Das winzige Estland hat eine bewegte Geschichte. Eingepfercht zwischen Deutschland und Rußland litt es im 20. Jahrhundert unter wechselnden Besatzern. Das hat die Esten gelehrt, ihre nationale Unabhängigkeit zu schätzen. Das zeigt sich auch in der Haltung der Esten zum Ukraine-Krieg. Eine Analyse von Ferdinand Vogel.
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Liebe Frau Roth, so sehr ich mich über Ihre Solidarisierung mit mir freue, so einig ich mit Ihnen bin in der sachlichen Kritik an unserem akademischen Kollegen, so sehr muss ich ihn aber in Schutz nehmen, was seinen Charakter und seine Person betrifft. Für mich ist er ein eigenwilliger und sperriger Fechtpartner mit ungewöhnlichen Ansichten, die auf hohem abstrakten Niveau in Richtung Mainstream tendieren, jedoch ohne den Mainstream abzubilden und zu vertreten. Diese gewollte Unschärfe, dieses gekonnte Jonglieren mit Begriffen ist das Spannende und Herausfordernde an seinen Ansichten. Gelegentliche Tiefschläge im Eifer des Gefechts stecken wir doch alle miteinander locker weg …
„… die Ukraine ist wie die vielen anderen ostmitteleuropäischen Staaten weder das eine noch das andere, sie ist ein Zwischenland. Ostmitteleuropa ist weder Ost noch West.“
O-Ton des Bonsai-Bismarck aus Bornhagen (alias Björn Höcke) in seinem Facebook-Kommentar vom 24.02.2022 zum Ukraine-Krieg.
Was Wunder, dass z. B. die Polen der AfD nicht über den Weg trauen: Würde ich als Pole auch nicht tun.
Aber der neue kleine Bismarck hat doch recht. Im gesamten 19. Jahrhundert gab es neben Habsburg, Preussen-Deutschland und Russland keine andere territoriale Macht in Ostmitteleuropa. Und dieses Jahrhundert war geprägt von der sogenannten heiligen Allianz dieser drei Mächte, die aus christlich-konservativem Geist heraus die völkischen Leidenschaften, so sie aufbrauchen, befriedeten. Es kam auch Gewalt vor, doch bei weitem nicht in dem Ausmaß wie im 20. oder 21. Jahrhundert. Ich finde, zivilisatorisch war das 19. Jahrhundert gerade im Übergangsbereich zwischen West und Ost allererste Sahne.
Wir leben aber nicht mehr im 19. Jahrhundert. Deutschland ist keine Großmacht (oder gar Weltmacht) mehr und kann froh sein, wenn es im westlichen Bündnis (letztlich) von den USA geschützt wird.
Was freilich der Kryonik-Björn nicht begreift. Den hat man irgendwann in der 1. Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eingefroren. Und bei seinem Auftauen hat er nichts vom unseligen deutschen Nationalismus und Imperialismus vergessen.
Und hinzugelernt hat der seit seinem Auftauen auch nichts.
Klar wenn man keine Argumente hat muß man polemisieren, Personen verächtlich machen. Das hat nichts mit einer sachlichen Debatte zu tun Canabbaia. Der Begriff „Ostmitteleuropäische Staaten“ ist in geographischer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht Konsens wenn über diesen Teil Europas gesprochen wird.
Die Zeiten ändern sich, klar. Aber die Geografie und deren geschichtliche Prägung bleibt erhalten. Und diesbezüglich ist der östliche Partner natürlicher und naheliegender als der sehr weit entfernte transatlantische Partner. Der ist zwischendurch mal mächtig geworden, aber seine Zeit läuft ab. Das ist ein geografisch es und geschichtliches Naturgesetz.
Es sind nur 1,1 Millionen Esten, die sich das winzige Estland teilen müssen. Damit stehen sie besser da als wir. In Estland gibt es keinen Flächenfraß (O-Ton Grüne), während sich bei uns die Flächen immer weiter voran fressen.
Die Esten beobachten mit Sorge, daß laufend Menschen mit dem Bus ankommen. Aber mit dem Bus auch wieder abfahren.
Nun sind die Esten schon seit Jahren in der EU, aus allerlei guten Gründen. Die Esten müssen aber hoffen, daß sich die Aufmerksamkeit des Zentralen Planungskomitees zu Brüssel nicht schließlich auch auf Estland richtet und zu dem Schluß kommt #Die haben Platz.
