Yen nach innen und außen zu entwerten.
Gar nicht viel anders sehen die Probleme im Euroraum aus. Zwar stellt die Europäische Zentralbank (EZB) mittlerweile in Aussicht, die Zinsen etwas anheben zu wollen. Aber überzeugt sind die Finanzmärkte dennoch nicht, daß die EZB die Hochinflation im Euroraum mit der nötigen Entschiedenheit bekämpfen wird. Zumal es EZB-Präsidentin Christine Lagarde am 29. Juni 2022 offen aussprach: „Ich glaube nicht, daß wir in ein Umfeld niedriger Inflation zurückkehren werden“. Damit setzt Lagarde sich über ihren im Maastricht-Vertrag vorgegebenen Auftrag hinweg: Der schreibt der EZB vor, für „Preisstabilität“ zu sorgen und diesem Ziel Vorrang vor allen andern Zielen einzuräumen. Wie in Japan so liegt also auch im Euroraum mittlerweile „Fiskalische Dominanz“ vor.
Ausplünderung zu Gunsten des Staates
Das heißt, die öffentliche Kassenlage bestimmt die Geldpolitik. Die Zentralbank hält also den Zins niedrig und weitet die Geldmenge aus, damit die Staaten an kostengünstige Kredite kommen und gleichzeitig auch die Kaufkraft des Geldes herabgesetzt wird. Man betreibt auf diese Weise eine „Finanzielle Repression“: Die Inflation übersteigt den Nominalzins, der Realzins (also Nominalzins abzüglich der Inflation) wird negativ. So kann sich der Staat entschulden auf Kosten der Gläubiger. Die Regierungen müssen keine politisch unliebsamen Ausgabenkürzungen vornehmen oder Steuererhöhungen durchsetzen, um ihre Kassenlage zu verbessern. Die Inflationspolitik dient ihnen dazu, die Bevölkerung zu Gunsten des Staates auszuplündern.
Im Euroraum stellt sich ein besonders heikles Problem: Die Dekade des extrem niedrigen EZB-Zinses hat dazu beigetragen, Reformen zu verschleppen, politische Mißstände weiter anwachsen zu lassen. Die Südländer, allen voran Italien, Spanien, Portugal und Griechenland, hängen dadurch mehr denn je am Tropf des niedrigen EZB-Zinses. Bei einem fortgesetzten Zinsanstieg steht ihnen und dem Euroraum absehbar die nächste Staatsschuldenkrise ins Haus. Nicht nur die Bürger und die Unternehmer in den Südländern werden das mit steigender Inflation zu bezahlen haben, auch die in den Nordländern entkommen der Euro-Kaufkraftentwertung nicht. Der Euroraum ist nun nicht nur eine Schulden-, sondern auch eine Inflationsgemeinschaft.
Die Ex-Exportweltmeister sind keine mehr
Die Abwertung ihrer Währung nach außen wird den Bevölkerungen in Japan und im Euroraum noch teuer zu stehen kommen. Die Exporte beflügelt sie nicht notwendigerweise, wohl aber verteuert sie die Importgüter stark. Das wiederum senkt die realen Einkommen der Privaten und läßt die Produktionskosten der Unternehmen ansteigen, verschlechtert ihre Wettbewerbsposition. Japan weist seit Mitte 2021 eine negative Handelsbilanz aus: Es zahlt für Importe mehr als es für Exporte erzielt. Auch Deutschlands Handelsbilanz und damit die des Euroraums ist jüngst defizitär geworden. Die Exportweltmeister sind keine mehr. Sie müssen sich nun Kapital aus dem Ausland beschaffen, und das trägt dazu bei, den Außenwert ihrer Währungen unter Druck zu setzen.
Zwar zeigen sich auch beim Dollar Probleme: Hochinflation, ausufernde Staats- und Auslandsverschuldung. Jedoch schlägt das aufgrund der „Dollardominanz“ bislang nicht zu Buche. Der Greenback ist nun einmal die Ankerwährung, auf der das ganze internationale Kredit- und Geldsystem aufbaut. Die Zerfallserscheinungen dieser Konstruktion werden sehr wahrscheinlich zunächst und in erster Linie nicht den Dollar, sondern alle anderen Währungen besonders hart treffen; und sie alle werden erst recht in arge Schwierigkeiten geraten, wenn der Dollar ernstlich in Mißkredit gerät.
Das Schwanken der Wechselkurse zwischen Dollar und allen anderen Währungen sollte jedoch über eines nicht hinwegtäuschen: Die Kaufkraft aller Währungen, einschließlich die des Dollar, schwindet seit Jahr und Tag. Das zeigt sich unumwunden im fortgesetzten Preiszuwachs des Goldes. So ist der Goldpreis beispielsweise, in Euro gerechnet, seit 1999 bis heute um durchschnittlich neun Prozent pro Jahr gestiegen. Darin kommt offen eine leidvolle Wahrheit zum Ausdruck: Die chronische Inflationspolitik der Zentralbanken zersetzt die Kaufkraft des Geldes. Anleger, die ihr Kapital erhalten wollen, sollten daher einen ganz großen Bogen um die offiziellen Währungen machen, egal ob Yen, Euro oder Dollar.
JF 30/22