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Interview der Woche: Michael Ballweg: „Ich fechte das bis zum Ende durch“

Interview der Woche: Michael Ballweg: „Ich fechte das bis zum Ende durch“

Interview der Woche: Michael Ballweg: „Ich fechte das bis zum Ende durch“

Querdenken-Gründer und Corona-Kritiker Michael Ballweg während seines Prozesses in Stuttgart. Foto: picture alliance / Marijan Murat
Querdenken-Gründer und Corona-Kritiker Michael Ballweg während seines Prozesses in Stuttgart. Foto: picture alliance / Marijan Murat
Oppositioneller Ballweg: „Unser Rechtssystem wird politisch gegen die Menschen eingesetzt“, Foto: picture alliance / Marijan Murat
Interview der Woche
 

Michael Ballweg: „Ich fechte das bis zum Ende durch“

Paukenschlag: Michael Ballweg will in Revision gehen. Warum sowie weshalb er das Verfahren gegen ihn für einen politischen Prozeß hält, erklärt der Querdenken-Gründer im JF-Interview.
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Herr Ballweg, wieso haben Sie sich trotz Ihres weitgehenden Freispruchs entschieden, nun doch in Revision zu gehen?

Michael Ballweg: Weil es nicht sein darf, daß Menschen mit anderer Meinung mit Hilfe der Finanzbehörden kriminalisiert werden. Deshalb werde ich die Sache bis zum Ende juristisch durchfechten.

Im Interview mit „Nius“ zeigten Sie sich jüngst noch zufrieden über Ihre Verurteilung wegen 19,53 Euro. Begründung: Diese Absurdität bringe „viel mehr Menschen zum Nachdenken als ein lapidarer Freispruch“.

Ballweg: Ja, aber das sind zwei Ebenen: Einmal die öffentliche Wirkung – in dieser Hinsicht ist die Verurteilung wegen 19,53 Euro ein Riesen-PR-Geschenk. Das andere ist die rechtliche Frage: Es gibt eine Bagatellgrenze von 25 Euro, unter der eigentlich keine solche Verurteilung stattfinden dürfte.

Was hat es denn mit der Hundematte und dem Parfümzerstäuber auf sich, für die die 19,53 Euro Steuern fällig gewesen wären: Wieso waren das aus Ihrer Sicht berufliche Ausgaben?

Ballweg: Weil beide im Büro zum Einsatz gekommen sind. Der Zerstäuber zwecks guten Geruchs für eine angenehme Arbeitsatmosphäre.

Was ist mit dem Risiko einer Revision, am Ende mit einem für Sie schlechteren Urteil dazustehen?

Ballweg: Risiken muß man eingehen, um etwas zu bewegen. Allerdings müssen wir erst einmal das schriftliche Urteil abwarten, was allein noch bis zu drei Monate dauern kann. Erst dann entscheidet sich, ob Revision zugelassen wird, und falls ja, bis wann der BGH entscheidet – das kann dann noch mal acht bis zwölf Monate dauern.

Ich glaube, daß es einfach wichtig ist, Haltung zu zeigen. Es geht um zu viel, nämlich darum, zu verhindern, daß weiter politisch unliebsame Menschen über die Finanzbehörden kriminalisiert werden.

Ballweg: „Es ging darum, Deutschlands größte außerparlamentarische Bewegung zu zerschlagen“

Politik und etablierte Medien lehnen Ihren Vorwurf der Kriminalisierung, also Ihre Deutung des Prozesses als „politisch“, ab. Was sind Ihre Gegenargumente?

Ballweg: Während des Prozesses kamen Dinge ans Licht, die das belegen. So sagte der ehemalige Leiter der Stuttgarter Steuerfahndung aus, er habe die Aufgabe gehabt, mich ab Mitte 2020 zu beobachten. Also genau zu der Zeit, als die großen Querdenker-Demos stattfanden. Und das, obwohl ich eine einwandfreie Steuerhistorie gehabt und es auch keinen Anfangsverdacht gegeben hätte.

Oder daß, nachdem unter Landesinnenminister Thomas Strobl die Kategorie der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ eingeführt wurde, Geldwäsche-Verdachtsmeldungen gemacht wurden, die, wie die Leiterin der „Financial Intelligence Unit“ des Zolls aussagte, prioritär behandelt wurden.

Oder es kam eine Aktennotiz ans Licht, laut der man mich weiter beobachten sollte, obwohl meine Steuererklärung wegen der Corona-Fristen erst in zwei Jahren fällig war und es weiterhin keinen Anfangsverdacht gegen mich gab.