Ribbentrop und Molotow einigten sich damals unter #Wir brauchen (allen) Platz (für uns).
Die baltischen Länder kennen das wahre Gesicht Russlands nur zu gut. Russland war schon immer erfolgreich darin, Angst zu verbreiten, zu rauben und zu morden.
Zu mehr reicht es auch heute nicht: Technologisch abgeschlagen und ohne relevante Produkte kann es nicht viel mehr bieten als Rohstoffe und Agrarprodukte. Die russische Führungsriege um Putin ist ein erbärmlicher Haufen von Kriminellen, welche primär damit beschäftigt sind, sich ihre Taschen zu füllen (bzw. darum zu wetteifern, wer die teuerste Jacht hat).
Ganz anders die Chinesen, die eine klare Strategie verfolgen und von den US Amerikanern zu Recht als eigentliche Gegner angesehen werden. Ohne seine Atomwaffen wäre Russland tatsächlich nur noch eine Regionalmacht.
Ich mag die Chinesen absolut nicht, aber ich habe durchaus Respekt vor ihren Leistungen. Russland hingegen ist für mich ein primitives und verachtenswertes Land, welches in der Vergangenheit lebt und den Anschluss verpasst hat. Da verwundert es auch nicht, dass viele gut ausgebildete Russen ihr Leben lieber im Westen verbringen möchten.
Es überrascht mich nicht, dass den Esten die Empathie für die russische Sichtweise fehlt – mir geht es da nicht anders.
Schade, lieber Akademiker, für Ihre unbrüderlichen Ausfälle. Fühle mich von Ihnen wegen meiner russischen Verwandtschaft und Freundeskreise zu einer verachtenswerten und im Grunde genommen überfüssigen Verfügungsmasse degradiert. Kann aber wie viele Russinnen und Russen damit leben. Als Deutsche bin ich es ja gewohnt, Abschaum der hochmütigen zivilisierten Völker zu sein. Jetzt kommt halt noch das doppelte Stigma und slawische Kainsmal dazu. So ist die Welt, ich kann damit leben, und gerade aus der Position der Verfemung entstehen ueberraschend vitale Gegenkräfte. Die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende.
Die Russen können damit leben oder endlich anfangen, aus der Geschichte zu lernen und ihr Land wieder nach vorne zu bringen. Das Potential dazu ist da, es wird jedoch nicht genutzt.
Du hast von Russland nicht den Funken einer Ahnung. Aber davon ganz Viel. Scheinst noch nie aus Deinem Nest herausgekommen zu sein. Du Akademiker oder was auch immer.
Das ist keine Meinung, das ist ordinäres unterstes-Schubladen-Vokabular.
Ich hatte es schon einmal kommentiert: Es in gut, wenn unterschiedliche Meinungen, Standpunkte hier vertreten werden. Was ich abstoßend empfinde, ist der niedrige charakterliche Horizont, der sich hier in Hassworten und Bösartigkeit Luft macht. Mit solchen Leuten ist schwerlich zu debattieren.“ Akademiker“ bedeutet nicht auch kluger Kopf geschweige denn großer Charakter!
Dem gibt es nichts hinzuzufügen, ausser dass es die marodierenden Russen selbst sind, die dies durch ihre primitiven und armseeligen Taten in der Ukraine unterstreichen. Ich finde den Begriff im Artikel „Russifizierung“ genau das istbes und war es immer. Stalinisierung und nun wieder Russifizierung. Das gab es schon 100 Jahre vor der Nato. Aber das rafft hier eh kaum einer 🙂
Wieso „primitiv und armselig“ ? Gibt es keine anderen und neutraleren Begriffe, lieber Erik? Warum immer diese Wertungen? Das schadet der sachlichen Debatte. Hören Sie auf Youtube einen unverdächtigen Fachmann wie Herrn Dr. Maaßen zum derzeitigen osteuropäischen Krieg: Neutrale Sachsprache ohne Diffamierungen, weder hierhin noch dorthin. Das heisst nicht, dass man dann zum Weichzeichner greift und alles in rosarot darstellen muss. „Armselig und primitiv“ klingt aber sehr herablassend und so, als stünden wir Westler auf einer höheren zivilisatorischen Stufe. Warum nicht zum Beispiel „rustikal“ oder „robust“ sagen, oder meinetwegen „verheerend“ oder „rücksichtslos“?
