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Merkels Kampf um ihr politisches Überleben: Die Logik des Machterhalts

Merkels Kampf um ihr politisches Überleben: Die Logik des Machterhalts

Merkels Kampf um ihr politisches Überleben: Die Logik des Machterhalts

Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Deutschen Bundestag. Foto: dpa
Merkels Kampf um ihr politisches Überleben
 

Die Logik des Machterhalts

Deutschland, das aufgrund seiner Größe, seines Potentials und seiner geographischen Lage dazu berufen ist, das Gravitationszentrum für ein freies Europa der Vaterländer zu bilden, wird nach zwölf Jahren Merkel als europäischer Infektionsherd wahrgenommen, der unter Quarantäne gehört. Wann in der Geschichte war das zuletzt der Fall gewesen? <>Ein Kommentar von Thorsten Hinz.<>
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Der Anblick ist zum Gotterbarmen: Die Gesichtsfarbe fahl, der Blick erloschen, und die Falten, die sich von den Mundwinkeln hinunter zum Kinn ziehen, sind mittlerweile so tief wie die Gräben, die sie mit ihrer Willkommenspolitik durch Deutschland und Europa gerissen hat. Einem Zombie gleich hetzt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) von Termin zu Termin: Jordanien, Meseberg, Libanon, Brüssel und zwischendurch endlose Krisensitzungen im Kanzleramt und im Adenauer-Haus.

Trotzdem verdient sie weder Mitleid noch Respekt, denn ihre Rastlosigkeit gilt nicht dem Wohle Deutschlands, sondern ihrem politischen Überleben. Beharrlich verdrängt sie, daß sie eine politisch Untote, eine Botin des Niedergangs und ein Gegenstand des Widerwillens ist. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki spottete im Vorfeld des Sondergipfels vergangenen Sonntag in Brüssel, der zur Merkel-Rettung veranstaltet wurde, offenbar solle es „um Rezepte aus der Vergangenheit“ gehen. Und Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis erklärte, in Deutschland habe sich „eine spezielle Situation entwickelt“, die Folgen für ganz Europa haben könne und die man daher „genau beobachten“ müsse. Ein Satz, den man zweimal lesen muß.

Europäischer Infektionsherd

Deutschland, das aufgrund seiner Größe, seines Potentials und seiner geographischen Lage dazu berufen ist, das Gravitationszentrum für ein freies Europa der Vaterländer zu bilden, wird nach zwölf Jahren Merkel als europäischer Infektionsherd wahrgenommen, der unter Quarantäne gehört. Wann in der Geschichte war das zuletzt der Fall gewesen?

Die Untote zieht, um sich politisch auf den Beinen zu halten, weiter sozialen Lebenssaft aus den schon länger hier Lebenden. Sie hat deutsche Steuermilliarden für das fragwürdige, von Emmanuel Macron geforderte Eurozonen-Budget zugesagt, um dafür ein vergiftetes Linsengericht einzutauschen: die verbale Unterstützung ihrer Asylpolitik, die Deutschland und Europa in die Katastrophe führt.

Eisern folgt Merkel der Logik des Machterhalts. Sie weiß, daß ein Nachgeben einen Domino-Effekt auslösen würde. Immer neue Fragen würden aufgeworfen, immer neue Notwendigkeiten sich ergeben, bis am Ende sich herausstellt, was ohnehin auf der Hand liegt: Ihre Grenzöffnung war verkehrt und sie eine Bankrotteurin von Anfang an. Ausgerechnet in dem von syrischen Flüchtlingen überschwemmten Jordanien erneuerte sie die Willkommensbotschaft mit der trotzigen Ansage, Deutschland bleibe ein „offenes Land“.

Selbsthaß der Mitläufer

Konsequent verschließt sie sich der Einsicht in ihr Versagen und ihre Überforderung. Die intelligente und ehrgeizige Einser-Abiturientin war niemals die große Staatsfrau und „Führerin des freien Westens“, zu der sie emporgejubelt wurde und als die sie sich schließlich selbst betrachtete. Bestenfalls wird sie als Europas „Sugar Mama“ in Erinnerung bleiben, die sich mit jungen Asylanten ablichten ließ.

Wie die meisten Politiker treibt auch sie die Angst vor der Leere um, die sich nach dem Machtverlust vor ihr auftun wird, die Aussicht auf eine freudlose Existenz wie die von Margot Honecker nach 1989. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, wie die Parteifreunde, die ihre Politik geduldet, mitgetragen und bejubelt haben, alle Schuld auf sie laden werden, um sich vor den Wählern zu salvieren.

Der Selbsthaß, den das Mitläufertum bei ihrer Gefolgschaft auslöst, wird sich nach ihrem Abtritt ein Ventil suchen und gegen sie wenden. Gleiches gilt für ihre Unterstützer in den Medien. Außerdem könnten Untersuchungsausschüsse Erkenntnisse zutage fördern, die für sie unangenehm sind, und die Staatsanwaltschaft könnte zu dem Schluß kommen, daß Regierungskriminalität kein Privileg abgehalfterter DDR-Politiker bleiben muß. Deswegen klammert sie sich an die Macht.

Größenwahn aus dem Geist der Hypermoral

Je größer Merkels Welt wurde, desto geringer seien ihr die Probleme zu Hause erschienen, versuchte vor einigen Monaten die Wochenzeitung Die Zeit in einem vorgezogenen Nachruf ihr merkwürdiges Handeln zu erklären. Das mag zutreffen und wäre auch ganz normal. Entscheidend ist nur, welche politischen Konsequenzen sich aus der Relativierung nationaler Interessen im internationalen Kontext ergeben. Bei Merkel war es der Größenwahn aus dem Geist der bundesdeutschen Hypermoral. Ihr Ausspruch „Wir schaffen das“ zeugte bereits von alarmierender Weltfremdheit.

