In mehrfacher Hinsicht wird der am kommenden Sonntag neuzuwählende Bundestag eine historische Zäsur bedeuten. Treffen die Umfragen zu, so werden im Parlament so viele Parteien vertreten sein wie seit 1957 nicht mehr: Es ist mit sechs Fraktionen zu rechnen. Ferner soll es aufgrund außergewöhnlich zahlreich auftretender Überhang- und Ausgleichsmandate zum mutmaßlich größten Bundestag mit weit über 700 Abgeordneten kommen.
Vor allem wird mit der AfD erstmals seit Jahrzehnten eine Partei in den Bundestag einziehen, die wieder den verwaisten Platz der rechten Mitte beansprucht – es endet damit das von CDU und CSU seit dem Untergang der Deutschen Partei und der Linkswendung der FDP in den sechziger Jahren beanspruchte und robust verteidigte Monopol auf Repräsentanz des bürgerlich-konservativen Spektrums in der Politik.
Deutschland rückte besorgniserregend nach links
In den Leitartikeln der großen Zeitungen und Magazine wird schon seit Tagen die politische Erschütterung vorweggenommen, die das Wahlergebnis erwarten läßt: „Warum rückt das Land nicht nach links?“ fragt beispielsweise verzweifelt die Zeit in der vergangenen Woche. Die Bürger rücken bei Wahlen nun einfach deshalb eher nach rechts, weil sich das Schiff Deutschland in den letzten Jahren bereits so besorgniserregend weit nach links geneigt hat.
Ausgelöst durch eine Verträge brechende Euro-Rettung und unkontrollierte Masseneinwanderung will eine wachsende Zahl von Bürgern schlicht im Interesse des Gemeinwesens die Trimmung ändern und dafür sorgen, daß das Schiff wieder ins Lot kommt. Das Entsetzen in den linksliberal dominierten Parteizentralen und Redaktionen ist auch deshalb so groß, weil jetzt zu erkennen ist, wie porös die Stützen ihrer Macht geworden sind.
Konzertierte Aktionen von Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, etablierten Medien und Parteien bekommen den Geist des Unmutes nicht mehr zurück in die Flasche. In Jahrzehnten verfestigte Kartelle, die regeln konnten, was „gesellschaftlich relevant“, „diskutabel“ sei und damit Einfluß auf die öffentliche Meinung und politische Willensbildung erhält, befinden sich in Auflösung.
Alle Augen sind auf die AfD gerichtet
Der AfD gelang es zuletzt, mit ihren Themen, vor allem der Frage der Migration, den Wahlkampf zu beherrschen – sie wird nach dem Verblassen des SPD-Kanidaten als eigentliche Herausforderin der Kanzlerin wahrgenommen. Alle Augen sind auf sie und ihr Abschneiden gerichtet.
Der Aufstieg der AfD ist nun auch deshalb so außergewöhnlich, weil sich Stimmungen und Bindungen bei Wahlen in der Vergangenheit nur äußerst langsam verändert haben. So erreichten die Grünen bei einer Bundestagswahl erst 30 Jahre nach ihrer Gründung ein zweistelliges Ergebnis – der AfD scheint dies bereits im zweiten Anlauf mit dem Bundestagseinzug zu gelingen.
Hinter dem offenbar zu erwartenden Erdrutschsieg der AfD verbirgt sich eine tiefgreifende Erosion des Vertrauens in etablierte politische Kräfte und Institutionen. Es gibt eine weitverbreitete Empörung über die Arroganz, mit der über die Köpfe der eigenen Bürger hinwegregiert wird. Bis jetzt konnte sich zudem die Partei der Bundeskanzlerin immer darauf verlassen, daß eine Linksdrift nicht zu einer Wählerflucht führte – weil eine ernstzunehmende, seriöse Alternative fehlte. Das ist nun auch im Bund Geschichte.
Eine demokratiepolitische Farce endet
Mit dem neuen Bundestag endet eine demokratiepolitische Farce. Zuletzt sah sich das Parlament auf obszöne Weise zum Abnickorgan ohne nennenswerte Opposition degradiert. Eine Große Koalition regierte durch, kaum gestört von Grünen und Linken. Zum unübersehbaren Skandal wurde dies, als der Bundestag es 2015 zuließ, daß die Kanzlerin die unkontrollierte Grenzöffnung ohne Anrufung des Parlamentes exekutierte.
Der Aufschwung der AfD erfolgt auch, weil sich viele Bürger und eine nicht unerhebliche Zahl von Intellektuellen von einem politisch-korrekten Diskurs und volkspädagogischen Warnungen abgestoßen fühlen. Wie sehr eine echte Opposition im Bundestag fehlt, unterstreichen ja noch einmal die nach altem Muster veranstalteten Allparteienbündnisse „gegen Rechts“, die vor einem Einzug der AfD warnen. So verstieg sich Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zu dem Satz: „Verfassungsfeinde stehen vor den Toren des deutschen Parlaments.“
Oder Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), der erklärte, nicht wählen zu gehen sei besser, als AfD zu wählen. Alleine Union, SPD, FDP und Grüne seien „staatstragend“. Die nicht mehr steigerbaren Alarmrufe vor „echten Nazis im Bundestag“ (Sigmar Gabriel) bestätigen die Unfähigkeit zur argumentativen demokratischen Auseinandersetzung, die immer mehr Bürger beklagen.
Historische Aufgabe verantwortungsbewußt annehmen
Und schließlich ist – auch dank Informationen durch alternative Medien und soziale Netzwerke – vielen Bürgern nicht entgangen, wie brutal die AfD im Wahlkampf behindert und diskriminiert wird. Das Fernsehmagazin Frontal 21 bestätigte kürzlich, daß die AfD trauriger Spitzenreiter sei als Ziel tätlicher Angriffe von Linksextremisten.
Die AfD muß immer wieder nicht nur gegen äußere Widrigkeiten ankämpfen, sondern auch gegen hausgemachte Probleme, die in der künftigen Bundestagsfraktion noch stärker zutage treten werden. Es gelang der Partei einerseits, durch Provokationen Schlagzeilen zu machen – aber auch Bürger vor den Kopf zu stoßen. Anspielungen auf eine denkbare Ausbürgerung der deutschen Integrationsministerin Özoğuz oder geschichtspolitisch unüberlegte Äußerungen zum Dritten Reich stellen die vernünftige Positionierung der AfD in Frage.
Der AfD fällt die Pflicht zu, die ihr von Millionen Wählern angetragene historische Aufgabe zur Ergänzung des parteipolitischen Spektrums verantwortungsbewußt anzunehmen und als seriöses Korrektiv zu wirken. Wie sie sich dauerhaft positionieren will, das wird die Bundestagsfraktion noch unter Schmerzen zeigen müssen.
JF 39/17