An diesem Wochenende kommt die AfD in Hannover zu ihrem ersten Parteitag nach der Bundestagswahl zusammen. Auf der Tagesordnung steht die Wahl einer neuen Parteispitze. Neben AfD-Sprecher Jörg Meuthen hat auch der Berliner AfD-Chef Georg Pazderski seinen Hut in den Ring geworfen. Im JF-Interview erklärt der ehemalige Bundeswehr-Offizier, warum seine Partei nicht bereit sei für die Einerspitze und warum es in der Vergangenheit an Führung gemangelt habe.
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, für den Parteivorsitz zu kandidieren?
Pazderski: Ich bin in den letzten Wochen von vielen Parteifreunden angesprochen worden, aus den Landesverbänden, aus den Fraktionen, aus der Mitgliedschaft, die mich ermuntert haben, weil sie mich für geeignet halten.
Warum kandidiert Gauland gegen Sie?
Pazderski: Ich weiß es nicht, weil Gauland sich bisher nicht klar festgelegt hat. Von daher harre ich der Dinge, die da kommen mögen.
War das nicht abgestimmt?
Pazderski: Gesprochen hat er mit mir vorher nicht – das hätte ich mir gewünscht. Jetzt ist es so gekommen.
„Die Partei ist nicht bereit für die Einerspitze“
Wäre es nicht generell besser, die Partei würde auch auf Bundesebene von einem einzelnen Sprecher geführt? Bisher führten diese Doppelspitzen immer zum Kampf der Sprecher gegeneinander. In Berlin haben Sie ja gerade eben erst die Doppelspitze abgeschafft.
Pazderski: Die Partei hat einen Anspruch darauf, daß die Strömungen im Bundesvorstand vertreten sind. Das wünschen sich auch die Delegierten und ich glaube nicht, daß die Partei so weit ist, daß sie eine Einzelspitze akzeptieren würde. Auf der Landesebene ist das etwas anders. Es kann aber durchaus sein, daß sich die Partei – wenn sich der richtige Mann oder die richtige Frau findet – beim nächsten oder übernächsten Bundesparteitag für eine Einerspitze entscheidet.
Wurde die AfD in den letzten Jahren gut geführt?
Pazderski: Die AfD hatte in der Vergangenheit große Probleme mit ihren Führungsmannschaften. Schon beim Dreierteam spielten persönliche Befindlichkeiten eine problematische Rolle, das hat sich beim zweiten Bundesvorstand bekanntlich wiederholt und hat die Arbeit massiv gestört. Wenn man sich in den Bundesvorstand wählen läßt, dann muß man professionell sein und auch mit Personen zusammen arbeiten, die man vielleicht nicht mag und hat aber dafür gemeinsam die Hauptziele der Partei im Auge.
„In der Vergangenheit hat es an Führung gemangelt“
Was bedeutet für Sie gute Führung? Wo soll die AfD einen klareren Kurs zeigen?
Pazderski: Gute Führung bedeutet, daß man einen klaren Kopf hat, daß man gut organisieren kann, gut planen kann und alle mit einbindet – im Bundesvorstand und den Landesverbänden. Daran hat es in der Vergangenheit gemangelt.
Wir müssen die Partei stärker in der Gesellschaft verankern, wir müssen mehr Mitglieder gewinnen, die Partei muß eine echte Volkspartei werden, die im konservativ-bürgerlichen Lager verankert ist.
Alexander Gauland spricht immer vom „gärigen Haufen“, andere sagen, die Partei liebe es nicht, daß es zu einer klaren Führungsstruktur kommt, der vielstimmige Chor wird geschätzt – wie soll das zusammengehen?
Pazderski: Ich bestreite, daß die AfD keine klare Führung will. Ich höre sehr oft, daß dem Bundesvorstand vorgeworfen wird, nicht klar zu führen. Völlig richtig! Ein Vorstand muß gut zusammenarbeiten und einen klaren Kompaß haben – darum geht es. Die Mitglieder wollen frühzeitig mitgenommen werden und hier gibt es Verbesserungsbedarf.
„Wir müssen seriöse Politik machen“
Beim Bundestagswahlkampf konnten Sie sich im Vorstand nicht einmal auf eine einheitliche Wahlkampfstrategie einigen. In den Ländern wurden zwei unterschiedliche Werbekonzepte umgesetzt.
Pazderski: Das Wahlkampfteam hat den Fehler gemacht, nicht frühzeitig genug die Landesverbände mit einzubeziehen. Ein Teil der Partei zeigte hier nachvollziehbar Unverständnis darüber, daß ihnen eine Kampagne übergestülpt wurde, ohne daß man darüber reden konnte. Das darf in Zukunft nicht mehr passieren. Das muß früher angegangen werden. Dann werden wir noch erfolgreicher sein.
