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JF-Interview: „Kosovo muß zum Geist des Dialogs zurückkehren“

JF-Interview: „Kosovo muß zum Geist des Dialogs zurückkehren“

JF-Interview: „Kosovo muß zum Geist des Dialogs zurückkehren“

Ein proserbisches Graffito mit der Aufschrift „Niemals aufgeben!“: Serbien erkennt Kosovo nicht als Staat an. (Themenbild)
Ein proserbisches Graffito mit der Aufschrift „Niemals aufgeben!“: Serbien erkennt Kosovo nicht als Staat an. (Themenbild)
Ein proserbisches Graffito mit der Aufschrift „Niemals aufgeben!“: Serbien erkennt Kosovo nicht als Staat an. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Darko Vojinovic
JF-Interview
 

„Kosovo muß zum Geist des Dialogs zurückkehren“

Am 9. Februar wählt das Kosovo ein neues Parlament – und die Spannungen zwischen Albanern und Serben diktieren den Ton. Im Gespräch mit der JF erklärt Serbiens Botschafterin Belgrads Sicht auf die schwierigen Beziehungen.
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Sehr geehrte Frau Janković, kurz vor den Parlamentswahlen in Kosovo am 9. Februar wurden zehn Regionalbüros der serbischen Gemeinschaft durchsucht und geschlossen. Wie steht es um die serbische Minderheit in Kosovo?

Snežana Janković: Das serbische Volk in Kosovo und Metochien befindet sich leider in einer äußerst schwierigen Lage. Nach der jüngsten Schließung von über 30 Institutionen sind die Serben ohne grundlegende Bürgerdienste geblieben. 9.500 von ihnen haben ihre Einkommensquelle verloren. Die Serben in der Region sind ständig Angriffen und der Verletzung grundlegender Rechte und Freiheiten ausgesetzt, was zumeist ungestraft und von der internationalen Gemeinschaft unbeachtet bleibt.

Bildet dieser Vorfall eine Ausnahme?

Janković: Leider nicht. Die Repressionen gegen die Serben sind eine Konstante in der Politik des sogenannten Premierministers Albin Kurti. Das Ziel Pristinas ist ein ethnisch reines Kosovo ohne Serben. In den vergangenen vier Jahren wurden fast 600 ethnisch motivierte Angriffe auf Serben verzeichnet. Dies führte dazu, daß ein Fünftel der Serben Kosovo verlassen haben.

Hat die EU auf die Schließung regiert? 

Janković: Ja, sie hat die Schließung verurteilt und betont, daß der Status der serbischen Institutionen nur im Dialog geklärt werden könne, wozu das Vorgehen Pristinas im Widerspruch stehe. Leider haben sich die Erklärungen der EU bisher als wirkungslos erwiesen. Eine entschiedenere Reaktion der internationalen Gemeinschaft ist nötig.

Droht ein Boykott der Wahl durch die serbische Minderheitspartei „Serbische Liste“?

Janković: Pristina versucht mit allen Mitteln, die Serbische Liste aus dem politischen Leben im Kosovo und Metochien zu eliminieren. So werden etwa ihre Vertreter aus den Wahlkomissionen ausgesperrt. Damit soll die serbische Gemeinschaft aus den Entscheidungsprozessen ausgeschlossen werden.

Wie bewerten Sie die Rolle der Nato-geführten KFOR-Mission in Kosovo bei der Sicherung der Stabilität in der Region?

Janković: Serbien pflegt eine sehr gute Zusammenarbeit mit der KFOR. Ihre Präsenz ist für uns von großer Bedeutung – auch, weil sie die Sicherheit der Serben und des serbischen Kulturerbes gewährleistet. Allerdings würden wir uns hier einen aktiveren Einsatz zum Schutz der Serben vor Einschüchterungsversuchen und Bedrohungen wünschen.

„Kosovo verhöhnt die EU als Garanten des Brüsseler Abkommens“

„Seit März 2011 führen Serbien und Kosovo in Brüssel einen von der EU moderierten Dialog. Ziel ist die umfassende Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern“, schreibt das Auswärtige Amt. Welche Fortschritte wurden bisher erzielt? Sowohl auf dem Gebiet der serbischen Minderheit als auch auf Regierungsebene.

Janković: Leider kann der Dialog nicht voranschreiten, wenn die andere Seite sich weigert, aktiv daran teilzunehmen. Während Serbien sämtliche Verpflichtungen seinerseits aus dem Brüsseler Abkommen umgesetzt hat, weigert sich Pristina seit elf Jahren, die Gemeinschaft der Serbischen Gemeinden zu gründen, zu der sie sich mit ihrer Unterschrift verpflichtet hat. Damit verhöhnt sie auch die EU als Garanten des Abkommens.

Nur wenn die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo abschließend geklärt seien, sei perspektivisch der EU-Beitritt beider Staaten möglich, hört man immer wieder aus Brüssel und Berlin. Wie sehen Sie diese Forderung im Doppelpack?

