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Rücktrittsforderungen gegen Spiegel: Aussitzen statt abdanken

Rücktrittsforderungen gegen Spiegel: Aussitzen statt abdanken

Rücktrittsforderungen gegen Spiegel: Aussitzen statt abdanken

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne): Während der Flutkatastrophe im Ahrtal sorgte sie sich um ihr Image
Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne): Während der Flutkatastrophe im Ahrtal sorgte sie sich um ihr Image
Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne): Während der Flutkatastrophe im Ahrtal sorgte sie sich um ihr Image Foto: picture alliance/Kay Nietfeld/dpa
Rücktrittsforderungen gegen Spiegel
 

Aussitzen statt abdanken

Rücktrittsforderungen hört man im parlamentarischen Betrieb häufig. Heutzutage nimmt aber kaum noch ein Politiker demütig seinen Hut. Das jüngste Beispiel dafür ist Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne), die die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe im Ahrtal lieber aussitzt. Ein Kommentar.
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Rücktrittsforderungen hört man oft in der Politik. Im parlamentarischen Tagesgeschäft sind sie ein probates Mittel, um den politischen Gegner anzugreifen und seine vermeintliche Unfähigkeit zu betonen. Ausgesprochen ist die Forderung sehr schnell, beherzt wird sie mittlerweile selten. Vorbei scheinen die Zeiten zu sein, in denen Politiker die Verantwortung für ihre Entscheidungen übernahmen und Konsequenzen zogen.

Kaum einer nimmt beschämt oder demütig seinen Hut. Stattdessen wird heutzutage schier jeder Fehltritt einfach ausgesessen. Ebenfalls eine beliebte Strategie ist es, die Flucht nach vorn anzutreten und die Schuld auf andere abzuwälzen. Bis zur nächsten Wahl ist meist Gras über die Skandale gewachsen und die Politiker können da weitermachen, wo sie aufgehört haben.

Freilich sollte man nicht über jedes Stöckchen springen, das einem der politische Kontrahent hinhält, aber ein gesundes Maß an Selbstreflexion und Ehrgefühl sollte ein Volksvertreter schon haben. Diese charakterlichen Attribute sind besonders dann gefragt, wenn es um Menschenleben geht. Solche gab es im vergangenen Jahr viele zu beklagen. So auch nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal. Dabei kam nach und nach ans Licht, daß es mit einem funktionierenden Frühwarnsystem wohl weniger Tote gegeben hätte.

CDU und AfD fordern Spiegels Entlassung

Neben der Technik scheiterte die Handhabe der Situation aber auch an so manchem Politiker, der die Lage nicht ernst nahm. Konkret geht es um Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne), die damals noch Umweltministerin in Rheinland-Pfalz war. Wegen „schweren Versäumnissen im Krisenmanagement“ fordert die CDU-Fraktion in dem Land nun Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu auf, Spiegel zu entlassen. Zuvor hatten die rheinland-pfälzische AfD-Fraktion und die Freien Wähler ihren Rücktritt gefordert. Sie blieben aber ungehört.

Am 11. März wurden Spiegel und ihr ehemaliger Büroleiter Erwin Manz, der zugleich Staatssekretär im von ihr geleiteten Ressort war, vor dem Untersuchungsausschuß zur Ahrtal-Katastrophe vernommen. Es ging unter anderem darum, was die damals verantwortliche Ministerin in der Flutnacht konkret unternommen hatte. Laut Berichten wußten ihre Mitarbeiter nicht, wo sich Spiegel zu diesem Zeitpunkt befand.

Spiegel wurde nicht abgestraft, sondern befördert

Interne Chatnachrichten, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, belegen minutiös, wie sich Spiegel und ihr Team um die Imagepflege der Grünen-Politikerin sorgten und eine taktische Schadensbegrenzung planten, statt sich um Rettungsmaßnahmen für die Menschen zu kümmern. So wurden medienwirksame Auftritte für die Landesministerin geplant, um für sie eine „glaubwürdige Rolle“ zu schaffen.

134 Tote hat die Flut gefordert. Das jüngste Opfer war gerade einmal vier Jahre alt. Anstatt ein Versagen des Umweltministeriums einzuräumen, pflegte Spiegel ihre Eitelkeiten. Dafür wird es wohl keine großartigen Konsequenzen geben. Ganz im Gegenteil: Schließlich wurde sie später zur Bundesministerin befördert.

Rücktritte sind nur noch Randnotiz wert

Man erinnere sich einmal daran, warum der ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) gehen mußte. Er hatte sich die falsche Zeit für seine „Love-Homestory“ mit seiner Freundin ausgesucht. In der Klatsch-Zeitschrift Bunte ließ sich der Sozialdemokrat 2001 im Swimmingpool auf Mallorca ablichten – ganz verliebt, flirtend und knutschend zeigte er sich in Badehose, während deutsche Soldaten kurz vor einem gefährlichen Balkan-Einsatz in Mazedonien standen und Urlaubssperre hatten. Ein Jahr konnte er sich noch im Amt des Verteidigungsministers halten. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) feuerte ihn schließlich im Juli 2002 wegen eines zweifelhaften Beratervertrags.

Den wohl „spektakulärsten“ Rücktritt bot allerdings der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler 2010, nachdem er wegen Äußerung zu einem Bundeswehreinsatz in die Kritik geraten war. Köhler hatte bei der Abreise von einem Besuch der Bundeswehr in Afghanistan gesagt, im Notfall sei auch ein „militärischer Einsatz notwendig (…), um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege“ und daß sich die deutschen Soldaten in einem „Krieg“ befänden.

Was Köhler dabei das Genick brach, war die Demaskierung des Bundeswehreinsatzes: Es ging eben nicht nur um den Wiederaufbau des Landes und Brunnenbohrungen. Die Frage, ob die Rücktritte und Entlassungen gerechtfertigt waren oder nicht, ist mittlerweile kaum mehr als eine Randnotiz in der deutschen Parlamentsgeschichte.

Schavan: Amt darf nicht beschädigt werden

Auch über ihre Doktortitel stolperten in Deutschland indes so einige Politiker. 2011 mußte der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU) wegen einer Plagiatsaffäre seinen Stuhl räumen. Aus demselben Grund folgte ihm 2013 die damalige Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). Ihre Begründung lautete: „Das Amt darf nicht beschädigt werden.“

Heutzutage sucht man lange nach Politikern mit Schamgefühl. Die amtierende Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte ihr Amt als Bundesfamilienministerin nach Plagiatsvorwürfen im Mai vergangenen Jahres zwar abgegeben, kandidierte weniger später aber für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin Berlins. Narzisstischen Politikern kann man ihr durchaus Verhalten vorwerfen. Sie zu wählen und damit zu belohnen, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne): Während der Flutkatastrophe im Ahrtal sorgte sie sich um ihr Image Foto: picture alliance/Kay Nietfeld/dpa
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