Euro-Rettungspolitik war gestern, Flüchtlingspolitik ist heute, Sozialpolitik ist morgen. Die AfD ist dabei, ihren politischen Schwerpunkt zu verändern. Der Parteitag in Augsburg hat einen Strategiewechsel angedeutet. Seit langem muß die Partei mit dem (berechtigten) Vorwurf leben, ihr fehle es an einem eigenen Rentenkonzept. Eine inhaltliche Leerstelle – gut fünf Jahre nach Gründung der Partei.
Private Vorsorge mit mehr Eigenverantwortung, oder mehr Staatsfinanzierung mit einem Rentenaufschlag für deutsche Staatsbürger? Da steht Parteichef Jörg Meuthen gegen den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke. Der Flügel-Mann aus dem Freistaat hat dem Bundesvorstand einen Sonderparteitag zur Sozialpolitik im kommenden Jahr abgetrotzt.
Rechtzeitig vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg soll der Parteitag im AfD-Schwerpunkt-Land Sachsen stattfinden. Dort rechnet sich die Partei die größten Chancen aus. Manche träumen gar von einem „blauen“ Ministerpräsidenten. Eine Vorentscheidung über das Rentenkonzept ist damit aber noch nicht getroffen. Höcke hat jedoch vorgearbeitet.
„Wir sind eine Nation, kein Siedlungsgebiet“
Er will die soziale Gerechtigkeit, aus seiner Sicht das „große Zukunftsthema“, verknüpfen mit der nationalen Identität, um die AfD zur stärksten Volkspartei zu machen. Höckes strategischer Punktsieg ist vielmehr die Folge einer von den Delegierten als wenig zukunftsweisend empfundenen Rede Meuthens. Der Parteichef ließ inhaltliche Orientierung weitgehend vermissen, arbeitete sich an Multikulti ab und plädierte für eine „Festung Europa“.
Da hatte Co-Parteichef Alexander Gauland die Stimmung der Delegierten besser getroffen, als er sich vehement gegen die von Kanzlerin Angela Merkel angestrebte europäische Lösung des Asylproblems aussprach. „Wir sind eine Nation, kein Siedlungsgebiet.“
Eine Binsenweisheit, die eigentlich selbstverständlich sein sollte. Eigentlich. Doch längst hat der linksliberale Mainstream solche Aussagen unter Populismus-Verdacht gestellt. Aufgabe der vom Parteitag beschlossenen Desiderius-Erasmus-Stiftung wird es sein, den durch linke Tugendwächter verengten Meinungskorridor zu erweitern, die grundgesetzlich verbürgte Meinungsfreiheit mit Leben zu füllen.
Ergebnisse können sich sehen lassen
Über die Notwendigkeit einer Stiftung haben die Delegierten engagiert gestritten. Durchgesetzt hat sich die pragmatisch orientierte Parteiführung, hier hatten die Anhänger der „reinen Lehre“ das Nachsehen. Jetzt kommt es darauf an, den intellektuellen Diskurs zu befruchten.
Von einem „Arbeitsparteitag“ hatte der Bundesvorstand zu Beginn gesprochen. Dessen Ergebnisse können sich sehen lassen für die stärkste Oppositionspartei, auch mit Blick auf die Zerstrittenheit der Koalition.