„Zuvor hatte Deutschland im Molotov-Ribbentrop-Pakt diese Gebiete den Sowjets zugeschlagen.“
Deutschland hatte diese Gebiete nicht „den Sowjets zugeschlagen“ (sie gehörten ja gar nicht zu Deutschland), sondern quasi ein „Stillhalten“ im Falle einer Eroberung zugesichert. Es ging im geheimen Zusatzprotokoll um eine Abgrenzung der „Einflußsphären“.
„Zehntausende Baltendeutsche wurden von der Roten Armee vertrieben, …“
Von nennenswerten Vertreibungen durch die Rote Armee weiß ich nichts. Möglicherweise wurden Baltendeutsche vertrieben – wohin? Im wesentlichen aber wurden fast alle Baltendeutschen VORHER, bevor die Rote Armee einmarschierte, nach Deutschland und in den Warthegau UMGESIEDELT aufgrund von Abkommen des Deutschen Reichs mit Lettland und Estland. Eben daher ahnten die Esten und Letten, was auf sie wohl zukommen würde und bedauerten den Weggang der Deutschen.
Im übrigen durchzieht den Artikel eine zu negative Darstellung des deutschen Einflusses im Baltikum. Immerhin brachten Baltendeutsche Handel, Städtebau, Landbau, Kultur ins Land und waren auch selbst an der nationalen Bewußtwerdung der Letten und Esten beteiligt.
Deutsche sind im Baltikum immer noch beliebt.
So ist es. Der deutschbaltische Adel war die Hauptstütze des Zarentums und eine der Säulen des russischen Reiches. Die Petersburger Elite war zu einem großen Teil deutschbaltischer Herkunft. Ob es der estnischen Landbevölkerung unter deutschbaltisch-russischer Herrschaft wirklich so schlecht ging? Da würde ich gerne genauere soziologische Untersuchungen zu Rate ziehen.
Hier muß man aber bedenken, daß sich das auf die Zeiten bezieht wo überall in Europa die adligen Eliten den Gang der Dinge bestimmten, auch das „parlamentarische“ Großbritannien nicht ausgeschlossen.
Der europäische Adel war, zwar ohne ideologische Grundlage, de facto aber (und darauf kommt’s an), internationalistisch und „kreuz und quer verwandt und verschwägert“. Volksheere gab es nicht, adlige Söhne dienten überall in Europa jedem Herrn, der tüchtige Heerführer brauchen konnte. Zum Beispiel Prinz Eugen war Franzose (oder Italiener), diente aber den deutschen Habsburgern.
Die estnische Landbevölkerung unter deutschbaltischen Herren … Der estnischen Landbevölkerung ging es vermutliche wie allen Landbevölkerungen überall in Europa. Waren ihren Herren untertan. Damit war damals alles gesagt. Gewisse kulturelle Eigentümlichkeiten vielleicht ausgenommen.
Der Punkt ist da eher, inwieweit ethnische Esten „aufsteigen“ konnten, oder ob da gläserne Decken waren (und warum).
Schlechter als lehensabhängigen mitteleuropäischen Bauern ist es der lettischen und estnischen Landbevölkerung auf baltendeutschem Großgrundbesitg wohl kaum gegangen, und wohl sogar etwas besser als den russischen Leibeigenen unter ihren Herren. Das sieht man an der hohen Zustimmung, die die lutherische Konfession der Deutschbalten gerade auch bei der estnischen und lettischen Landbevölkerung erringen konnte.
Ich empfehle Eduard von Keyserling, beispielsweise „Abendliche Häuser“ (kam auch in der DDR heraus).
Oder mal ins Baltikum fahren und Städte angucken. „Kiek in de Kök“ heißt einer der Stadtmauertürme von Tallinn (Reval) immer noch, weil man von ihm aus in die Küchen der gegenüberliegenden Häuser gucken konnte.
Danach ist man schlauer und wundert sich, was einem der Geschichts- und Geographieunterricht (außer Naziherrschaft) alles vorenthalten hat …
“ … diese Gebiete den Sowjets zugeschlagen“
Das liest sich so als hätte Deutschland zum Zeitpunkt des Ribbentrop/Molotow-Pakts das Baltikum schon in Besitz gehabt und freundlicherweise überlassen.
Ribbentrop/Molotow zielte auf die Wiederherstellung der Verhältnisse vom August 1914. Damals grenzten Deutsches und Russisches Reich unmittelbar aneinander, ohne -das war wichtig- irgendwelches „kleines Grobzeug“ dazwischen.
Das war für beide Seiten aber nur vorläufig.
