Freitag, der 28. Februar, wird in die Geschichte der Aktienmärkte eingehen. An Vortag verbuchte der amerikanische Dow-Jones-Index mit 4,4 Prozent seinen größten Tagesverlust überhaupt, weltweit stehen die Aktienmärkte vor dem größten Wochenverlust seit 2008. Da die Finanzmärkte der Welt sich gegenseitig beeinflussen und die Wirtschaften aller Industrienationen längst auf das engste miteinander verzahnt sind, sieht es auch an den anderen Märkten nicht besser aus: Der deutsche DAX ist seit der Eröffnung Stand mittag um 3,8 Prozent gefallen, der Londoner FTSE um 3,2 Prozent, nachdem bereits zuvor der japanische Nikkei-Index bis zum Handelsschluß vier Prozent eingebüßt hatte.
Das sind dramatische Zahlen und nicht nur Aktienbesitzer und Börsenspekulanten fragen sich jetzt natürlich: Was ist der Grund dafür? Geht das noch lange so weiter? Und steht jetzt der nächste große Crash ins Haus, ja ist das vielleicht sogar der ganz große Crash, von dem Verschwörungstheoretiker, Euro-Kritiker und Gold-Fanatiker seit Jahren reden? Gehen jetzt Wirtschaft, Wohlstand und Vermögen den Bach hinunter? Und wenn das stimmt, heißt das dann, daß, wer Aktien oder Aktienfonds besitzt, die jetzt schnell verkaufen und in Bargeld flüchten soll, um zu retten, was noch zu retten ist?
Die Börsen warten seit einem Jahr auf schlechte Nachrichten
Gehen wir der Reihe nach vor und fangen wir mit dem Wichtigsten an, nämlich den Gründen für den Crash. Dafür gibt es zwei. Zum einen haben die internationalen Aktenmärkte eine fast elfjährige Hausse hinter sich, steigen kontinuierlich seit 2009 und haben gerade in den vergangenen Monaten Rekordstände erreicht oder waren zumindest ganz kurz davor.
Börsenkurse, die jahrelang nach oben gehen und dabei Rekord um Rekord brechen, müssen irgendwann fallen, das liegt in der Natur der Sache – selbst dann, wenn die zugrundeliegenden ökonomischen Fundamentaldaten gut wären. Aber die sind seit mehr als einem Jahr schon nicht mehr so prickelnd, sprich, die Unternehmensgewinne und die sich daraus ergebenden Kursgewinnverhältnisse vieler Aktienwerte stagnieren oder sinken seit 2019. Die Luft ist also schon länger raus.
Im Endeffekt warten die Börsen der Welt seit mehr als einem Jahr auf schlechte Nachrichten, und mit dem Coronavirus sind die nun gekommen. Und zwar massiv, denn das Coronavirus bedeutet nicht nur, daß wir jetzt im Fernsehen eine Menge Chinesen mit Mundschutz herumlaufen sehen und uns öfter die Hände waschen sollen. Nein, das Coronavirus hat bereits jetzt die Weltwirtschaft kräftig in Unordnung gebracht.
Schlüsselland China
China ist nach den USA die größte Volkswirtschaft der Welt und spielt für die EU und Amerika sowohl als Absatzmarkt wie auch als Produzent eine gar nicht zu überschätzende Rolle. 28 Prozent aller Waren auf der Welt werden in China hergestellt und in die ganze Welt exportiert.
Stehen in China die Fabriken still, was viele wegen der Coronavirus-Pandemie im Moment tun, dann fehlen Herstellern im Rest der Welt, auch in Deutschland, von heute auf morgen Ersatzteile und Fertigprodukte, denn mit den längst überall verbreiteten Just-in-time-Logistik-Systemen hat kein Mensch mehr viel auf Lager.
China ist aber auch als Markt und Abnehmer für deutsche Produkte von immenser Bedeutung. Die drei deutschen Autokonzerne Volkswagen, BMW und Daimler verkauften 2019 in China gut 5,5 Millionen Fahrzeuge, was China zum wichtigsten Markt für deutsche Luxus-Autos macht. Es darf also niemanden wundern, wenn die Coronavirus-Epidemie voll auf die Weltbörsen durchschlägt.
Still halten und abwarten
Aber bedeuten diese – zugegeben düsteren – Nachrichten, daß Privatanleger jetzt Hals über Kopf ihre Papiere verkaufen und eventuell saftige Verluste in Kauf nehmen müssen? Um es klar zu sagen: das bedeutet es keineswegs. Gewiß, wenn die Chinesen den Virusausbruch nicht bald in Griff kriegen und sich die Erkrankungsfälle im Rest der Welt weiter häufen, dann wird es auch an den Börsen weiter abwärts gehen – und das kann noch eine Zeitlang so gehen.
Doch auch wenn die Epidemie binnen kurzem abklingen sollte, die chinesischen Fabriken wieder hochfahren und die Verhältnisse sich nach und nach normalisieren, bedeutet dies nicht, daß die Börsen ihren seit Jahren anhaltenden Aufstieg ungebrochen fortsetzen. Nochmal: auch ohne Coronavirus waren Kurskorrekturen auf breiter Ebene notwendig und zu erwarten.
Aber das ist der normale Gang der Börsen. Und wer sich mit Aktien auskennt, der weiß: irgendwann geht es wieder nach oben. Dies wird auch deshalb der Fall sein, weil das sonstige Umfeld für Aktien weiter stabil ist. Die Zinsen – neben den Unternehmensgewinnen der wesentlichen Treiber für Aktienkurse seit 2009 – sind niedrig und werden es bleiben.
Wer also im Moment nicht unbedingt Aktien oder Fonds verkaufen muß, der tut das auch nicht, sondern hält still und wartet ab. Panikverkäufe sind in einer solchen Situation immer das Schlimmste, was jemand tun kann. Geht die Entwicklung weiter nach unten, bietet sich nach einigen Monaten oder sogar einem Jahr, wenn sich die Lage wieder entspannt hat, die Gelegenheit für neue Zukäufe.