Das Portal „Apollo News“ hat die Akten eingesehen und berichtet, daß der Anstoß zu Ihrer Beobachtung nicht aus der Fachebene der Steuerbehörde gekommen sein soll, sondern von der politischen Führungsebene des baden-württembergischen Finanzministeriums.

Ballweg: So ist es, und ich habe mich natürlich gefreut, daß „Apollo“ darüber berichtet hat. Mein Anwalt hat es auf den Punkt gebracht: „Querdenken“ war damals die größte außerparlamentarische Bewegung Deutschlands. Daher hat der Staat aus meiner Sicht großes Interesse, daß sie verschwindet.

All die Strukturen, die wir aufgebaut haben, sollten zerschlagen werden. Mit Vermögensarrest, Kontenpfändung, dem sogenannten Debanking – also dem Kündigen unserer Konten durch die Banken – sowie der Beobachtung und Verleumdung durch den Verfassungsschutz sollte Querdenken lahmgelegt werden.

Also richtete sich Ihrer Deutung nach das Vorgehen letztlich nicht gegen Sie persönlich – Sie waren als Ziel nur Mittel zum Zweck?

Ballweg: Genau, es ging darum, Deutschlands größte außerparlamentarische Bewegung zu zerschlagen. Zum Teil ist das ja auch gelungen, denn die Stärke, die wir damals hatten, wurde kaputtgemacht. Im Prozeß wurde deutlich, daß Erfolgsfaktoren für Querdenken auch waren, daß ich Räumlichkeiten, IT-Strukturen, Laptops und anderes zur Verfügung stellte, um die Demos zu planen.

Und auch, daß ich vieles vorfinanziert habe. So sagte eine Zeugin aus, sie wollte nach Warschau fahren, um uns mit der Freiheitsbewegung dort zu vernetzen – wofür sie aber kein Geld hatte, weshalb ich das bezahlte. Oder ich gab 10.000 Euro für die Reparatur eines von der Berliner Polizei beschädigten LKW einer Protestgruppe.

Insgesamt wurde am 29. Juni 2022 mein gesamtes Vermögen in Höhe von 1,3 Millionen Euro arrestiert, das nun seit drei Jahren beschlagnahmt ist. Seitdem kann ich mit dem Geld nicht arbeiten – was meine Handlungsmöglichkeiten erheblich einschränkt. Zusätzlich hat der Prozeß enorme Kosten versursacht und mich zeitlich gebunden.

„Unser Rechtssystem wird politisch gegen die Menschen eingesetzt“

Spielt Ihrer Ansicht nach auch eine Rolle, durch Ihre Verhaftung andere vom Organisieren von Opposition abzuschrecken – oder halten Sie das nicht für ein Motiv?

Ballweg: Das ist natürlich eine Frage des Mutes. Wir haben bei den Demos massive Polizeigewalt erlebt. Dabei sind Querdenken-Veranstaltungen friedliche, ja familienfreundliche Formate. Mit der Polizeigewalt aber hat man viele Familien erfolgreich von unseren Protesten ferngehalten.

Viele Teilnehmer erhielten auch Bußgelder, etwa weil sie keine Maske trugen oder wegen anderer Ordnungswidrigkeiten. Auch gab es fast keinen Versammlungsleiter, der nicht kriminalisiert wurde, weil er die Auflagen nicht richtig eingehalten hätte. Da wurden schnell Strafbefehle über 3.500 oder 5.000 Euro verschickt, was für viele eine sehr hohe Summe ist.

Die Frage ist aber doch, ob Einschüchterung nur eine Folge war – oder aber Intention. Denn daß zum Beispiel Strafen für Ordnungswidrigkeiten abschrecken, ist klar, dazu sind sie ja da! Der springende Punkt ist also: Wurden die Maßnahmen nur ergriffen, weil zuvor Gesetze übertreten wurden, oder wurden sie ergriffen, um politisch einzuschüchtern? In Ihrem Fall liegt offenbar kein relevantes Fehlverhalten vor – womit sich die Frage stellt, ob an Ihnen ein für andere abschreckendes Exempel statuiert werden sollte.

Ballweg: Ich denke, die Antwort ist klar, und lassen Sie uns noch mal in den August 2020 zurückgehen: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, SPD, beschimpfte und kriminalisierte damals unsere Demonstranten. Und sein Parteifreund, Innensenator Andreas Geisel, versuchte die Demos zu verbieten. Wir bekamen schließlich die internen Einsatzprotokolle der Polizei zugespielt, und darin stand, daß auch unmittelbarer Zwang angeordnet worden war, und das heißt ja nichts anderes als Gewalt.