Zwar hatten die Mittelmächte den Krieg verloren, g e n a u s o aber das Zarenreich. Nur dadurch war die Voraussetzung entstanden, daß die osteuropäischen Völker frei werden konnten (Neuaulage in 1989). Ribbentrop/Molotow zielte auf die Rückabwicklung dieser Lage. Dazu wurden die Einflußzonen vereinbart. und darum die Deutschen aus der russischen Zone umgesiedelt (Platz für Russen).
Als Langfristziel gab es aber, Ribbentrop/Molotow hin oder her, sowohl im Deutschen Reich als auch im (Sowjet-)Russischen Reich Pläne, den jeweils anderen imperialistisch zu unterwerfen. Für Freiheit für die osteuropäischen Völker war da kein Platz
Stalin und Hitler hatten Angriffspläne. An „Barbarossa“ war nur der Zeitpunkt überraschend
Danke, Diogenes, für diese treffende Analyse. Nur was Ihren letzten Abschnitt betrifft, bin ich mir nicht sicher: Wollten die Sowjets wirklich die Mitte und den Westen Europas überrollen? Die Welt-Revolution? Ja, die wollte sie. Aber eine nationalrussische Beherrschung des europäischen Kontinents? Da waren die Bolschewiken doch wohl Realisten genug, das nicht in Betracht zu ziehen, weil es auch völlig unrealistisch gewesen wäre. Ausserdem war die KPdSU trotz der Abspaltung der Trotzkisten immer noch international und gerade nicht nationalrussisch geprägt.
“ … wirklich … überrollen … “
Da leiste ich mir eine Sicht -die jeder gerne für Blödsinn halten mag- daß a l l e Völker Europas im Laufe des 19. Jh. eine Mentalität des „Volk ohne Raum“ entwickelten.
A l l e Völker. Denn dank Industrialisierung (auch der Landwirtschaft) und der Modernen Medizin (Sterblichkeit) wuchsen die europäischen Bevölkerungen stark. Damit drängte die wohin-damit-Frage. Nach Übersee? In 1912 war das letzte herrenlose Fleckchen auch noch verteilt, der Südpol. G a n z Europa war im ‚WirbrauchenPlatz-Modus.
Im August 1914 war es so weit, daß der Krieg, der entscheiden sollte, w e l c h e s der Völker in Zukunft die M a c h t haben würde, den anderen Völkern ihre Habitate
z u z u w e i s e n, tatsächlich ausbrach. Wie ein zunehmend überlasteter Damm schließlich bricht.
Die nationalrussischen Kräfte waren da bezüglich „überrollen“ nicht anders als die nationalsonstigen. Weder „besser“ noch „schlechter“.
Diese Sicht begründet auch meine Sorge darüber, daß die Menschheit sich stur weigert(!) ihr Wachstum (Verdoppelung seit den 1960er Jahren) trotz Endlichkeit des Planeten als P r o b l e m wahrzunehmen.
Wo sollen die immer-mehr-Menschen hin?
Das ist eine schwerwiegende Frage, Diogenes, auf die ich keine Antwort habe. Dem biblischen Befehl „Seid fruchtbar und mehret euch“ (weshalb die römische Kirche mit gutem theologischem Grund Kontrazeptiva ablehnt) steht die Begrenztheit der Ressourcen auf unserem blauen Planeten gegenüber. Wobei hier in Europa dieses Gebot durchaus mehr Beherzigung erfahren sollte, bei diesem erbärmlichen Geburtenschwund der weissen Rasse … Was Sie über „Volk ohne Raum“ schreiben, ist zutreffend – aber nicht als praktisch-politische Handlungsanleitung, nicht einmal beim NS. Das sind keine militärstrategischen Programme, sondern propagandistische Schlagworte, die einen kolonialen oder sonstwie imperialen Expansionismus rechtfertigen sollten. Zumal es damals noch sehr dünn besiedelte Landstriche gab, die durchaus mehr Bevölkerung vertragen haben. Ich glaube, der NS war einfach neidisch auf die kolonialen Erfolge der Briten in Indien/Afrika und der Russen in Sibirien/Zentralasien. Der NS wünschte, dass D ähnlich dynamisch agieren würde wie diese beiden Konkurrenz-Nationen, notfalls in direkter Konfrontation mit dem östlichen (aber seltsamerweise nicht mit dem westlichen) Konkurrenten.