Den vorläufigen Höhepunkt ihres Realitiätsverlustes markierten die Belehrungen an die Adresse Donald Trumps, dem sie unmittelbar nach seiner Wahl mitteilte, was er zu tun habe, damit sie ihn als Partner akzeptieren könne. Getragen vom Hochgefühl ihrer moralischen Sendung, war ihr aus dem Blick geraten, daß ein US-Präsident, mag er auch noch so viele persönliche Defizite aufweisen, der mächtigste Mann der Welt ist, mit dem ein deutscher Regierungschef es sich niemals verderben darf. Dem letzten Kanzler, der diese Tatsache mißachtete, ist seine ignorante Hybris schlecht bekommen, und auch Merkel wird von Trump jetzt in ihrer ganzen Hilflosigkeit vorgeführt.

Für die Politikexpertin Gertrud Höhler ist Merkel die „Patin“. Der Historiker Rolf Peter Sieferle vermutete gar, sie werde als „Unheilsfigur“ und „eine der großen Katastrophengestalten in die deutsche Geschichte eingehen“. Eine befriedigende Antwort jedoch auf die Frage, wie diese hochintelligente, dabei gänzlich uncharismatische, kulturell und historisch eher bildungsferne Frau eine so große Wirkung entfalten konnte, gibt es bis heute nicht.

Eigenschaften einer in der Diktatur Sozialisierten

Man verweist auf Eigenschaften wie: Opportunismus, Autoritätshörigkeit, Mißtrauen, Verschlossenheit, die für die Sozialisation in einer Diktatur typisch seien, ohne gleichzeitig der Frage nachzugehen, warum gerade diese Eigenschaften mit den politischen-ideologischen Strukturen der Bundesrepublik, die sich als freiheitlich-demokratisch definiert, so wunderbar kompatibel waren.

Offenbar hat Merkel den Bedürfnissen einer systemübergreifenden Kollektiv-Psyche entsprochen, deren herausragende Merkmale ein unerschütterliches Arbeitsethos und eine unpolitische Staatstreue sind. Es handelt sich um eine fatalistische Kombination, die erklärt, warum im 20. Jahrhundert die verschiedenen Systeme in Deutschland bis zu ihrem Verschleiß und Bankrott vergleichsweise gut funktionierten.

Der Polizist, die Notärztin, der Busfahrer und all die anderen, die Tag für Tag unter immer komplizierteren Bedingungen und zunehmend unter körperlicher Gefährdung ihre Pflicht erfüllen, sie stellen Merkel überhaupt erst die Ressourcen zur Verfügung, um ihr Zerstörungswerk fortzuführen. In anderen Ländern würde es zum sozialen Aufruhr kommen, wenn Bürger, die jahrzehntelang in die Sozialkassen eingezahlt haben, nach einem Jahr unverschuldeter Arbeitslosigkeit mit Asylanten gleich- oder schlechter gestellt werden. Wenn Merkel trotzdem die Mehrheit der Wähler auf ihrer Seite hat, zeigt das nur, daß Menschen ihre Wahlentscheidung weniger nach Interessen als nach ihren Prägungen treffen.

Illusion konfliktfreier Politikferne

Aufschlußreich war der „Lesereinspruch“ in der vorigen Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT, den ein 89jähriger gegen die Charakterisierung Merkels als „Gefährderin“ erhob. Deutschland beherrsche doch Europa mit seinem Geld. „Lieber Zahlmeister sein, als daß wieder deutsches Blut fließen muß. (…) Dafür danke ich Angela Merkel“.

Ob die Lagebeschreibung zutrifft, sei dahingestellt. Jedenfalls findet hier die traumatische Erfahrung einer Kriegs-, speziell: der Flakhelfergeneration, ihren Ausdruck. „Gut essen, ruhig schlafen und niemals allein“, so hat der Historiker Michael Stürmer den Wunsch der Deutschen nach zwei verlorenen Weltkriegen umrissen. Nebenbei, in der DDR lautete der Dreiklang: Soziale Sicherheit und Freundschaft zur Sowjetunion, der größten Friedensmacht der Welt.

Zur Erfüllung des Wunsches ist hohe Staatskunst vonnöten, während der Durchschnittsbürger der Illusion konfliktfreier Politikferne anhängt. Merkels Vorvorgänger Helmut Kohl schaffte erfolgreich den Spagat: Nach innen verbreitete er bräsige Ruhe, nach außen praktizierte er – wenn auch bei weitem nicht ausschließlich – eine Scheckbuchdiplomatie. Merkel hat diesen sedierenden Politikstil nicht bloß fortgesetzt, sie hat ihn hypermoralisch überhöht. Doch was unter den Bedingungen der Blockkonfrontation und kurz danach ein Erfolgsrezept war, erweist sich heute als staats- und volksgefährdend.

Schlechter Schlaf und deutsche Isolation

Man schläft nicht ruhig, wenn der Majordomus die Haustür sperrangelweit offen läßt. Viele deutsche Rentner essen nicht mehr gut, sie müssen Flaschen sammeln, um ihre kärgliche Existenz zu fristen. Und außenpolitisch ist Merkel-Deutschland isoliert.

Wieder einmal stehen eine Mentalität und ein politisches Konzept in Deutschland vor dem Offenbarungseid, und diesmal geht es aus demographischen Gründen an die Substanz. Die oberste Repräsentantin wankt. Gerade noch rechtzeitig? Oder längst zu spät? Und wer und was kommt danach? Die Zukunft ist offen. Hoffentlich. Das ist das Beste, was sich nach bald dreizehn Jahren Merkel-Regentschaft sagen läßt.

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JF 26/18

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Deutschen Bundestag. Foto: dpa
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