Als 1985 der 25jährige, der jetzt mit seinen Thesen zu Stalins Kriegsvorbereitungen für Aufmerksamkeit sorgt, nach Deutschland kommt, spricht er kein Deutsch, hat kein Abi-tur und schuftete noch bis vor kurzem in Südpolen unter Tage, wo er fünf Jahre zuvor mit der Solidarność so etwas wie sein Initialerlebnis zum Leben in Wahrheit erfuhr. So kurz dieses Abenteuer auch war, der Reiz eines befreiten Wortes läßt ihn nicht mehr los. Was der 1960 in Galizien geborene Bogdan Musial mitbringt – einen kernigen Antikommunismus mit nationalem Anklang und den antitotalitären Glauben seiner Kirche -, ist in der Bundesrepublik jener Zeit „megaout“. Als er jedoch 1995 seinen Abschluß in Geschichte macht, ist die Zeit für ihn günstig. Das Ende des Ostblocks erlaubt den Zugang zu bislang unerreichbaren Materialien, und ihm kommt zugute, was in der alten Bundesrepublik eher Grund für mitleidvolles Lächeln war: Polnisch- und Russisch-Kenntnisse. Seine vorzügliche Beherrschung des Materials, die antitotalitäre Prägung und ein spürbares Mißtrauen gegenüber allen offiziellen sowjetischen Verlautbarungen (denen die westdeutsche Linke so gerne aufsitzt) sind die Voraussetzungen, die dem unbekannten Mitarbeiter des Deutschen Historischen Instituts in Warschau erlauben, schlagartig bekannt zu werden, als er 1998/99 der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ eklatante Schnitzer, Fehlinterpretationen, Unkenntnis osteuropäischen Kriegsalltags und weitgehende Ideologisierung des präsentierten Materials nachweist. Seitdem ist Musial so etwas wie ein Tabubrecher. Tatsächlich war bereits seine Dissertation ein Tabubruch par excellence: Bis dato schrieb man die Judenvernichtung in Polen eher Gestapo und SS zu, Musial wies indes auf das enorme Maß der Beteiligung der deutsche Zivilverwaltung hin. Aber auch seine Bücher „Konterrevolutionäre Elemente sind zu erschießen!“ (2000) und „Sowjetische Partisanen in Weißrußland“ (2004) standen dem nicht nach. Mit diesen zeigt Musial den erheblichen sowjetischen Beitrag zur Brutalisierung des Krieges, vor allem aber läßt er erkennen, daß Ernst Noltes „kausaler Nexus“ keine Phrasendrescherei war. Mußte allerdings bei Nolte noch die Metapher vom Weltbürgerkrieg herhalten, bekommt man bei Musial das Material ohne Geschichtsmetaphysik, dafür aber blendend aufgearbeitet geliefert. Jüngst gab es der Tabubrüche zwei: In seinem neuen Buch „Kampfplatz Deutschland“ (Propyläen) stellt Musial das atemberaubende Ausmaß der Stalinschen Kriegsplanungen gegen Europa – vor allem gegen Deutschland – dar, die ab 1930, schließlich ins Gigantische wachsend, lief (Rezension folgt im April). Und in einem Aufsatz für die polnische Rzeczpospolita schildert er die zweierlei Vertreibung der Deutschen: die polnische und die tschechische. Der Aufschrei von Prag bis Berlin ist ihm gewiß.