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Die Union und das Christentum: Das hohe C der CDU

Die Union und das Christentum: Das hohe C der CDU

Die Union und das Christentum: Das hohe C der CDU

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Logo der CDU am Konrad-Adenauer-Haus in Berlin Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Die Union und das Christentum
 

Das hohe C der CDU

Das Christentum mag als irdische Größe an Bedeutung verloren haben. Das heißt aber nicht, daß es als geistige Substanz verschwindet. Dennoch grübelt mancher in der CDU, wie man es dort künftig mit dem C halten soll. Ein Kommentar.
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Wenn stimmt, was Hugo Müller-Vogg in einem Beitrag für Cicero Online schreibt, dann rät das CDU-Mitglied Andreas Rödder der CDU, das „C“ aus ihrem Namen zu tilgen. Da hinzugefügt wird, daß Rödder das „C“ programmatisch irgendwie erhalten wissen möchte, spricht viel dafür, daß stimmt, was Müller-Vogg schreibt. Denn Rödder, Historiker, Lehrstuhlinhaber, ist ein Meister des Einerseits-Andererseits.

Immerhin beruft er sich darauf, daß schon Eugen Gerstenmaier, Mann der Bekennenden Kirche, Mitgründer der Union und eine ihrer protestantischen Führungsfiguren, in den 1970er Jahren laut darüber nachgedacht habe, ob eine Partei noch zeitgemäß sei, die sich als „christlich“ bezeichne. Bereits damals sprach man vom „Elend der Christdemokratie“ und meinte das abrupte Ende einer politischen Tendenz, die in der Nachkriegszeit den Ton angegeben hatte.

Merkwürdigerweise war es zuerst in den katholisch geprägten Ländern Frankreich und Belgien vorbei, dann folgte Italien, wo die Democrazia Cristiana für Jahrzehnte die Regierung geführt hatte. 1994 verschwanden die „democristiani“ im politischen Nichts, als Folge von Verschleiß, Desorientierung – Folge war der sogenannte „Historische Kompromiß“ mit den Kommunisten –, sicherem Machtmißbrauch und wahrscheinlicher Verquickung mit der Mafia.

Das katholische Zentrum blieb einflußlos

CDU 1949
Plakat der CDU zur ersten Bundestagswahl 1949 Foto: Aus dem Archiv des Verfassers

Selbstverständlich hatte der Niedergang der Christdemokratie auch mit dem Bedeutungsverlust des Glaubens zu tun. Lang war es her, daß die katholische Kirche im 19. Jahrhundert über ihren Klerus die ersten Massenparteien organisierte und das mit der Erwartung verknüpfte, nicht nur die Rechristianisierung des Kontinents zu erreichen, sondern auch die Loyalität der alten Eliten zu erhalten, die Verteidigung der kleinen Leute gegen das große Kapital – Stichwort „Soziallehre“ – und der Gemeinde gegen einen allmächtigen Staat zu gewährleisten. Ludwig Windthorst, der charismatische Führer des deutschen Zentrums, meinte noch, es sollten, während er und seine Parteifreunde den politischen Kampf führten, die Frauen mit dem Priester kniend vor dem Tabernakel beten, um den göttlichen Beistand zu erflehen.

Ein solches Bild wirkte bereits vor dem Ersten Weltkrieg anachronistisch, und mancher suchte den Weg aus dem „Zentrums-Turm“, dessen Wählerschaft erstaunlich stabil, aber auch strikt auf den katholischen Volksteil beschränkt blieb. Zwar betrachtete sich das Zentrum theoretisch schon im Kaiserreich als überkonfessionell und zu Beginn der Weimarer Republik trat es anfangs mit dem Zusatz „Christliche Volkspartei“ auf. Aber faktisch blieb es bei der engen Bindung an den Katholizismus.

