Normalerweise ist der Übergang vom Waldorfkindergarten in die Waldorfschule eine Selbstverständlichkeit. Wer als Vorschulkind bereits entsprechend vorgeprägt ist, gilt als besonders geeignet, seinen weiteren Bildungsweg als Schüler unter den Vorzeichen der Waldorf-Pädagogik fortzusetzen, und wird bei der Auswahl aus der Anmeldungsflut bevorzugt. Normalerweise. Nicht so, wenn der Vater des Kindes AfD-Politiker ist und ein Parlamentsmandat ausübt. Dann schlägt die Stunde der politisch korrekten Streber. Deswegen darf das Kind eines Berliner AfD-Abgeordneten nicht auf die Waldorfschule gehen, die alle seine Freunde aus der Waldorfkita besuchen werden. Weil der Papa die falsche politische Gesinnung hat.
Nun hat zweifellos jede privatrechtliche Organisation, die eine Dienstleistung anbietet, für die andere gerne bezahlen, das gute Recht, sich ihre Kunden selbst auszusuchen. Besonders wenn die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt. Aber so einfach liegt der Fall hier nicht. Denn auch das hohe Gut der Vertragsfreiheit, ein Grundpfeiler jeder freiheitlichen Ordnung, ist zunächst ein Abwehrrecht gegen willkürliche obrigkeitliche Eingriffe in das Marktgeschehen. Wird aber die Vertragsfreiheit mißbraucht, um sich untertänig an die gerade vorherrschende, in diesem Fall links-grüne, Machtideologie anzubiedern, wird dieses Freiheitsrecht in sein Gegenteil pervertiert. Dann wird es zum Deckmäntelchen für finsteren totalitären Ungeist degradiert.
Eltern wurden nach ihren Ansichten befragt
Es gruselt einen, wenn man sich das abgelaufene Szenario vorstellt: Die Eltern des Kindes – der AfD-Politiker und seine Ehefrau also – mußten nach einer kontrovers verlaufenen „Elternversammlung“ auch noch vor einem Gremium von zwei Dutzend Lehrern antreten, um sich nach ihren „Ansichten“ befragen zu lassen. Nur um schließlich doch von der spontan eingesetzten Inquisition in Ungnade abgewiesen zu werden. Die Älteren, besonders im Osten der Hauptstadt und der Republik, kennen das: Erniedrigende Tribunale vor dem Kollektiv, das nur zerknirschte „Selbstkritik“ akzeptiert. Oder auch nicht.
Eltern sind an Waldorfschulen weitaus stärker ins Schulgeschehen eingebunden als an staatlichen Bildungseinrichtungen. Deshalb, argumentierten die Inquisitoren, drohe Gefahr für den „Schulfrieden“, wenn der Vater womöglich „subtil“ Einfluß nehme. Der aber hatte, wie er selbst betont, stets darauf geachtet, Politisches und Privates strikt zu trennen. Für Konservative ist diese Haltung eine Selbstverständlichkeit, Linke tun sich damit bekanntlich schwer. Es war also nicht der Vater mit dem AfD-Parteibuch, sondern die brachiale Intervention der linksgrünen Gesinnungswächter, die den „Schulfrieden“ gestört hat.
Diskutiert wurde unter Eltern, Lehrern, Erziehern und Oberstufenschülern durchaus kontrovers. Durchgesetzt haben sich am Ende trotzdem die Verfechter totalitärer Sippenhaft, pauschaler Vorverurteilung und radikaler Ausgrenzung Andersdenkender. Mit dem dialektischen Taschenspielertrick, der Wirbel, den sie selbst verursacht hatten, mache es unmöglich, das Kind „mit der nötigen Unvoreingenommenheit und Unbefangenheit aufzunehmen“.
Radikalisierung der AfD-Ausgrenzer
Einen Gefallen hat sich die Schule damit nicht getan. Selbst die Hauptstadtmedien kommentieren kritisch: Die Berliner Zeitung, die den Fall zuerst aufgegriffen hat, spricht selbst von „Sippenhaft“, und der Tagesspiegel sorgt sich um die „Radikalisierung“ der AfD-Ausgrenzer, mit der sich auch jede andere Ausgrenzung rechtfertigen ließe. Und die Vereinigung der Oberstudiendirektoren im notorisch privatschulfeindlichen Berlin nutzt die Affäre zu einem Seitenhieb gegen das „unglaubliche“ Eigenleben der privaten Schulen.
„Wie sollen wir jetzt unserem Kind erklären, daß seine Freunde im kommenden Jahr an die Waldorfschule wechseln dürfen, wir aber dort nicht erwünscht sind?“ fragt sich der Vater gegenüber der Berliner Zeitung. Eine Lektion fürs Leben über grünlinke Bürgerkriegsgesinnung gegen Andersdenkende dürfte es auf jeden Fall gelernt haben.