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„Die CDU hat ihre Seele verkauft“

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Herr Dr. Kusch, Sie haben Ihre Partei „Heimat Hamburg – der rechte Weg für unsere Stadt“ genannt. Was ist denn der „rechte Weg“? Kusch: Das ist der „richtige“ Weg, der Hamburg für seine Bewohner noch lebens- und liebenswerter macht. Unser Weg ist aber auch „rechts“, als deutliche Alternative zu den etablierten Parteien, deren Konzepte alle auf ehemals sozialistische Staatsgläubigkeit zurückgehen. SPD, Grüne und mittlerweile auch die CDU setzen auf den Staat, der die Gesellschaft in vermeintlich gerechte Bahnen lenkt. Taucht irgendein Problem auf, übertreffen sich die etablierten Parteien, noch mehr staatliche Intervention zur Problemlösung zu fordern, noch mehr Steuern, noch mehr Bevormundung. Wir vertrauen auf den Einzelnen, auf seine individuellen Fähigkeiten, auf seine Kraft und den Willen, sein Leben und sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. In der heutigen Zeit heißt „links“ mehr Staat und „rechts“ weniger Staat. „Rechts“ heißt aber noch mehr. Dort, wo es ohne den Staat nicht geht, wie beispielsweise bei der Inneren Sicherheit, wollen wir den starken Staat, der Autorität zeigt, der die Schwachen schützt und unnachsichtig das Unrecht bekämpft. Linke Sozialromantik, Verzicht auf Strafe, Verständnis für die Täter und deren schweres Schicksal – zu dieser Politik der etablierten Parteien bieten wir die rechte Alternative. In der politischen Alltagssprache ist „rechts“ ein Reizwort. Kusch: Vielfalt ist ein Grundpfeiler der Demokratie, weil die Meinungen in der Bevölkerung vielfältig sind. Hamburg ist nach wie vor eine sozialdemokratische Stadt, wie Bayern ein christlich-soziales Land ist. In Bayern gibt es eine Minderheit links der Mitte, in Hamburg eine Minderheit rechts davon. Die Hamburger CDU, die früher schon links von anderen CDU-Landesverbänden stand, hat in den letzten Jahren die Positionen, die ich zuvor als „rechts“ bezeichnet habe, vollständig geräumt und sich der SPD so sehr angenähert, daß man keine inhaltlichen Unterschiede mehr feststellen kann. Rechts der Mitte ist dadurch ein politisches Vakuum entstanden. Dieses Vakuum will Heimat Hamburg ausfüllen, damit die rechten Wähler sich nicht in ihr Schneckenhaus zurückziehen oder Zuflucht bei radikalen Rattenfängern nehmen. Gibt es keine negativen Erfahrungen aufgrund Ihrer Selbstetikettierung? Kusch: Nein, im Gegenteil. Mit der Wortwahl „rechter Weg“ haben wir viele Menschen neugierig gemacht, die wissen wollen, was wir im einzelnen damit meinen. Wies stehen Sie zu den Adjektiven „freiheitlich“, „bürgerlich“, „konservativ“? Kusch: Mit allen drei Worten verbinde ich Positives. Die Hamburger Medien titulieren uns meist als „rechtskonservativ“, woraus ich schließe, daß den Journalisten die Tinte eintrocknet, wenn sie den Begriff „rechts“ solitär verwenden sollen. Aber das macht nichts, rechtskonservativ trifft es ja auch. Medien, Politiker, Behörden betreiben aktiv den „Kampf gegen Rechts“. Also den Kampf auch gegen Roger Kusch? Kusch: Wenn die Bundesregierung – auf Kosten der Steuerzahler – ein Programm auflegt und das „gegen Rechts“ nennt, trägt sie in unverantwortlicher Weise dazu bei, daß im öffentlichen Bewußtsein rechts und rechtsextrem gleichgesetzt werden. Zumal es links der Mitte vielfältige Differenzierungen gibt: ultra-links, gemäßigt links, linksradikal, linksliberal