Die Äußerungen des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke zum Reproduktionsverhalten von Afrikanern auf einer Veranstaltung des „Instituts für Staatspolitik“ haben für ein großes Medienecho gesorgt. Der Publizist Nicolaus Fest war dabei. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT schildert er seine Eindrücke und kritisiert Höcke scharf.
Herr Dr. Fest, das ARD-Magazin Panorama berichtete vorab am Freitag über eine Rede des AfD-Politikers Björn Höcke, deren Inhalt für Empörung sorgt. Sie waren selbst als Zuhörer dort. Höcke spricht Sie in seiner Rede explizit an. Wie kam es dazu?
Fest: Das war allerdings etwas überraschend oder richtiger: überfahrend. Er nahm Bezug auf ein Interview, in dem ich sagte, daß ich meinen Kindern nicht raten würde, ihre Zukunft in Deutschland zu suchen. Dem hat er widersprochen.
Konservatismus ist Ideologieresistenz
Höcke sprach auf einer Tagung des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS) in Schnellroda. Warum waren Sie dort?
Fest: Aufmerksam wurde ich durch die Zeitschrift Sezession. Dort finden sich manchmal Fragen und Lesehinweise, die mich interessieren, zuweilen allerdings auch seltsam abseitige Dinge, zum Beispiel der Kult um die sogenannte „konservative Revolution“. Den Begriff halte ich für desavouiert, die zugrundeliegende Vorstellungswelt für fremd und vergangen. Ob und wie diese Fragen dort eine Rolle spielen, darüber wollte ich mir ein Bild machen. Allerdings hatte ich von einer „Kongreß“ genannten Veranstaltung eine Diskussion auf Seminarniveau erwartet. Tatsächlich wurden vor allem tagespolitische Fragen erörtert.
Empörung lösten in Höckes Rede vor allem seine Äußerungen zu „philogenetisch abweichenden“ „Reproduktionsstrategien“ von Afrikanern und Europäern, zwischen „r-Strategie“ und „K-Strategie“, zwischen „Ausbreitungs-“ und „Platzhalter-Typen“ aus. Was haben Sie gedacht, als Sie das hörten?
Fest: Stuß. Konservatismus besteht heute weitgehend aus drei Elementen: Stil, Skepsis und vor allem der Abneigung gegenüber Ideologien. Konservatismus ist wesentlich Ideologieresistenz. Sobald man daher auf rassische, biologistische oder sonstige wissenschaftlich nicht anerkannte Erklärungsmuster zugreift, hat man sich vom Konservatismus verabschiedet. Zudem finde ich Deutungen, die auf Hautfarbe oder irgendwelche Typenlehren zurückgreifen, intellektuell verstörend.
Jeder sollte kommen dürfen, sofern dieses Land ihn braucht und er sich zur freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung bekennt. Das ist die Scheidelinie. Meine Vorbehalte gelten nur Leuten, für die dies nicht zutrifft, weil sie beispielsweise nicht vermittelbar sind oder zentrale Rechte der Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung nicht akzeptieren wollen.
Hang zu schweren Verstiegenheiten
Weshalb haben Sie sich danach noch die Rede weiter angehört und sind nicht aufgestanden und gegangen?
Fest: Weil ich mir ein Bild nicht nur von Herrn Höcke machen wollte.
Welchen Eindruck haben Sie von Höcke?
Fest: Ich kenne Herrn Höcke nur von seinem Auftritt bei Jauch und beim IfS. Danach würde ich sagen: Nicht ohne einen Hang zu schweren Verstiegenheiten.
Welche Zukunft hat die AfD, wenn Höcke mit solchen Inhalten den Diskurs der Partei bestimmen kann?
Fest: Keine.
Ich lehne Fundamentalopposition ab
Wußten Sie, daß Sie beim IfS gefilmt werden und Ihre Teilnahme dokumentiert wird?
Fest: Nein.
Sie sind nach Schnellroda gefahren, um sich einen eigenen Eindruck vom Projekt IfS und der Zeitschrift Sezession zu machen. Wie ist Ihre Einschätzung? Was halten Sie von der dort artikulierten Forderung nach „Fundamentalopposition“?
Fest: Wie gesagt: Ich hatte ein anderes Niveau erwartet. Das dortige ist, abgesehen von einigen juristischen Gesprächen, nicht meines. Und zur Fundamentalopposition: Ich liebe diesen Rechtstaat, und ich kämpfe gerade für seinen Erhalt. Daher lehne ich Fundamentalopposition grundsätzlich ab, und zwar unabhängig davon, ob sie von Muslimen, Linksradikalen oder Rechtsaußen kommt. Ich will diesen Staat, nicht einen theokratischen, ständischen, sozialistischen oder räterepublikanischen.
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Dr. Nicolaus Fest, der Journalist ist der Sohn des verstorbenen FAZ-Herausgebers Joachim Fest und Bruder des Verlegers Alexander Fest. Er studierte Jura, arbeitete für Gruner + Jahr, zuletzt als Referent des Vorstandschefs Gerd Schulte-Hillen. 2001 wechselte er zu Axel Springer, wo er ab 2013 Vize-Chefredakteur der Bild am Sonntag war. Nach seinem Kommentar „Islam als Integrationshindernis“ im Juli 2014 distanzierte sich die Chefredaktion von ihm. Ende des Jahres verließ Fest „auf eigenen Wunsch“ das Haus Springer. Seitdem betreibt er einen eigenen Blog. Geboren wurde Fest 1962 in Hamburg.