Das ist korrekt. Allerdings war die 1940 folgende Heim ins Reich Aktion tatsächlich mehr ein Zwang als freiwillig aus der Zusage an Stalin. Der Vertrag sah die Entdeutschung dieser Gebiete vor, um sie Sowjetisieren zu können. Meine Vorfahren verließen aus diesem Grund die Bukovina/Rumänien, heutige Ukraine….
Die Russifizierungsbestrebungen Moskaus gegenüber Estland und Finnland sind nachgewiesen.
Dass Estland Teil des Deutschen Reiches war, hat auch niemand behauptet.
In diesem Artikel sind leider eine ganze Reihe von Fehlern und Falschdarstellungen enthalten. Ich kann mir nicht erklären, wie so etwas durch das Lektorat der JF geht.
„Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg entließ die Esten 1918 in die nationale Unabhängigkeit.“
Das ist völliger Nonsens. Das klingt so, als sei Estland bis dahin ein Teil des Deutschen Reiches gewesen. Dem ist nicht so. Estland war (als Livland) seit dem Nordischen Krieg, wovor es zu Schweden gehörte, Teil des Russischen Reiches gewesen; die Chance zur Unabhängigkeit ergab sich durch die Oktoberrevolution 1917.
„Mit dem Zerfall der alten Ordnung in Europa – im Osten das Zarenreich und im Westen das Deutsche Kaiserreich – bot sich nach Jahrhunderten der Fremdherrschaft den Esten die Möglichkeit, Freiheit und Selbstbestimmung zu erlangen.“
Es war der Zerfall des Zarenreichs; das Deutsche Reich hatte damit nichts zu tun.
„Slawen und „kleine Russen“ sind es jedenfalls nicht. Auch wenn es von Moskau seit Jahrhunderten Bestrebungen gab, dies zu ändern.“
Mir ist keinerlei Beleg bekannt, daß die Esten irgendwann als „kleine Russen“ bezeichnet wurden. „Kleinrussen“ waren die Ukrainer.
Danke für Ihre Präzisierungen.
Vielen Dank für die Korrekturen, die ich selber schon im Sinn hatte.
„Slawen und kleine Russen“.
Das k ö n n e n die Esten garnicht sein.
Polen sind immerhin Slawen, aber schon Litauer sind nicht im geringsten Slawen, auch wenn die polnische und die litauische Adelsschicht über lange Jahre verbandelt waren (Großreich bis ans Schwarze Meer). Die Völker in Lettland haben auch nichts mit Slawen zu tun, ebensowenig mit Esten.
Die Ukrainer immerhin sind tatsächlich Slawen. Ob sie auch das selbe sind wie die Moskowiter? Das ist so umstritten wie die Frage ob Holländer Deutsche sind.
Ich streite da nicht lange: Wenn es Menschen gibt, die sagen, sie seien keine Russen sondern Ukrainer, dann gehe ich davon aus, daß es da etwas gibt, das das Ukrainische Volk ist.
Ich vermute, daß mit „Bestrebungen, dies zu ändern“ Zwangsassimilationen gemeint sind, etwa wie die schon lange wieder „beerdigte“ Politik der Kanadier, die örtlichen Indianer zu Angelsachsen umzuprogrammieren.
Ob Rußland Programme zur Zwangsassimilation hatte oder nicht ist mir nicht bekannt.
Das hätte bei den baltischen Völkern wohl kaum gefruchtet. Es gab aber
– nach der ersten, grausamen, stalinistischen Phase mit Deportationen und Ermordungen –
eine lang(aber wirklich SEHR lang-)fristige Strategie, ein einiges sowjetisches Volk, also eine Art sowjetische Nationalität zu entwickeln.
Dazu förderte man die Mobilität, auch mit Wirtschaftsentwicklung, und die Vermischung. Fabriken wurden gebaut, für die russische (oder andere sowjetische) Arbeiter gebraucht wurden, für die natürlich Häuser gebaut werden mußten, natürlich von russischen (und anderen) Bauarbeitern usw. usf.
Die baltischen Völker reagierten darauf, indem sie mit Absicht mehr Kinder kriegten und ihre Kultur hochschätzten und bewahrten. Nach außen sprachen alle dieselben geforderten ideologischen Phrasen, innerlich wußte man (mehrheitlich), was davon zu halten war. Man trank also nicht von dem Kakao, durch den man gezogen wurde (Kästner).
Woher ich das weiß? Ich bin dagewesen.
Super, Herr Schmidt, solche Zeitzeugenschaft ist unbezahlbar und gibt unwahrscheinlich viel Farbe in die Debatte…
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