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Parteiausschlußverfahren gegen Thilo Sarrazin: Die SPD kann sich nur auf eine einzige Buchstelle stützen

Parteiausschlußverfahren gegen Thilo Sarrazin: Die SPD kann sich nur auf eine einzige Buchstelle stützen

Parteiausschlußverfahren gegen Thilo Sarrazin: Die SPD kann sich nur auf eine einzige Buchstelle stützen

Lars Klingbeil
Lars Klingbeil
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil Foto: dpa / Münchner Verlagsgruppe / JF-Montage
Parteiausschlußverfahren gegen Thilo Sarrazin
 

Die SPD kann sich nur auf eine einzige Buchstelle stützen

Der SPD-Vorstand hat ein neues Parteiausschlußverfahren gegen Thilo Sarrazin beschlossen. Doch die Hürden dafür sind hoch. Die Genossen müssen ein parteischädigendes beziehungsweise verfassungsfeindliches Verhalten nachweisen. Das dürfte schwierig werden. Ein Kommentar von Lukas Mihr.
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Cato, Weidel, Exklusiv

Der SPD-Vorstand hat ein neues Parteiausschlußverfahren gegen Thilo Sarrazin beschlossen. Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte, „daß die Thesen Sarrazins nicht mit den Grundsätzen der SPD vereinbar sind und er der Partei einen schweren Schaden zufügt“. Hintergrund ist dessen jüngstes Buch „Feindliche Übernahme“, eine Generalabrechnung mit dem Islam. Bereits 2010 und 2011 waren Ausschlußverfahren gegen Sarrazin wegen eines Interviews in der Kulturzeitschrift „Lettre International“ und wegen seines Bestsellers „Deutschland schafft sich ab“ gescheitert.

Die SPD muß sich diesmal ihrer Sache sehr sicher sein, denn ein drittes Scheitern wäre erst recht eine Blamage. Schon die Kompromißlösung, die Sarrazin 2011 aushandeln konnte, wurde der damaligen Generalsekretärin Andrea Nahles als Schwäche ausgelegt.

Die Hürden für ein Parteiausschlußverfahren sind hoch, denn es kann nachträglich juristisch angefochten werden und muß daher rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen. Ein Mehrheitsbeschluß des Parteivorstands reicht nicht aus, egal wie „unsympathisch“ man Sarrazin als Person oder „geschmacklos“ seine Thesen finden mag. Auch die Nazi-Keule hilft nicht weiter. Entweder ein parteischädigendes beziehungsweise verfassungsfeindliches Verhalten läßt sich beweisen – oder eben nicht.

Die Frage der Verfassungsfeindlichkeit stellt sich kaum

Wie ließe sich ein Schaden für die SPD denn auch nachweisen? 2010 stimmten laut Umfragen viele Bundesbürger Sarrazins Thesen zu. Umgekehrt läßt sich feststellen, daß die SPD, die den Parteiausschluß und die CDU, die die Entlassung aus dem Bundesbankvorstand forcierte, massiv an Vertrauen verloren haben. Die Sozialdemokraten sind mittlerweile keine Volkspartei mehr, den Christdemokraten droht das gleiche Schicksal. Sarrazin selbst hatte gesagt, daß eine offene Diskussion über seine Thesen den Aufstieg der AfD verhindert hätte. Beweisen läßt sich dies nicht, doch fällt auf, daß diese besonders mit den Themen Islam, Euro und Gender punkten kann.

Auch die Frage nach der Verfassungsfeindlichkeit stellt sich kaum – enthält Sarrazins Werk doch hauptsächlich Beschreibungen und nur vergleichsweise wenige Forderungen. Inhaltliche Aussagen aber lassen sich überprüfen, sie sind nicht verfassungsfeindlich, sondern richtig oder falsch. Erst eine Forderung müßte sich am Kriterium des politischen Extremismus messen lassen.

Die meiste Empörung riefen Sarrazins Thesen über die Erblichkeit von Intelligenz hervor. Diese war im Jahr 2010 jedoch schon seit 30 Jahren wissenschaftlicher Konsens und durch Zwillings- und Adoptionsstudien abgesichert. In den vergangenen Jahren wurde dieser Befund glänzend bestätigt: Mittlerweile können Genetiker über 1.000 Intelligenzgene identifizieren.

Die Integration ist gescheitert: Das sieht jeder neutrale Beobachter

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Aus dieser Erkenntnis leitet Sarrazin ab, die Familienpolitik so zu ändern, daß Akademikerinnen mehr Kinder bekommen, um die Intelligenz der Gesamtbevölkerung zu steigern. Diese Forderung beißt sich tatsächlich mit dem sozialdemokratischen Gleichheitsideal – wie Bettina Röhl aber schon 2010 anmerkte, hatte die SPD 2007 zusammen mit der CDU die Einführung des Elterngelds beschlossen, das sich (wenn auch ohne Verweis auf die Erblichkeit der Intelligenz) ganz ähnlichen Zielen verpflichtete

Daß die Integration in Deutschland weitgehend gescheitert ist, kann ein neutraler Beobachter kaum abstreiten. Ausländer bilden oftmals Parallelgesellschaften, sprechen schlechter Deutsch, sind häufiger arbeitslos und kriminell. Seit 2014 reisen Terroristen – und solche, die es werden wollen – von Deutschland in die Gebiete des Islamischen Staats. Daß die Sicherheitslage in Europa verschärft hat, ist ebenfalls evident, wie die Terroranschläge in Deutschland und vor allem in Frankreich zeigen. Das ist zwar politisch nicht korrekt – aber faktisch.

Auch wenn Sarrazin starke Positionen in der Einwanderungspolitik bezieht, argumentiert er doch nicht rassistisch. Alle sind in Deutschland willkommen, die sich integrieren und eine Bereicherung für das Land darstellen, auch Iraner und Iraker. Die Heirat zwischen Deutschen und Ausländern ist für ihn das wirksamste Mittel gegen die Bildung von Parallelgesellschaften.

Ein Pauschalurteil im Resümee

Eine Passage aus „Feindliche Übernahme“ liest sich dann auch entsprechend differenziert:

Die Länder, die dabei regelmäßig als Vorbild genannt werden – zumeist Kanada, Australien, Neuseeland, Singapur –, wählen die Einwanderer nach Qualifikation aus. Niedrig Qualifzierte haben dabei keine Chance. Indirekt unterbinden die klassischen Einwanderungsländer mit ihren Qualifikationskriterien weitgehend eine Masseneinwanderung aus der islamischen Welt.

Ein solcher Ansatz in der Einwanderungspolitik mag den Vorstellungen des SPD-Vorstandes widersprechen, er ist allerdings nur mit äußerster Mühe als parteischädigend einzustufen und keineswegs verfassungsfeindlich.

Im Resümee fordert Sarrazin dann aber doch einen generellen Stop islamischer Einwanderung und fällt ein Pauschalurteil, das sich sonst aus keinem anderen Satz seines Buches ableiten läßt. Wohl auf diese Passage wird sich die SPD stürzen, um den ungeliebten Parteirebellen nun doch auszuschließen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil Foto: dpa / Münchner Verlagsgruppe / JF-Montage
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