Jüngst hat die SPD ihr bundesweit schlechtestes Ergebnis eingefahren. Nur 15,8 Prozent der Bürger wollten für die Sozialdemokraten stimmen. Noch weniger als bei der Bundestagswahl 2017 – wobei auch die damaligen 20,5 Prozent bereits eine Katastrophe waren.
Immer häufiger stellt sich die Frage, ob die SPD den Draht zum einfachen Bürger verloren hat. Identitätspolitik und Genderideologie bringen keine Wahlerfolge. Wäre es nicht sinnvoller, sich endlich dem Thema Einwanderung zu stellen? Viele Wähler bemerken Integrationsdefizite und Parallelgesellschaften – Probleme, die sich seit der Flüchtlingskrise 2015 nur weiter verschärft haben.
„Nicht mit Wischiwaschi“
Vergangene Woche haben die dänischen Sozialdemokraten die Parlamentswahl gewonnen. Die Genossen im Nachbarland geben sich jedoch keinen Multikulti-Illusionen hin und wollen Einwanderung streng reglementieren. Warum also nicht von diesem Beispiel lernen? Der frühere Parteivorsitzende Sigmar Gabriel meinte dazu im Handelsblatt: „Die SPD sollte sich am Erfolg der dänischen Genossen orientieren.“ Die dänischen Sozialdemokraten forderten eine „gelinde gesagt ‚robuste‘ Ausländer- und Asylpolitik“. Eine Kindergartenpflicht soll die Integration erleichtern; Staaten, die ihre Bürger nicht zurücknehmen, müssen mit Kürzung der Entwicklungshilfe rechnen.
Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) betonte, beim Thema Migration „nicht mit Wischiwaschi, sondern mit klaren Ansagen“ punkten zu wollen: „Einwanderung ist gewollt, aber nur in kontrollierter Form. […] Wir setzen klare Regeln und stehen dann auch dafür ein, daß sie durchgesetzt werden. Notfalls mit aller Härte.“
SPD und CDU hatten im Bundestag zuletzt für einen Gesetzentwurf gestimmt, der Abschiebungen erleichtert. Der migrationspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Lars Castellucci, erwiderte die Kritik von Linken und Grünen: „Wir wollen keine Einwanderung in Sozialsysteme. Also sollen nur diejenigen einwandern, die eine eigenständige Altersversorgung aufbauen können. Halte ich unter dem Strich für richtig.“
Stimmen aus der Vergangenheit
Ist das die Trendwende? Wohl kaum. Eine der drei Interimsparteivorsitzenden, Malu Dreyer, äußerte sich skeptischer: „Es gibt nie den identischen Weg“, sagte sie mit Blick auf Dänemark. In ihrem Bundesland Rheinland-Pfalz setze man „stark auf freiwillige Rückkehr und das funktioniert auch sehr gut“, so die Ministerpräsidentin.
Auch Ralf Stegner meldete sich auf Twitter zum Wahlerfolg der dänischen Sozialdemokraten zu Wort. Der Preis dafür, nämlich ein „ökonomischer Linkskurs, aber gesellschaftspolitischer Rechtskurs (das empfehlen ja Neunmalkluge auch der deutschen Sozialdemokratie)“, sei zu hoch.“ Aziz Bozkurt, Vorsitzender der parteiinternen Arbeitsgruppe Migration und Vielfalt, hatte seine eigene Meinung zum Wahlausgang im Nachbarland: „Keine Glückwünsche nach Dänemark! Ein Pyrrhussieg der mit der Aufgabe der eigenen Werte und Identität erkauft wurde. Beschämend!“
Ohnehin handelt es sich bei Gabriels und Oppermanns um Stimmen, die mit der Zukunft der Partei wenig zu tun haben dürften. Gabriels politische Karriere ist vorbei; die von Oppermann hat ihren Zenit überschritten. In einer Post-Nahles-SPD werden sie wohl keine große Rolle mehr spielen. Aber wie glaubwürdig ist ihr Vorstoß überhaupt? Denn gänzlich neu ist die Idee, daß die SPD Integrationsdefizite ansprechen soll ja nicht.
2010 – das Jahr der verpaßten Gelegenheit
2010 forderte der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin seine Partei dazu auf, sich mit Parallelgesellschaften zu befassen. Der damalige Parteivorsitzende Gabriel sah dies aber nicht als Denkanstoß, sondern als Provokation und forderte den Ausschluß Sarrazins aus der SPD. Hat Gabriel also mittlerweile eine Kehrtwende vollzogen oder genießt er es nur, die Streitereien in seiner Partei, die ihn erst vor zwei Jahren aus dem Amt mobbte, in ihrer schwersten Stunde noch weiter anzufachen?
Oppermann klang 2010 noch ganz ähnlich: „Sarrazin ist keine Zierde für die SPD. Er hat eine rote Linie überschritten. Er spaltet die Gesellschaft, indem er ganze Gruppen wie die Muslime als erbbedingt dumm darstellt. Das ist mit dem sozialdemokratischen Menschenbild absolut unvereinbar.“
Und was ist mit Lars Castelluci? Er sagt, fortan müsse stärker auf die wirtschaftliche Leistung von Einwanderern geachtet werden. Heißt das also im Umkehrschluß, daß all die früheren Beteuerungen, Einwanderern würden den Deutschen die Rente sichern, nichts weiter als Augenwischerei waren?
Mit Leuten wie Chebli gibt es keinen Neuanfang
Im Oktober 2018 hatte die AfD-Bundestagsfraktion die Regierung aufgefordert, „geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die Verbreitung von im Koran enthaltenen gesetzeswidrigen Inhalten und Aufrufen zu unterbinden“. Castelluci antwortete. Zunächst zählte er alle Themen auf, über die er lieber reden würde als über den Islam. Darauf folgten mehrere Rassismusvorwürfe gegen den politischen Gegner und erst ganz am Schluß so etwas wie ein Argument. Das Islamverständnis der AfD entspreche exakt dem der Islamisten. Damit hat Castelluci natürlich recht – nur leider ist genau diese kriegerische Deutung des Islam im Augenblick der Mainstream in der islamischen Welt.
2010 hatte die SPD die einmalige Chance, den späteren Aufstieg der damals noch nicht einmal gegründeten AfD zu verhindern – doch sie wollte es nicht. Offensichtlich ist der Leidensdruck der SPD selbst bei 15 Prozent immer noch nicht hoch genug. Womöglich werden selbst umso schlechtere Wahlergebnisse kein Umdenken herbeiführen. Die Geschichte kennt zahllose Beispiele verblendeter Ideologen, die den Untergang dem Kompromiß vorzogen. Solange die SPD eine twitternde Amokläuferin wie Sawsan Chebli als Beispiel gelungener Integration präsentiert, weiß der Wähler woran er ist.