Familien werden systematisch vom Staat benachteiligt. So lautet die gerade in Wahlkampfzeiten von Familienlobbyisten und Politikern quer durch alle Parteien ständig wiederholte, nie belegte und allen Fakten Hohn sprechende These. Singles müssen im Durchschnitt rund 40 Prozent ihres Lohneinkommens an den Staat abtreten – mehr als in jedem anderen westlichen Land mit Ausnahme Belgiens. Bei Familien ist es hingegen nur etwas mehr als die Hälfte – dem Ehegattensplitting sei Dank.
Elterngeld, Kindergeld, auf Landesebene auch das Landeserziehungsgeld: finanziert wird es von kinderlosen Alleinstehenden, die schauen können, wo sie bleiben. Auf Dankbarkeit dafür, daß man als hart arbeitender Alleinstehender den Nachwuchs anderer Leute quersubventioniert wird man in Deutschland vergeblich hoffen. Singles haben eben keine Lobby.
Singles sollen zu Bürgern zweiter Klasse werden
Daran, daß alleinstehende Bundesbürger von der Politik als die natürlichen Melkkühe der Nation betrachtet werden, haben sich Singles längst gewöhnt. Eine rote Linie wird allerdings mit der Forderung nach einem Familienwahlrecht überschritten, wie sie etwa von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) vertreten wird. Kinderlose würden damit zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Parteien würden nur noch um die Stimmen kinderreicher Familien werben, die Belange von Alleinstehenden, um die sich schon jetzt niemand schert, würden weiter in den Hintergrund treten.
Das Prinzip „Ein Wähler, eine Stimme“ ist ein Kernpfeiler unserer Demokratie und genießt den Schutz des Grundgesetzes. Für diese Forderung sind Frauenrechtlerinnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf die Straße gegangen. Das Familienwahlrecht verändert die Spielregeln unserer Demokratie so elementar, daß es die Axt an den gesellschaftlichen Zusammenhalt legt. So werden verschiedene Lebensmodelle gegeneinander ausgespielt und gesellschaftliche Gruppen gegeneinander aufgehetzt.
Daneben sprechen aber auch eine Reihe praktischer Gründe dagegen, einen bestimmten Lebensentwurf im demokratischen Entscheidungsprozeß besser zu stellen. Mit welchem Recht bekommen etwa Familien mehr Stimmen, nicht aber Akademiker oder Menschen ab einem bestimmten IQ? Warum nicht doppelte Stimme für eingebürgerte Flüchtlinge, damit die Politik vor Wahlen deren Belange noch stärker berücksichtigt?
Votum im Interesse des Kindes?
Oder vielleicht gleich die Wiedereinführung des Zensuswahlrechts? Das Argumentationsmuster wäre dasselbe. Solange die Eltern eine Mehrstimme pro Kind erhalten, kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Votum auch im Interesse des Kindes ist.
Was, wenn die Heranwachsenden eine politisch völlig andere Einstellung haben als ihre Eltern? Und wie verhält es sich etwa mit geschiedenen Paaren, die sich das Sorgerecht teilen? Bekommt dann jedes Elternteil eine halbe Stimme? Oder was passiert, wenn die Eltern gegensätzliche politische Überzeugungen haben?
Daß eingebürgerte Großfamilien mit Migrationshintergrund so mehr Einfluß auf den politischen Prozeß hätten, kommt hinzu. Ein Wahlrecht ab Geburt, das nicht treuhändisch zunächst auf die Eltern übergeht, wie es die Jusos fordern, brächte noch ganz andere demokratietheoretische Probleme mit sich.
Änderung der Spielregeln
Das Befeuern der Diskussion ist der verzweifelte Versuch von Familienlobbyisten durch eine Änderung der Spielregeln ihren Einfluß aufrechtzuerhalten. Auf der Strecke bliebe das Konzept der Volksherrschaft. Wahlen würden eben nicht mehr den Willen des Wahlvolks dokumentieren, sondern überproportional den Willen von Familien. Das sollte auch für einen fünffachen Familienvater Grund genug sein, solcherlei Initiativen eine Absage zu erteilen.