Sie sagen, die AfD müsse sich deutlicher professionalisieren. Wo ist die AfD denn besonders unprofessionell?
Pazderski: Wir sind jetzt überall in Deutschland in Kommunalparlamenten, Kreistagen, Landtagen, im Bundestag. Wir müssen in allen Bereichen Kompetenz aufbauen. Wir müssen die parlamentarische Arbeit verinnerlichen und wir müssen seriöse Politik machen. Wir müssen unser Programm, das wir uns gegeben haben, durchsetzen. Wir wirken schon aus der Opposition, langfristig müssen aber die Rahmenbedingungen gesetzt werden für eine Regierungsbeteiligung.
Die Partei muß sich auch organisatorisch professionalisieren. Sie ist die mitgliederschwächste Partei, die im Bundestag vertreten ist. Die FDP hat 62.000 Mitglieder, wir nur 27.000.
„Die AfD muß selbstverständlicher Teil des gesellschaftlichen Lebens werden“
Woran liegt das?
Pazderski: Es ist nach wie vor schwierig für viele Menschen, sich zur AfD zu bekennen. Die AfD hat mit einem Stigma zu kämpfen, mit dem uns Medien und der politische Gegner belegt haben. Die AfD befindet sich teilweise in einem Ghetto. Da muss sie raus und sich gesellschaftlich verankern. Wir müssen rein in andere Organisationen, rein in die Verbände, die Vereine, die Betriebe und die Universitäten. Die AfD muß ein selbstverständlicher Teil des gesellschaftlichen Lebens werden. Das ist eine große Aufgabe, die vor uns steht. Die AfD muß dringend an ihrer Außendarstellung arbeiten. Da müssen wir besser werden.
Sie wollen eine stromlinienförmige AfD, werden Kritiker sagen.
Pazderski: Unsinn. Die AfD wird immer Ecken und Kanten haben und das muß sie auch. Wir haben ganz klare Vorgaben in unserem Programm. Wir haben eine ganz klare DNA, die speist sich aus unserer Haltung zum Euro, zur EU, zur Asyl- und Integrationskrise, zur inneren Sicherheit, zur Familiepolitik und zur Bildungspolitik.
Die FPÖ bezeichnen Sie als ein Vorbild.
Pazderski: Ich habe mir sehr genau angeschaut, was die FPÖ in Österreich gemacht hat. Sie war einmal sehr tief abgestürzt, hat sich neu orientiert und ist jetzt zu einem maßgeblichen politischen Spieler in Österreich geworden, der sogar in die Regierung rückt. Dahin müssen wir auch kommen.
„Vorstand und Bundestagsfraktion müssen Synergieeffekte suchen“
Wie stark soll sich der Bundesvorstand von der Bundestagsfraktion emanzipieren? Wer ist zwischen Fraktionsvorstand im Bundestag und Parteivorstand Koch und Kellner?
Pazderski: Ich hoffe, wir müssen uns nicht emanzipieren, sondern wir arbeiten eng zusammen und suchen Synergieeffekte. Ich begrüße es, daß Bundestagsabgeordnete Mitglieder des Bundesvorstandes sind, wie auch Landesvorstände. Es muß eine gegenseitige Befruchtung geben.
Werden Sie direkt gegen Meuthen kandidieren oder erst für den zweiten Sprecherposten?
Pazderski: Im Moment ist die Gefechtslage unklar. Ich werde das vor Ort entscheiden.
„Mit dem ’Flügel‘ müssen wir reden“
Sind Sie in der Lage, den Konflikt mit dem sogenannten „Flügel“ zu befrieden? Wie wollen Sie den „Fall Höcke“, der derzeit bei den Schiedsgerichten liegt, lösen?
Pazderski: Der neue Vorstand muß daran arbeiten, daß die Partei enger zusammenwächst – enger, als dies bisher der Fall war. Der Berliner Landesverband ist ein Paradebeispiel für das Zusammenwachsen von Ost und West. Hier gibt es keine Ost-West-Quoten, sondern nur Berliner. Wir haben eine erfolgreiche Fraktion, die sich ganz auf die politische Arbeit konzentriert und nicht auf irgendwelche Querelen.
Was wird mit dem Flügel und Höcke?
Pazderski: Man muß mit dem „Flügel“ reden. Es gibt unerschiedliche Auffassungen, die geklärt werden müssen. Was gehört zur AfD und was nicht. Die AfD kann ein breites Spektrum von national-patriotisch bis liberal-konservativ abdecken. Das müsen wir schaffen und da gehört auch der „Flügel“ dazu. Was Höcke betrifft: Hier wird das Landesschiedsgericht Anfang kommenden Jahres ein Urteil fällen. Wenn das vorliegt, wird sich der Bundesvorstand sich das genau anschauen und eine Bewertung vornehmen. Dem möchte ich nicht vorgreifen.
(ds)