Janković: Zunächst ist es wichtig zu betonen, daß fünf EU-Mitgliedstaaten die einseitig erklärte und rechtswidrige Unabhängigkeit des sogenannten Kosovo nicht anerkennen. Eine Normalisierung der Beziehungen muß im Rahmen des Völkerrechts und des für alle geltenden Grundsatzes der Achtung der territorialen Integrität und Souveränität international anerkannter Staaten angestrebt werden.

Welche kulturellen und sozialen Beziehungen bestehen zwischen den Serben und Kosovo-Albanern?

Janković: Die Beziehungen zwischen Serben und Albanern waren im Laufe der Geschichte komplex, was die Menschen nicht daran hinderte, persönliche Beziehungen aufzubauen. Leider tragen die Maßnahmen Pristinas zum weiteren Mißtrauen bei. Nicht einmal zwei Prozent der Serben, die in den neunziger Jahren aus Kosovo und Metochien geflohen waren, sind dorthin zurückgekehrt. Auch sie sehen sich mit Drohungen und der Zerstörung ihres Eigentums konfrontiert.

Welche Länder erkennen die Unabhängigkeit des Kosovo an und wie beeinflußt das die Beziehungen zu Serbien?

Janković: Beträchliche Anzahl der Staaten, die die einseitig ausgerufene Unabhängigkeit des sogenannten Kosovo anerkannt haben, sind aus Europa und Nordamerika. Anderswo nimmt die Zahl der Länder, die es ihnen gleichtun, jährlich ab. Immer mehr Staaten aus Asien, Afrika und Südamerika sehen ein, daß dies einen gefährlichen Präzedenzfall darstellt, der das Völkerrecht und die globale Sicherheit grundlegend untergräbt.

Welche Szenarien gibt es für eine mögliche Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo in den kommenden Jahren?

Janković: Eine Einschätzung ist schwierig. Die Normalisierung der Beziehungen müßte unter den Bedingungen eines zivilisierten Dialogs und gegenseitigen Vertrauens erfolgen. Nach Auffassung Serbiens sollte die internationale Gemeinschaft endlich starken Einfluß auf Pristina ausüben, damit sie zum Geist des Dialogs zurückkehrt.

„Sanktionen finden ihre Grundlage nur im UN-Rahmen“

„In Serbien gibt eine hybride autoritär-demokratische Regierung vor, daß die EU-Mitgliedschaft ihr strategisches Ziel sei, lehnt es aber ab, sich den westlichen Sanktionen gegen Rußland anzuschließen. Sie wirbt weiterhin um diplomatische Unterstützung Russlands im Kampf gegen die Unabhängigkeit des Kosovo, während sie in der UN-Generalversammlung regelmäßig gegen Moskau stimmt“, schrieb die Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden im vergangenen Jahr. Ihr Kommentar zu dieser Bewertung?

Janković: Ich weise diese Beschreibung der Regierung Serbiens zurück. Sie ist demokratisch und die Mitgliedschaft in der EU bleibt ihr strategisches Ziel. Sanktionen finden ihre Grundlage jedoch ausschließlich im UN-Rahmen, was Serbien respektiert, vor allem mit Blick auf die eigenen Erfahrungen mit den Sanktionen der neunziger Jahre. Die Erwartung einer Unterstützung der serbischen Position zu Kosovo im Sicherheitsrat der UN ist Teil unserer prinzipientreuen Politik und hat eine feste Grundlage im Völkerrecht.

Die Neue Zürcher Zeitung setzte nun noch einen drauf: „Rußland hat schon vor Jahren strategische Infrastruktur in Serbien übernommen und sich Einfluß im Land gesichert. Washington will das nicht länger zulassen“. Ihre Meinung dazu?

Janković: Falls es um die US-Sanktionen gegen die Naftna industrija Srbije (NIS) und die Frage des russischen Eigentumsanteils daran geht: Die Sanktionen verursachen erhebliche Probleme für Serbien, die sich nicht leicht beseitigen lassen. Wir werden uns aber bemühen, sie in aufrichtigem Dialog sowohl mit Washington als auch mit Moskau im besten Interesse Serbiens zu lösen.

In Serbien kommt es gerade aufgrund eines der größten Lithiumvorkommens in Europa zu Demonstrationen. Worum geht es?

Janković: Im vergangenen Jahr gab es Demonstrationen gegen ein angekündigtes Lithium-Bergbauprojekt in Serbien. Die Regierung Serbiens hat das Anliegen sehr ernst genommen. Sie tut alles, um in Zusammenarbeit mit Deutschland und der EU eine sichere, mit dem Schutz der Gesundheit und Umwelt vereinbare Umsetzung des Projekts zu gewährleisten.

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Snežana Janković ist seit Oktober 2019 serbische Botschafterin in Deutschland.

Aus der JF-Ausgabe 06/25.

Ein proserbisches Graffito mit der Aufschrift „Niemals aufgeben!“: Serbien erkennt Kosovo nicht als Staat an. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Darko Vojinovic
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