Jürgen Klinsmann hat es wieder einmal allen gezeigt. Selbst die härtesten Kritiker hofften nach der erfolgreichen WM auf eine Fortsetzung seines Engagements als Bundestrainer. Dies wäre zweifellos im Sinne des deutschen Fußballs gewesen. Für Klinsmann stand allerdings schon in seiner Laufbahn als Spieler stets das Eigen- vor dem Gemeinwohl. Zahlreiche Vereinswechsel, mit unter vor Vertragsablauf, belegen das. Ein Weitermachen hätte die Zuversicht in der deutschen Nationalmannschaft bestärkt, es wäre ein Zeichen gewesen, daß Klinsmann fest davon überzeugt ist, mit seinen Schützlingen 2008 beziehungsweise 2010 einen Titel zu holen. Dies wäre ein wichtiges Signal gewesen. So aber dämpft der Rücktritt die Stimmung. Was bedeutet nun die Entscheidung für Joachim „Jogi“ Löw als Nachfolger? Zunächst einmal steht sie für Kontinuität: der offensichtlich richtige Weg wird weitergegangen. In taktischer Hinsicht ist Löw Jürgen Klinsmann gar überlegen, er war schon in den vergangenen zwei Jahren der eigentliche Stratege und weit mehr als nur ein Assistent. Auch ist es keine Neuerung, den zweiten Mann zum Chef zu befördern: Sepp Herberger, Helmut Schön, Jupp Derwall und Berti Vogts sind prominente Vorbilder. Personelle Kontinuität war immer eine große Stärke des DFB, zumindest was die Beschäftigung der Trainer betrifft. Von 1926 bis 1978 waren es mit Otto Nerz, Herberger und Schön gar nur deren drei, Löw ist nun der zehnte Bundestrainer. Daß er mit einem Zwei-Jahres-Vertrag ausgestattet wurde, ist auch ein Zeichen für seine Standfestigkeit. Der vor 46 Jahren in Schönau im Schwarzwald geborene Einzelhandelskaufmann sammelte reichlich Auslandserfahrung, war unter anderem in der Türkei, der Schweiz und Österreich als Trainer tätig. Seine Erfolge als Spieler hielten sich dagegen im Unterschied zu Klinsmann in engen Grenzen. 52 Bundesliga-Einsätzen und vier Auftritten in der U21-Nationalmannschaft stehen 252 Spiele in der zweiten Liga gegenüber. „Das war für mich die bitterste Erkenntnis, daß ich mich nie oben durchgesetzt habe, obwohl ich alles dafür tat“, räumt der ehemalige Stürmer ein. Sympathisch macht Löw seine Bodenständigkeit. Während Klinsmann im Umgang mit der Mannschaft immer wieder ins Englische verfiel – „Good ball, Oli!“, „one minute“ oder „challenge“ statt Weltmeisterschaft – bevorzugt sein Nachfolger den weichen Singsang seines südbadischen Dialekts. Er lebt mit Ehefrau Daniela und seinen zwei Kindern in Freiburg im Breisgau. Eine Wohnort-Debatte wie im Falle Klinsmann wird es also nicht geben. Da er regelmäßig in den Bundesliga-Stadien zu Gast sein wird und außerdem über eine im persönlichen Umgang sehr gewinnende Art verfügt, sind mit seinen Kollegen aus der Bundesliga keine Konflikte zu erwarten. Seine Arbeit läßt er – wie sein Vorgänger – an einem hohen Anspruch messen: der EM 2008.