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AfD-Boykott: Lästige Freiheiten

AfD-Boykott: Lästige Freiheiten

AfD-Boykott: Lästige Freiheiten

Anti-AfD-Proteste
Anti-AfD-Proteste
Anti-AfD-Proteste in Koblenz: Logik des Sündenbocks Foto: picture alliance / Boris Roessler / dpa
AfD-Boykott
 

Lästige Freiheiten

Deutschland 2017. Ein demokratisch geläutertes Land, das auf sehr deutsche Weise aus seiner Geschichte gelernt hat. Während in vielen Regionen der Staat die öffentliche Ordnung nicht mehr so recht garantieren kann, engagiert sich die Zivilgesellschaft gegen diejenigen, die sich für die innere Sicherheit einsetzen. Das ist die Sündenbock-Logik. Ein Kommentar von Michael Klonovsky.
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Während in vielen Regionen dieses Landes der Staat die öffentliche Ordnung nicht mehr so recht garantieren kann, engagiert sich die Zivilgesellschaft mit wachsender Inbrunst gegen diejenigen, die sich für die Stärkung des Rechtsstaates und die Wiederherstellung der inneren Sicherheit einsetzen. Das ist, von außen betrachtet, verblüffend, folgt aber halbwegs der Sündenbock-Logik, die schließlich auch verblüffend gewesen ist, sich aber trotzdem über viele Menschenalter großer Beliebtheit bei wüstennahen Völkern erfreute.

Heute feiern die Glaubensfesten die Vertreibung der AfD-Mitglieder aus ihrer tugendhaften Mitte und versprechen sich offenbar eine Verbesserung ihrer Lage davon. Interessant sind dabei weniger die öffentlich sichtbaren Proteste gegen Veranstaltungen der momentan einzigen Oppositionspartei in den nicht mehr vorhandenen Grenzen dieser Republik – auch wenn sich solche Kundgebungen zivilgesellschaftlichen Abscheus durch die sie verläßlich begleitenden Gewalttaten der sogenannten Antifa am Rande der Legalität bewegen, denn sie schränken den Artikel 8 des Grundgesetzes (Versammlungsfreiheit) immer mehr ein. Nein, interessant ist vielmehr, was sich hinter den Kulissen abspielt.

Deutsche Gastfreundschaft – nicht für „Rechtspopulisten“

So darf es inzwischen nicht nur als normal gelten, daß eine demokratisch in diverse Landtage gewählte Partei, die nach allen Prognosen aus der Bundestagswahl als die drittstärkste Kraft in Deutschland hervorgehen wird, für ihre Versammlungen kaum mehr einen Raum findet. Es ist überdies die neue deutsche Norm und Sitte, daß Mitgliedern dieser Partei die Übernachtung in Hotels und die Bewirtung in Restaurants verweigert wird.

Beim Treffen der „europäischen Rechtspopulisten“ im Januar stornierten acht Hotels in Koblenz und benachbarten Städten im Dominoprinzip die Buchungen, nachdem aus den Büros der Stadtvögte hinreichend Druck auf die Betreiber ausgeübt worden war. Die Zusammenkunft hatte längst begonnen, als sich französische Teilnehmer noch immer auf der Suche nach deutscher Gastfreundschaft sowie der verlorenen Zeit befanden.

Der Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig (SPD) tat im Vorfeld der Tagung sein Bedauern darüber kund, daß die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Rhein-Mosel-Halle aus rechtlichen Gründen an die ja immerhin gewählte ENF-Fraktion habe vermietet werden müssen. Man hätte es gern verhindert, doch die Rechtspopulisten hätten sich „eingeklagt“. Und in diesem Fall konnte kein Privatunternehmer unter sozialen Ächtungsdruck gesetzt werden, um Koblenz populistenrein zu halten.

Höchstmoralisches Wellness-Wochenende

Die Sache hatte aber auch ihr Gutes: Mehr als 1.000 Protestlern bot die Tagung den Anlaß für ein „parteiübergreifende Gegendemonstration“ geheißenes höchstmoralisches Wellness-Wochenende samt Feldgottesdienst. In Münster hyperventilierten kurz darauf sogar angebliche 8.000 Muster-, Post- oder auch Haßdemokraten dagegen, daß sich die Partei der rechten Rechtsstaatsfundamentalisten im historischen Rathaus versammeln durfte.

