In Deutschland wächst die Zahl der dauerhaft Anwesenden, die des Deutschen nicht mächtig sind. Immer mehr Studenten, Führungskräfte, Notleidende und Glücksritter aus dem Ausland lassen sich nieder, ohne vor ihrer Einreise Deutsch gelernt zu haben. Wie gehen die Verantwortlichen damit um? Die Politik muß darauf auch sprachpolitische Antworten finden. Für einige Politiker sieht die Lösung leider so aus: Mehr Englisch für alle.
Die Zahl ausländischer Studenten ist von 123.000 (1993) auf inzwischen 301.000 (2014) gewachsen. Die meisten – jeweils etwa ein Drittel – stammen aus Osteuropa und Asien. Bund und Länder wollen die Zahl der Studenten aus dem Ausland bis spätestens 2020 auf 350.000 erhöhen. Die Zahl der ausländischen Masterstudenten hat sich seit 2008 mehr als verdreifacht und liegt derzeit bei 67.000. Oft beherrschen sie die Landessprache nicht. Laut der Untersuchung „Wissenschaft weltoffen“ des Bundesbildungsministeriums schätzen 30 Prozent der ausländischen Studenten ihre Deutschkenntnisse als schlecht ein. Bei 300.000 Studenten sind das 90.000 Personen.
Die Stimmung kippt
Im Jahr 2015 will die Bundesregierung außerdem schätzungsweise eine halbe Million Notleidende und Glücksritter ins Land lassen, die Asylanträge stellen. Das sind mehr als doppelt so viele wie 2014. Zwar sind davon knapp die Hälfte Glücksritter aus dem Westbalkan, die kein Anrecht auf Asyl haben und Deutschland baldmöglichst zu verlassen haben, weil sie anderen die Asylplätze wegnehmen.
Es werden jedoch genügend echte Notleidende aus Ländern wie Eritrea, Irak oder Syrien über längere Zeit bleiben. Obwohl sich Tausende ehrenamtlicher Deutschhelfer aufopfern, können sie es kaum schaffen, allen Bedürftigen Deutsch beizubringen. Außerdem kippt aufgrund des breiten Zustroms von Wirtschaftsflüchtlingen die Stimmung, so daß die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Einsatz sinkt.
Viele Syrer können Englisch
Daher scheint nun die Stunde derer gekommen, die Englisch als Amtssprache durchsetzen wollen. So fragte Barbara John (CDU), Berlins ehemalige Ausländerbeauftragte (1981 bis 2003), im Tagesspiegel mit Blick auf die Berliner Behörden: „Warum kann Englisch, das von vielen syrischen Schutzsuchenden gut gesprochen wird, nicht als Übergangssprache dienen, auch bei den Jobcentern, die für die anerkannten Flüchtlinge zuständig sind? Was antwortete kürzlich eine Beraterin einem Ingenieur, der sie auf englisch fragte? ‘Hier ist Deutsch die Amtssprache. Mit Englisch müssen sie nach London gehen.’ Was den Verantwortlichen nicht klar zu sein scheint, ist das Außergewöhnliche dieser Flüchtlingszuwanderung.“
Auch die FDP strebt an, Englisch zur Amtssprache in deutschen Städten zu machen. Sie folgt damit der Anregung des Vizepräsidenten des Europarlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Englisch müsse in Deutschland mittelfristig zur Amtssprache erhoben werden. Dresdens Oberbürger Dirk Hilbert (FDP) bekundet etwa, ein gewisser „positiver Druck“ sei von städtischer Seite durchaus denkbar, um die Stadt zweisprachig zu machen.
FDP für Englisch in Rathäusern
Am 16. Mai dieses Jahres beschloß die FDP auf ihrem Bundesparteitag den Antrag „Für ein weltoffenes Deutschland“. Darin fordert die Partei, Englisch „als ergänzende Verkehrs- und Arbeitssprache in den für Flüchtlinge relevanten Bereichen der öffentlichen Verwaltung“ zu etablieren. Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann entwarf daraufhin einen Musterantrag für deutsche Städte, der Englisch nicht nur für Flüchtlinge vorsieht.
Es heißt darin: „In allen relevanten Verwaltungsbereichen soll Englisch als ergänzende Verkehrssprache zum Standard werden.“ Da Strack-Zimmermann zugleich Vorsitzende der FDP-Ratsfraktion der Stadt Düsseldorf ist, brachte sie den Antrag in den Stadtrat ein – mit Erfolg. Tatsächlich nahm er ihn mit den Stimmen von SPD, FDP und Grünen an.
In Erfurt hat die FDP den gleichen Antrag ebenfalls gestellt. Thomas L. Kemmerich, Vorsitzender des Erfurter FDP-Kreisverbandes, erklärt: „Eine bilinguale Verwaltung ist ein Zeichen für all die Menschen, die in unserem Land und in unseren Kommunen ankommen, daß wir sie willkommen heißen.“ Ein weltoffenes Deutschland beginne vor der eigenen Haustür. „Daher ist es notwendig, Brücken zwischen dem bürokratischen System Asyl und Einwanderung zu schlagen.“ Man beachte: Der Ausländeranteil in Erfurt liegt bei 4,38 Prozent. Davon stammen allerdings die wenigsten aus dem englischsprachigen Raum.
Englisch = weltoffen?
An den Universitäten ist der Austausch der deutschen Sprache durch Englisch bereits in vollem Gange. Die Rektoren der Technischen Universitäten in München und Dresden etwa haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 Englisch als Unterrichtssprache durchzusetzen und gleichzeitig den Anteil der deutschen Studenten zu senken.
Während man in Dresden und Leipzig kein Deutsch können muß, um zu studieren, hat man sich an der Technischen Universität Chemnitz eines besseren besonnen. Nach einer Änderung der Immatrikulationsordnung müssen Studenten künftig bereits zu Studienbeginn Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen, auch wenn ihr Studienfach ausschließlich in englischer Sprache unterrichtet wird.
Das ist immerhin ein kleiner Schritt, der aber nicht von einer bedenklichen Entwicklung ablenken kann: Die Masseneinwanderung stärkt die englische Sprache in Deutschland. Das alles geschieht unter dem Deckmäntelchen der „Weltoffenheit“, und es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis Englisch mit Deutsch als Amtssprache konkurrieren wird.