Die Regierung holt wieder einmal zum Schlag gegen das Gespenst der „Haßkriminalität“ aus. Nicht ohne eine gewisse Dramatik titelte der Bayerische Rundfunk (BR) am Montag: „Massiver Hate-Speech-Anstieg durch Corona-Pandemie“. Anlaß zu der Schlagzeile bot ein Interview mit dem Juristen Klaus-Dieter Hartleb. Der Oberstaatsanwalt ist „Hate-Speech-Beauftragter der bayerischen Justiz“.
Er widmet sich damit einem Phänomen, das es nach deutschem Recht eigentlich gar nicht gibt. Dies räumte der BR auch gleich zu Beginn des Gesprächs ein, gefolgt von der Frage, welche Posts im Internet denn überhaupt strafrechtlich relevant seien. Der Jurist verwies daraufhin auf die gesetzlichen Regelungen zu Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung. Zugleich mahnte er aber auch die Meinungsfreiheit als „eines der wichtigsten Güter unserer Verfassung“ an.
„Bedrohungen oder Hetze gegen Minderheiten“ seien natürlich nicht von diesem Recht gedeckt. Die Herausforderung sei es, zwischen „der Meinungsfreiheit des Täters“ und dem „Ehrenschutz des Opfers“ abzuwägen. Bereits die Wortwahl läßt erahnen, zu wessen Gunsten Hartlebs Abwägung im Zweifel ausfallen wird.
Kampf gegen Haß gilt nur vermeintlichen Opfern „rechter Hetze“
Auch Ungeimpfte sind eine gesellschaftliche Minderheit. Sie werden täglich von Solidaritäts-Hooligans mit Beleidigungen, Verleumdungen und mitunter Todeswünschen übersät. Wer aber naiverweise dachte, Hartleb meine aufgrund ihres Impfstatus Geächtete damit, kann getrost wieder weghören. Der Kampf gegen „Haß im Netz“ gilt natürlich in erster Linie der vermeintlichen Hetze von rechts.
„Haßrede“ ist laut dem Oberstaatsanwalt zwar ein „heterogenes Phänomen“, das in allen Bevölkerungsschichten zu finden ist, mit rund 80 Prozent könne eine deutliche Mehrheit der Täter aber dem rechten oder rechtsextremen Milieu zugerechnet werden. Diese würden in vielen Fällen unter ihrem Klarnamen posten. Das erleichtert nicht nur die Strafverfolgung, sondern unterscheidet das angeblich rechte Milieu auch von linken „Trollen“. Diese haben den ganzen Tag nichts Besseres zu tun haben als mit anonymen Profilen jeden zu attackieren, der das offizielle Corona-Narrativ und die regressive Politik der Regierung infrage stellt.
Die meisten „Rechten“ haben sich längst an solche Angriffe gewöhnt und innerlich dagegen immunisiert. So sind sie für gewöhnlich auch weniger empfindlich als ihre verweichlichten Gegner, die im Netz und der Realität sogenannte „Safe Spaces“ fordern, in denen sie vor mutmaßlicher Hetze oder schlicht Kritik sicher sind. „Rechte“ bringen selbst übelste Hetze und sogar Morddrohungen hingegen nur selten zur Anzeige. Grund dafür ist sicher auch, daß bei entsprechenden Strafanzeigen in der Regel nur eine geringe Chance auf eine allzu intensive Verfolgung durch die Behörden besteht.
Täter müssen mit Hausdurchsuchungen rechnen
Doch weder der Staatsdiener noch der BR bringen dieses Phänomen als möglichen Grund für das Ungleichgewicht bei den erfaßten Straftaten zur Sprache. Vielmehr wird die gesamte Schlagrichtung – ob von den Protagonisten bemerkt oder unbemerkt – ein Stück weit ad absurdum geführt. Im Jahr 2020 kam es in Bayern zu 1.648 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Haßrede. In 245 Fällen wurde dabei Anklage erhoben. 102 Täter wurden verurteilt, 462 Verfahren hingegen eingestellt. Die Quote liegt damit entgegen dem Beitragstitel nicht ungewöhnlich hoch, wie auch der Staatsanwalt anmerkt. Das liege daran, daß manche Kommentare nicht strafbar seien. „Sie verletzten zwar den guten Anstand, seien polemisch, aber von der Meinungsfreiheit gedeckt.“ Von einem „massiven Hate-Speech-Anstieg“ kann also, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt die Rede sein.
Selbst, wenn zahlreiche Nutzer nicht ausfindig gemacht werden können: Der große Aufwand lohnt sich wohl nur in den wenigsten Fällen. Der Motivation im Kampf gegen Haßrede liegt vermutlich eher ein öffentlicher und politischer Ermittlungsdruck zugrunde. Immer öfter rücken die Behörden mittlerweile zu Razzien gegen „Haß-Täter“ aus. Häuser würden, so schildert es der bayerische Strafverfolger ganz offen, von ihm und seinen Kollegen „verstärkt und gezielt“ durchsucht. Das klingt eher nach Gesinnungsjustiz und behördlicher Volkserziehung, als nach lupenreinen rechtsstaatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung tatsächlicher Straftaten.
Zu wirken scheinen diese zweifelhaften Methoden aber allemal. Die meisten seien tatsächlich überrascht, „daß es wegen eines Posts zu einer Wohnungsdurchsuchung kommt“, sagt Hartleb. Viele Täter seien „auch wirklich einsichtig“ und würden zugeben, sich im Ton vergriffen zu haben. Sie seien überdies oft „geständig und lassen uns dann auch in ihre Handys gucken“, so der Beauftragte gegen fiese Worte im Internet. Wie könnte man auch anders reagieren, wenn der Totalitarismus so sanft und pädagogisch wertvoll an die Tür klopft.