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Meinung: Höckes Bärendienst

Meinung: Höckes Bärendienst

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Hoecke
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Thüringens AfD-Chef Björn Höcke Foto: picture alliance/dpa
Meinung
 

Höckes Bärendienst

Björn Höcke hat mit seiner Rede innerhalb und außerhalb der AfD für Empörung gesorgt. Mußte das sein, diese Steilvorlage? Wer den Rändern zuzwinkert, marginalisiert sich selbst. Die Partei muß, wenn sie eine Wende herbeiführen will, für breite Schichten der Bevölkerung wählbar sein. Ein Kommentar von Michael Paulwitz.
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Björn Höckes Dresdener Rede hat der AfD einen Bärendienst erwiesen. Das augenzwinkernde Kokettieren mit zweideutigen Formulierungen („wir wollen den vollständigen Sieg“), das aufgesetzte Ausschließlichkeits-Pathos, das rhetorisch überhöhte, holzschnittartige Entweder-Oder – das paßt nicht zum selbstgesetzten Anspruch einer „Vision“ der „inneren Erneuerung“ und lädt zur böswilligen Interpretation geradezu ein. Mußte das sein, diese Steilvorlage?

Ärgerlich an diesem mißglückten geschichtspolitischen Exkurs ist vor allem, was nicht gesagt wurde. So unterirdisch das reflexhafte Gepöbel des notorischen SPD-Vize Ralf Stegner („Hetz-Rede“, „Neonazipack“), so „Fake News“-verdächtig in den Leitmedien die schwarmdumme Verzerrung von Höckes Formulierung „Denkmal der Schande“ zu der Behauptung, er habe das Holocaust-Gedenken an sich als „Schande“ bezeichnet: Höckes „Erstaunen“ über die Negativ-Berichterstattung ist unaufrichtig, zumindest gespielt.

Vorher überlegen

Per persönlicher Erklärung teilte er am Tag nach seiner Rede mit, er wolle durchaus den Völkermord an den Juden als „Schande für unser Volk“ verstanden wissen. Warum hat er das dann nicht gleich gesagt? Wer sich in öffentlicher Rede auf ein geschichtspolitisches Minenfeld begibt, sollte vorher genau überlegen, was er sagt, statt – nicht zum ersten Mal – erst auf massive Kritik hin wortreiche Klarstellungen hinterherzuschieben.

Daß auf die dunklen Kapitel der Geschichte fixierte Dauer-Vergangenheitsbewältigung lähmt, daß den nachwachsenden Generationen das positive historische und kulturelle Vermächtnis des eigenen Volkes zu vermitteln ist, daß auch der Opfer von Vertreibung und Bombenterror gedacht werden muß: Alles nicht falsch. Aber das ist nicht alles.

Gedenken an Opfer gehört zu uns

Denn das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus gehört ebenfalls zu uns. Zumal auch unter ihnen viele Deutsche sind: Deutsche Juden, politisch Mißliebige, Oppositionelle, Widerständler, Andersdenkende, die in die Mühlen des Terrors gerieten. Und auch die Verbrechen des Nationalsozialismus an den Völkern Europas gehören zu unserer Geschichte. Das ehrliche und unverklemmte Bekenntnis zu dieser monströsen historischen Schande muß Teil des geschichtspolitischen Selbstbildes unserer Nation sein. Die politische Instrumentalisierung kann man kritisieren, zu den Fakten muß man stehen, zu den Sternstunden wie zu den Schandflecken.

Wir müßten uns „in unserer Selbstvergewisserung der immensen Schuld bewußt“ sein, sagt Höcke in seiner nachgereichten Erklärung. Erst provozieren, dann zurückrudern und Solidarisierung einfordernd alles zum Mißverständnis erklären, das ist mehr als schlechter Stil. Der Satz hätte in seine Rede gehört, aber da hat er nicht so recht reingepaßt. Denn da forderte Höcke eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. Statt Aussöhnung mit der eigenen Vergangenheit also die Wiederauflage des geistigen Bürgerkriegs, den der Totalitarismus über unser Land gebracht hat, nur mit anderen Vorzeichen.

Für Höcke mehrere Nummern zu groß

Das ist der direkte Weg ins selbstgewählte Ghetto. Wer den Rändern zuzwinkert, marginalisiert sich über kurz oder lang selbst. Eine Alternative, die eine politische Wende herbeiführen will, muß für breite Schichten der Bevölkerung wählbar sein. Dafür muß sie, statt Schlachten der Vergangenheit zu schlagen, die Mißstände in den Mittelpunkt stellen, an denen unser Gemeinwesen heute krankt: Die fortgesetzten Rechtsbrüche der Etablierten bei Euro-„Rettung“, Energiewende und Masseneinwanderung, die Demontage des Rechtsstaats, der grassierende Verlust an Ordnung, Freiheit, Sicherheit, Gemeinsinn und bürgerlichen Tugenden.

Das bewegt die Bürger, damit muß die Wende beginnen und nicht mit geschichtspolitischen Parolen, die die wenigsten nachvollziehen können, von denen die meisten abgestoßen werden und die dem Establishment so einen willkommene Vorwand liefern, um vom eigenen Versagen abzulenken.

Gleichwohl wird auch die AfD nicht umhinkönnen, eine geschichtspolitische Positionierung vorzunehmen, die die heutigen Deutschen mit ihrer Identität und Vergangenheit versöhnt, ohne nostalgische Beschönigungen und einseitiges Weglassen oder Überbetonen. Die AfD-Führung sollte Björn Höcke dieses Thema nicht überlassen: Für ihn ist es offenkundig mehrere Nummern zu groß.

Thüringens AfD-Chef Björn Höcke Foto: picture alliance/dpa
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