Auch hier konnte ein mit Steuermitteln finanzierter Saal der AfD nicht verweigert werden, worüber sich zu empören den Empörten aber jenes meutenhafte Behagen verschaffte, bei dem Teilen der deutschen Volksgemeinschaft seit ca. drei Generationen so kannibalisch wohl als wie fünfhundert Säuen ist.

Toleranzverzückteste drohen Tagungshotel mit Brandstiftung

In Köln machen derweil allerlei Närrinnen und Narren gegen den AfD-Parteitag im April mobil, und die Toleranzverzücktesten darunter drohen, das Tagungshotel abzubrennen. Das solcherart bedrückte Maritim knickte bislang nur halb ein. Man erteilte symbolisch dem teuflischsten AfD-Vertreter, dem thüringischen Landes- und Fraktionschef Björn Höcke, Hausverbot – aufgrund welcher Rechtslage einem gewählten, nicht vorbestraften Abgeordneten ein solches Verbot erteilt werden kann, steht wahrscheinlich entweder in „Mein Kampf“ oder in der Zeit –, kündigte aber sicherheitshalber schon mal an, daß sich die AfD nach diesem Parteitag ein anderes Tagungshotel werde suchen müssen.

Zahlreichen zivilgesellschaftlich Engagierten genügte dieses künftige Hausverbot nicht; sie forderten den sofortigen Vertragsbruch und stornierten couragiert ihre eigenen Buchungen beim Maritim, ihre soziale Ächtung durch die Rechtspopulisten mutig in Kauf nehmend.

Messe Kassel soll beim Boykott mitmachen

Es ist hier nicht der Platz, um sämtliche Beispiele persönlicher Zivilcourage zu würdigen. Aber der Kasseler Oberbürgermeister Bertram Hilgen sei noch in die Ruhmeshalle aufgenommen. Im lokalen Anzeigenblatt tat der SPD-Mann kund und zu wissen, daß er der Messe Kassel in diesem Frühjahr fernbleiben werde. Seine Ehrenkarten habe er zurückgegeben. Er wolle auf diese Weise seiner Kritik daran Ausdruck verleihen, daß auf der Ausstellung auch die AfD mit einem Stand vertreten sei.

Gleichzeitig „riet“ das Stadtoberhaupt den städtischen Betrieben, keine Stände auf der Messe zu belegen. Messe-Geschäftsführer Ralf Umbach bedauerte das Fernbleiben des Oberbürgermeisters. „Da sich bei uns auch alle anderen zulässigen Parteien präsentieren dürfen, könnte sich die AfD diskriminiert fühlen, wenn wir sie ausschließen. Sie könnte sich vermutlich sogar einklagen“, sagte er. Für die nächsten Ausstellungen wolle er dennoch über den Umgang mit dieser Partei nachdenken. Na geht doch!

„Wer in der Demokratie schläft, kann in der Diktatur aufwachen!“

Deutschland 2017. Ein demokratisch geläutertes Land, das auf sehr deutsche Weise aus seiner Geschichte gelernt hat. Wenn eines Tages wirklich alle Hotelbetreiber, Messeveranstalter und Restaurantchefs zivilgesellschaftlich beflügelt mitzuziehen gezwungen sind, könnte die AfD nirgendwo mehr tagen, selbst wenn sie 49 Prozent der Wählerstimmen hätte. Es ist gar hübsch, wie schnell die lästigen bürgerlichen Freiheiten in einer Demokratie beschränkt beziehungsweise beseitigt werden können.

Was aber folgt als nächstes? Eine Bewegung darf doch niemals erlahmen! Wie wäre es, wenn couragierte Mediziner die Behandlung von Rechtspopulisten aus ethischen Gründen ablehnten? Gerade niedergelassene Ärzte sollten in dieser Sache jene Vorreiterrolle übernehmen, die staatliche Krankenhäuser nicht leisten können. Mit Hippokrates gegen Rechts!

Die erwähnte Protestveranstaltung in Koblenz stand übrigens unter dem Motto „Wer in der Demokratie schläft, kann in der Diktatur aufwachen!“ Die Brüder und Schwestern ahnen ja gar nicht, wie recht sie manchmal haben.

JF 9/17

Anti-AfD-Proteste in Koblenz: Logik des Sündenbocks Foto: picture alliance / Boris Roessler / dpa
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