Folgt man der Selbstdarstellung von CDU und CSU wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg diese Beschränkung aufgegeben. Unbestritten blieb das wiedergegründete Zentrum einflußlos und wurde von der Union nach und nach verdrängt. Aber jeder unvoreingenommene Blick auf die Struktur von Christdemokraten und Christsozialen zeigte, daß nur durch programmatische Unschärfe und über den Proporz in den Gremien dafür gesorgt werden konnte, die Protestanten sowie all jene bei der Stange zu halten, die in der Union nichts anderes als eine antikommunistische, gemäßigt-nationale, auch-bürgerliche Sammlungsbewegung sahen.

Inhaltliche Leere als Modernisierung verpackt

Ausgabe des von Gerd-Klaus Kaltenbrunner herausgegebenen konservativen Taschenbuchmagazins „Herderbücherei Initiative“, 1977 Foto: Aus dem Archiv des Verfassers

Rödder hat diese Struktur an anderer Stelle damit erklärt, daß die Union faktisch die „inoffizielle bundesdeutsche Staatspartei“ gewesen sei. Was jedenfalls für die alte Bundesrepublik galt, und für die neue auf Grund jenes „Mirakels“, das Helmut Kohl vor dem Machtverlust durch den Zusammenbruch der DDR und die Wiedervereinigung rettete.

Allerdings war schon in den 1990er Jahren mit Händen zu greifen, daß die Union – die CDU stärker als die CSU – unter Auszehrung litt. Das immer schwache weltanschauliche Fundament löste sich Stück für Stück auf. Was man entweder als „Modernisierung“ verkaufte oder mit dem Hinweis auf das „christliche Menschenbild“ als Wertefundament kaschierte.

Das entsprechende Lieblingsmantra Angela Merkels hat es auch Rödder angetan, und wahrscheinlich hofft er, daß niemand nachfragt, was es mit diesem Menschenbild eigentlich auf sich hat. Falls doch, könnte das zu unangenehmen Einsichten führen. Wie der, daß zum christlichen Menschenbild die Auffassung vom Menschen als Geschöpf Gottes gehört, der seinem Schöpfer Dank und Gehorsam schuldet, Pflichten, denen er aber nicht nachkommt, was ihn zum Sünder macht, dessen Herz „böse von Jugend auf“ (1. Mose 8.21) ist, weshalb er der Zucht durch die Gebote und der Strafe und des Staates bedarf, die „das Schwert nicht umsonst“ (Römer 13.4) führt.

Opportunistische Reaktion

Zuletzt gehört hierher, daß diese Welt der Erlösung bedarf und der Mensch auf Gottes Gnade hoffen muß. Jedenfalls weiß das christliche Menschenbild nichts von jener diffusen „Gleichheit“ und dem, was Rödder als „Gleichwertigkeit“ aller Menschen bezeichnet. Sind doch die Menschen Fromme oder Gottlose, Gerechte oder Heuchler, Gotteskinder oder Kinder Satans (Johannes 8.44).

Selbstverständlich kann nichts von dem, was die christliche Lehre ausmacht, heute in irgendeiner Weise politisch direkt zur Geltung gebracht werden. Insoweit hat Rödder recht. Aber der Niedergang des Christentums als irdische Größe – auf den er nur opportunistisch reagiert – bedeutet keineswegs, daß es als solches, seiner geistigen Substanz nach, verschwindet. Deshalb kann man den Gedanken nur begrüßen, daß die Roßtäuscherei ein Ende hat und die Union der Empfehlung Rödders folgt, sich nach dem Muster der westlichen „center-right-Parteien“ zu reorganisieren.

Nur sind auch die in der Regel nur mehr ein Schatten ihrer selbst sind, oder setzten – wie die Republikaner in den USA oder die Tories in Großbritannien – auf Nationalismus plus Marktwirtschaft oder Nationalismus plus Wohlfahrt. Ein Rezept, das der Union zu verordnen, Rödder kaum wagen wird.

Logo der CDU am Konrad-Adenauer-Haus in Berlin Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
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