Die Liste der Protestierer, die in einer Erklärung den Rücktritt des Geschäftsführers der Hessischen Filmförderung, Hans Joachim Mendig, verlangen, hat sich von ursprünglich 150 auf 550 Namen fast vervierfacht.
Der Grund für den großen Auftritt: Mendig hatte sich mit Jörg Meuthen, AfD-Bundessprecher und damit Chef der einzigen real existierenden Oppositionspartei, in einem Restaurant zum Plausch getroffen. Bei der Gelegenheit haben die Herren selbstverständlich auch politisiert. So weit, so normal der Vorgang und so verrückt seine Skandalisierung. Doch weil die Verrückten die Norm vorgeben und über die Macht verfügen, das Normale als Regelverstoß zu ahnden, mußte Mendig am Ende seinen Hut nehmen.
Das politische Elend, das sich in dem Vorgang zeigt, hat eine kulturelle Entsprechung: Geht man die Namensliste der Unterzeichner durch, tritt dem Betrachter auch das Elend des deutschen Gegenwartsfilms vor Augen. Keine Penelope Cruz, Isabelle Huppert, Charlotte Rampling befindet sich unter den „Filmschaffenden aus allen Bereichen und Regionen Deutschlands“, kein Pedro Almodovar, Xavier Dolan, François Ozon oder Lars von Trier.
Wortgeklingel
Dabei hat man alles zusammengekarrt, was nur greifbar war: Schauspieler, Regisseure, Drehbuchautoren, Kameraleute. Komponisten Presseagenten, Filmkritiker, Masken- und Kostümbildner. Sogar der Karikaturist Klaus Staeck, der seit gefühlten 200 Jahren im heroischen „Kampf gegen Rechts“ an vorderster Front steht, durfte sich eintragen.
Der deutsche Film von heute ist eine provinzielle und drittklassige Angelegenheit. Es hat seinen Grund, daß er beim Filmfestival in Cannes so gut wie nie vertreten ist. Natürlich gibt es Ausnahmen wie den Film „Barbara“ des Regisseurs Christian Petzold (der leider ebenfalls zu den Unterzeichnern gehört), der einen viel realistischeres Bild der DDR-Wirklichkeit bietet als das hollywoodeske „Leben der anderen“. Doch solche Beispiele bestätigen bloß die Regel.
Die erklärten Verteidiger der „liberalen Kulturproduktion“ führen ihre „Überparteilichkeit, Offenheit für vielfältige künstlerische Positionen, demokratische Kultur und Transparenz“ gegen die AfD ins Feld. Das Wortgeklingel erinnert an die „Weite und Vielfalt“, auf die sich die sozialistischen Kulturproduzenten in ihren obligaten Grußadressen an die SED-Führung verpflichteten.
Vorgang zeigt die politische Einflußnahme
Auch ist die Kunst nicht per se demokratisch. Im Erfolgsfall eröffnet sie einen originellen, überraschenden Blick auf die Wirklichkeit und kann dabei sogar ausgesprochen elitär sein. Eine Kunst, die sich heute „demokratisch“ betätigen wollte, müßte den zur Staatskonvention und -ideologie geronnenen „Kampf gegen Rechts“ kritisch in den Blick nehmen. Doch das wollen die Unterzeichner gerade nicht. Sie versprechen implizit, weiterhin affirmative Staatskunst abzuliefern und erwarten als Gegenleistung ihre Alimentierung.
Denn in Wahrheit herrscht in der Filmproduktion inhaltliche und formale Einfalt vor. Die ARD-Serie „Lindenstraße“, wo der gute, weltoffene Linke säuberlich vom bösen, ausländerfeindliche Rechten geschieden ist, bietet das idealtypische Modell. Jörg Meuthens polemisch zugespitztes Wort vom „links-rot-grün-versifften 68er Deutschland“ wird durch den Skandalisierungsversuch der Protestierer zusätzlich bestätigt.
Die Intervention der „Filmschaffenden“ ist eine interessengeleitete Meinungsäußerung aus dem links-rot-grünen Kulturbetrieb, mehr nicht. Wie frei sind die Unterzeichner des Appells überhaupt? Alle Erfahrung spricht dafür, daß jeder, der eine Gegenposition bezieht, raus aus dem Geschäft und damit arbeits- und brotlos ist.
Immerhin hat der Appell auf ein sehr reales Problem der staatlichen Filmförderung aufmerksam gemacht: Auf die politische Einflußnahme, die mit ihr verbunden ist. Bisher hat sie das politisch opportune Mittelmaß begünstigt. Das Mittelmaß will mittelmäßig bleiben dürfen. Das alles ist lachhaft und zugleich bittere Wirklichkeit.