Polizeigewalt ist nicht per se politische Drangsalierung, wenn sie eine verhältnismäßige Reaktion auf Rechtsverstöße ist – wenn die Anordnung also nicht lautete, unmittelbaren Zwang auf jeden Fall anzuwenden, sondern nur, um die Auflagen durchzusetzen.

Ballweg: Wir haben gesehen, daß das Rechtssystem auch politisch gegen die Menschen einzusetzen die nächste Stufe ist. Ich bin da also kein Einzelfall. Jüngst mußte etwa Heinrich Habig, ein Arzt aus der Nähe Bochums, eine dreijährige Haft antreten, weil er Maskenatteste ausgestellt hatte. Wir sind gesellschaftlich also noch immer auf dem Stand, daß die, die damals nicht mitgemacht haben, die kritisierten, daß die Maßnahmen überzogen sind, weiter kriminalisiert und so vom System beschäftigt werden.

„Durchsuchung, Verhaftung und abgeführt in Handschellen“

Alles begann mit Ihrer Verhaftung. Wie lief die eigentlich ab?

Ballweg: Morgens um sieben standen circa zwanzig Einsatzkräfte vor der Tür, die sie zum Glück nicht eintraten, sondern klingelten. Ich mußte den Hund in den Garten bringen und durfte mich nicht mehr frei, sondern nur noch in Begleitung im Haus bewegen. Dann ging es los: Durchsuchung und Sicherung digitaler Daten – wobei ich kooperativ war.

Der Haftbefehl allerdings war da noch nicht ausgestellt, der kam erst im Laufe des Tages, wobei dem Haftrichter noch kaum Akten vorlagen. Keine Ahnung also, anhand welcher Tatsachen er eine Verhaftung für nötig erachtete. Im Prozeß sagte er – der als Student beim ASta war – aus, daß ihn das auch gar nicht interessiert habe, sondern er davon ausging, daß die Staatsanwaltschaft schon richtigliege.

War Ihre folgende Verhaftung „freundlich“, oder wurden Sie, wie der Youtuber Aron Pielka alias „Shlomo Finkelstein“ hier unlängst von seinem Fall berichtete, hinterrücks überfallen, zu Boden geworfen, angebrüllt und bedroht?

Ballweg: Nein, aber ob ich es „freundlich“ nennen würde, wenn einem eröffnet wird, daß man jetzt mitgenommen wird und drei Minuten habe, zu klären, wo der Hund bleibt, der sonst ins Tierheim kommt? Und dann sitzt man in Handschellen im Auto.

In Handschellen? Warum?

Ballweg: Keine Ahnung.

Handschellen werden nur angelegt, wenn die Gefahr von Flucht, Fremd- oder Selbstgefährdung besteht.

Ballweg: Ich weiß nicht, wie Verhaftungen sonst ablaufen. Aber ich habe mir auch gedacht, daß das alles großer Blödsinn ist.

Heißt, Sie sollten gedemütigt werden? Oder dienten die Handschellen Ihrer öffentlichen Vorführung?

Ballweg: Weiß ich nicht. Aber es ging ja von Anfang an nur um den Vorwurf eines Wirtschaftsdelikts. Ob man da wirklich in Handschellen abführen muß? Der SWR war jedenfalls zu spät da, die hätten das wahrscheinlich gerne gefilmt.

„Ganz eindeutig wollte der Haftrichter mich damit demütigen“

Später, so berichten Sie, seien Sie demonstrativ an einen Tisch gefesselt worden.

Ballweg: Das war während der Haftprüfung im November 2022. Der verantwortliche Haftrichter hat allerdings vor Gericht „gescholzt“ und wollte sich nicht mehr daran erinnern. Doch ganz eindeutig wollte er mich damals damit demütigen: Fünf Stunden lang mußte ich während der Anhörung als Rechtshänder umständlich mit der Linken in den Akten blättern, weil die Rechte festgekettet war.

Zu Beginn der Haftprüfung im August 2022 glaubte ich noch, in wenigen Tagen wieder frei zu sein. Dann aber zeigte sich, wie lückenhaft die Ermittlungsakte war, daß kein einziger Zeuge befragt und nur pauschale Behauptungen aufgestellt worden waren – eigentlich war nichts ermittelt! Da schwante mir, das würde länger dauern.

Ihre Haft beschreiben Sie allerdings fast positiv. Wieso?

Ballweg: Das schildere ich ja in meinem Buch „Richtigstellung! Es war noch nie falsch, quer zu denken“. Da noch Corona-Zeit war, saß ich anfangs zwar in Isolationshaft, weil die JVA wie ein Krankenhaus eingestuft wurde.

