In den deutschen Streitkräften Kommandeur oder Kommandant zu werden, ist der Traum vieler Offiziere, die Menschen führen wollen. Führen – und nicht managen. Damit wird einem Kommandeur eine große Verantwortung übertragen. Er muß bestimmte Eigenschaft mitbringen: Empathie und Selbstdisziplin. Wer Menschen führen will, muß Menschen mögen.
Er muß in seinem Verantwortungsbereich die Dienstaufsicht vor Ort ausüben, um seine Untergebenen kennenzulernen und einen vernünftigen Dienstablauf sicherzustellen. Er ist weitgehend frei in seinen Entscheidungen. Er ist Ermittler und Richter, wenn ihm Unregelmäßigkeiten bekannt werden. Er ist nicht weisungsgebunden.
Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen ein christdemokratischer Minister den Kommandeur direkt anrief, um von ihm die Bestrafung eines Soldaten zu verlangen, ohne das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten.
Moderne Menschenführung: hart, aber fair
Es gehörte Mut und Verantwortungsgefühl für die eigenen Soldaten dazu, den Rechtsweg auch bei Druck „von oben“ einzuhalten. Das geschah aber häufig nicht. Manche Kommandeure verkürzten das Verfahren und kamen zu Urteilen, die dem Druck „von oben“ nachgaben. So kam es zu Bestrafungen – bis hin zu Suspendierungen und Verboten zur Dienstausübung und Entlassungen.
Es kam zum Glück zu Korrekturen der fragwürdigen Entscheidungen durch höhere Instanzen – bis hin zur Wiedereinstellung. Der jeweilige betroffene Kommandeur hat gezeigt, daß er moderne Menschenführung nicht verstanden hat. Hart, aber fair. Er hat Vertrauen bei seinen Untergebenen verspielt.
Das gilt auch für den Kommandeur in Calw, der einen Einzelfall zum Anlaß nahm, seine Untergebenen aufzufordern, die Streitkräfte zu verlassen, wenn sie „rechte“ Auffassungen verträten. Zum Glück forderte er seine Untergebenen nicht auch noch auf, Verdachtsmomente zu melden.
Keinen Generalverdacht
Sein Aufruf im „Kampf gegen Rechts“ ist dennoch völlig unpassend. Was bedeutet in diesem Zusammenhang überhaupt „rechts“? Ist „Verfassungspatriotismus“ bereits „rechts“ und damit zu bekämpfen? Es ist natürlich, daß Soldaten eher zu den bewahrenden Menschen gehören. Gerade Spezialkräfte werden ausgebildet und geführt, ihr Vaterland zu verteidigen. Diese Soldaten kämpfen bereits im Frieden im Einsatz, auch um deutsche Staatsbürger aus schwierigen Fällen im Ausland zu befreien – unter Kontrolle des deutschen Bundestages.
Gemeinsamer Einsatz schweißt die vier Mitglieder eines „Teams“ zusammen. Sie entwickeln ein außergewöhnliches Zusammengehörigkeits- und Verantwortungsgefühl. Ihre Familien wissen nicht, wann und wo sie zum Einsatz kommen. Eine Belastung für alle Beteiligten.
Natürlich gibt es in jeder Gruppe Menschen unterschiedlicher Bildung und Erziehung und auch „Ausreißer“ nach unten. Gegen diese muß sauber ermittelt und – je nach Vergehen – hart vorgegangen werden. Als Kommandeur einen „Generalverdacht“ auszusprechen, ist jedoch kein Ruhmesblatt und hoffentlich ein Einzelfall unter Kommandeuren der Bundeswehr.
Soldaten wollen respektiert werden
Für Außenstehende ist schwer zu erkennen, wie Soldaten eigentlich ticken. Das gilt auch für Politiker, die Verantwortung für die Führung von Streitkräften übernehmen. „Soldaten wollen immer geliebt werden“, sagte einmal der frühere Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Solche Sprüche schaffen kein Vertrauen. Soldaten wollen respektiert werden, gerade wenn sie in einem Auslandseinsatz ihre Gesundheit oder gar ihr Leben riskieren.
Wenn etliche Medien nur dann über die Bundeswehr und ihre Soldaten berichten, wenn etwas Negatives geschehen ist, braucht man sich über Nachwuchssorgen nicht zu wundern. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht würde die Streitkräfte mit unseren qualifizierten Töchtern und Söhnen wieder in die Gesellschaft und in das Interesse der Politik zurückführen.
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Dieter Farwick ist Brigadegeneral a.D. und Publizist. Er ist Mitglied des International Institute for Strategic Studies (IISS) in London.