Endlich. Das Universum ist gerettet, die Sonne strahlt heller, Mensch und Tier jauchzen und jubilieren, der Globus atmet auf: Die Grünen haben eine neue Doppelspitze. So ungefähr klingt’s jedenfalls, wenn das deutsche Medien-Establishment sich am gestrigen Grünen-Parteitag in Hannover begeistert.
„Glamour“ wittert Mariam Lau von der Zeit sogleich, weil die Grünen mal statt zerknitterter Apo-Opas und -Omas zwei Oberlehrertypen aus der nächsten Generation zu Vorsitzenden gewählt haben, die sogar beide ein abgeschlossenes Studium vorweisen können. Das Spiegel-Hauptstadtbüro jubelt beim „Flüchtlings“-Kitsch der neuen Co-Vorsitzenden ergriffen mit, während bei der ARD gleich alle Sicherungen durchbrennen.
Deren Hauptstadtkorrespondenten freuen sich mit wie Schneewittchen auf dem Kindergeburtstag, schwärmen von „Lust auf Politik“ und „Aufbruchstimmung“, vermelden jeden Applaus als Sensation, als gäbe es sowas auf anderen Parteitagen nicht, und Tina Hassel, die nebenamtliche Regierungssprecherin der Kanzlerin im ARD-Hauptstadtstudio, ist in ihrer Rolle als Grünen-Groupie so berauscht vom Glückserlebnis, daß sie nicht mal merkt, wie besonnenere Kollegen sich schon über sie lustig machen.
Keine wirklichen Realpolitiker, nur gefälligere Verpackungen
Daß die Grünen nicht nur die Lieblingspartei der Kanzlerin, sondern auch der Regierungsfunker sind, ist freilich kein Geheimnis, und daß die Grünen sich wie jene bevorzugt mit Problemen herumschlagen, die sie selbst produziert haben, auch nicht. Der Doppelproporz Mann-Frau und „Fundi“-„Realo“ zum Beispiel, der zuverlässig Selbstlähmung und Mittelmäßigkeit an der Spitze garantiert.
Während die Geschlechterquote unverrückbar steht, hat man den Flügelproporz immerhin diesmal durchbrochen – die neuen Parteichefs gelten im Grünen-Koordinatensystem beide als „Realpolitiker“, ebenso wie das Dogma, daß Partei- und Regierungsämter nicht auf ein und dieselbe Person fallen dürfen. Der schon vorab als Messias gefeierte Robert Habeck darf nun also sein Ministeramt in Kiel geordnet übergeben, um als Co-Parteichef nach Berlin zu gehen.
Für eine Zeitenwende ist das freilich eher dürftig. Und was heißt überhaupt „Fundi“ und „Realo“? Der wesentliche Unterschied ist, daß die einen ihren Dogmatismus ohne Hemmungen leben, während die anderen ihrer Ideologie wenigstens eine gefälligere Verpackung geben.
Medien träumen schon von einer „neuen linken Volkspartei“
Inhaltlich trennt die neu gewählten Parteichefs Robert Habeck und Annalena Baerbock sonst nicht so viel von der Parteilinken, das haben sie in ihren Vorstellungsreden auch deutlich gemacht. Mehr Umverteilung, höhere Steuern, „Klimaschutz“-Ideologie ohne Rücksicht auf Verluste, und natürlich keine Einschränkungen bei Familiennachzug und illegaler Masseneinwanderung. „Integration heißt auch, daß die, die hier geboren sind, sich in die Gesellschaft integrieren“, raunt Robert Habeck kryptisch-bedrohlich. Na, vielen Dank auch.
Auch unter neuer Führung gibt’s von den Grünen also vor allem Politik aus dem Wolkenkuckucksheim, die an der Lebensrealität der großen Mehrheit der Deutschen meilenweit vorbeigeht. Das hindert die Grünen und ihre medialen Jubelperser nicht daran, von einer Zukunft als „neue linke Volkspartei“ zu schwärmen, die demnächst die SPD ablösen soll. Steile Thesen für die kleinste Oppositionspartei im Bundestag, die während des Wahlkampfs zeitweise sogar bibbern mußte, ob sie es über die Fünf-Prozent-Hürde schafft.
Ein Siegerrezept ist es wohl kaum, das Neid- und Plünderungsprogramm der SPD-Linken zu kopieren, mit dem die Ex-Volkspartei gerade immer tiefer in den Keller rauscht. Vielleicht treffen sich SPD und Grüne ja demnächst dort, im einstelligen Prozentbereich, um untereinander auszumachen, wer von beiden die reinere Lehre vertritt.