Zum Glück stieß ich jedoch nicht auf unangenehme Leute, weder beim Personal noch unter den Inhaftierten. Wobei man sagen muß, daß in U-Haft zunächst mal noch alle unschuldig sind. Es gibt einen interessanten ZDF-Bericht, wonach die Dunkelziffer der Unschuldigen dort bis zu 75 Prozent beträgt.

So habe ich viele sehr freundliche Leute kennengelernt, übrigens viele davon Ausländer, die besser Deutsch sprachen als mancher Deutsche. Und einer der Wärter nahm in seiner Freizeit sogar an einer Unterstützungsdemo für mich teil.

Schön und gut, aber die Haft hat Ihnen doch ungerechtfertigterweise neun Monate Ihres Lebens geraubt.

Ballweg: Ja, aber ich habe es verstanden, die 23 Stunden des Tages – eine Stunde ist Hofgang – außer für Schlaf etc. meditativ für mich zu nutzen.

Viele würden vor Wut die Wände hochgehen oder Lagerkoller kriegen.

Ballweg: Man muß schon mit seinem Geist umzugehen und die Stimme im Kopf stillzukriegen wissen. Das zu lernen täte manchem gut.

„Wir geben nicht auf – mit Querdenken geht es weiter!“

Wie haben Sie das hinbekommen, angesichts dessen, daß Sie unschuldig inhaftiert, öffentlich verleumdet und sowohl Ihr politisches Projekt wie auch Ihre bürgerliche Existenz zerstört wurde?

Ballweg: Ich bin kein Mensch, der sich Wut und Rachegefühlen überläßt. Ich richte meine Energie auf Positives und darauf, mich weiter für eine Corona-Aufarbeitung einzusetzen. Denn mit Querdenken geht es weiter, wir geben nicht auf!

Ihr Anwalt mahnt, man müsse differenzieren: Prozessual lebten wir in einem funktionierenden Rechtsstaat, sonst wären Sie nicht freigesprochen worden – doch hinsichtlich der politischen Kultur sei es keiner mehr. Wie sehen Sie das?

Ballweg: Schon ab 2020 hat der Umgang mit den Kritikern gezeigt, daß wir offensichtlich in einer Demokratiesimulation leben. Bis zu meiner Verhaftung hatte ich gehofft, daß es vielleicht wenigstens unsere Gerichte noch richten würden. Doch mußte ich feststellen, daß wir auch in einer Rechtsstaatssimulation leben.

Inwiefern? Vor Gericht haben Sie doch gewonnen.

Ballweg: Unser System besteht darin, unsere Rechte an den Staat teilweise abzugeben und im Gegenzug unveräußerliche Grundrechte als Abwehrrechte zu haben, um sicherzustellen, daß der Staat nicht übergriffig wird. Doch diese Grundrechte wurden ab 2020 massenhaft einkassiert, und die Gerichte haben das unterm Strich legitimiert, statt es zu stoppen.

Und nicht nur beim Thema Corona steht es um das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht gut, auch etwa beim Ukraine-Krieg, Israel-Konflikt, beim Klima oder Gendern etc. sollte es nach Ansicht von Politik und Medien nur eine Einheitsmeinung geben.

Das meine ich mit Demokratiesimulation, denn in einer echten Demokratie würde der Meinungspluralismus gefördert, Bürgern mit abweichenden Ansichten mit Interesse und Respekt begegnet, Diskurs und Kontroverse begrüßt und gefördert – sowie verstanden werden, daß eine demokratische Bürgergesellschaft auf diese Weise die besten Lösungen für ihre Probleme ausarbeitet.
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Michael Ballweg. Der Stuttgarter IT-Unternehmer, geboren 1974 im fränkischen Wertheim, gründete im April 2020 die Bewegung „Querdenken 711“. Von Juni 2022 saß er unter dem Vorwurf versuchten Betrugs, der Geldwäsche und Steuerhinterziehung bis April 2023 in Untersuchungshaft. Ende 2023 erschien sein Buch „Richtigstellung! Es war noch nie falsch, quer zu denken“. Am 2. Oktober 2024 begann die Hauptverhandlung gegen ihn, die am 31. Juli 2025 mit einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in zwei vollendeten Fällen (zusammen 19,53 Euro) und einer Verwarnung in drei versuchten Fällen (zusammen etwa 2100 Euro) endete.

Aus der JF-Ausgabe 35/25

Sehen Sie auf JF-TV auch das Youtube-Interview „Wir leben in einer Demokratiesimulation“ mit Michael Ballweg, in dem er über seine Haftzeit berichtet.

Oppositioneller Ballweg: „Unser Rechtssystem wird politisch gegen die Menschen eingesetzt“, Foto: picture alliance / Marijan Murat
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