usw. Ich kann mich an keine Kritik in den Medien erinnern, als sich die SED zunächst in PDS und nun in „Die Linke“ umbenannt hat. Sie sind 2006 aus der Union ausgetreten. Wie ist es zu der von Ihnen genannten Linksdrift der Partei gekommen? Kusch: Im Februar 2004 kam es in Hamburg zu vorzeitigen Wahlen der Bürgerschaft, unseres Landesparlaments. Bei dieser Wahl hat die CDU einen Jahrhundertwahlsieg errungen: Von 25 Prozent im September 2001 verdoppelte sie ihren politischen Einfluß und errang die absolute Mehrheit. Mindestens drei Faktoren kamen zusammen: Ole von Beust hatte wie einst Siegfried im Kampf gegen den Drachen Hamburg von Schill befreit und war der Held der Stadt. Die rot-grüne Bundesregierung verbreitete wenig Glanz. Und die Hamburger SPD machte mit einem sehr blassen Spitzenkandidaten einen dilettantischen Wahlkampf. Die CDU war außer sich vor Freude und empfand das Wahlergebnis als Göttergeschenk. Doch verblüffend schnell machte sich Selbstzufriedenheit breit. Die Funktionäre gewöhnten sich an die Macht und konzentrierten all ihr Sinnen und Trachten nur noch auf die Frage, wie die absolute Mehrheit über die nächste Wahl im Frühjahr 2008 gerettet werden könne. Und dabei ist den Verantwortlichen aufgefallen, daß Hamburg eine sozialdemokratische Stadt ist? Kusch: Eben! Und so beschlossen die CDU-Strategen, um die absolute Mehrheit zu erhalten, die politische Seele zu verkaufen und soviel an sozialdemokratischen Positionen zu übernehmen, daß die CDU von der SPD nicht mehr links überholt werden kann. Ole von Beust aber hat sich seinen gesunden Menschenverstand bewahrt und weiß, daß sich der Wahlerfolg von 2004 im Jahre 2008 nicht wiederholen wird – zumal die CDU bei einer Meinungsumfrage vor wenigen Wochen hinter die SPD auf 35 Prozent gefallen ist. Er weiß auch, daß er auf die FDP nicht setzen kann, weil die Hamburger FDP außer parteiinternen Querelen nichts zu bieten hat. Also hat bei der CDU seit geraumer Zeit ein heftiges Liebeswerben um die Grün-Alternative Liste, wie die Grünen sich in Hamburg nennen, eingesetzt. Da die GAL gesellschaftspolitisch noch links von der SPD steht, hat das Koalitions-Turteln einen zusätzlichen Linksschub in der CDU ausgelöst. Und wie lautet Ihre Analyse bezüglich der Bundes-CDU? Kusch: So mütterlich, bescheiden und uneitel sich Angela Merkel nach außen gibt, so war sie doch vom persönlichen Ehrgeiz zerfressen, um jeden Preis Bundeskanzlerin zu werden und möglichst lange zu bleiben. Diesem Ziel hat sie alle politischen Inhalte untergeordnet. Das bislang schrecklichste Beispiel ist das Antidiskriminierungsgesetz. Vor der Wahl wurde es von CDU-Bundestagsabgeordneten noch in flammenden Reden als der direkte Weg in den Sozialismus gegeißelt, nach der Wahl stimmten dieselben Abgeordneten diesem Monstrum unter dem Tarnnamen „Allgemeines Gleichstellungsgesetz“ zu. Während man sich bei der CDU vor der Wahl mit Recht über die Unverfrorenheit der rot-grünen Bundesregierung aufgeregt hatte, mit jährlich über fünf Million Euro Kosten eine völlig überflüssige Antidiskriminierungs-Beobachtungsstelle einzurichten, stimmte die CDU nach der Wahl auch dieser Verschleuderung von Steuergeldern zu, denn Nutznießerin war nunmehr die CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen. Sicher haben Sie Ihre Kritik zunächst parteiintern formuliert. Wie haben Ihre Parteifreunde reagiert? Kusch: Natürlich habe ich das, und bei den Reaktionen gab es eine frappierende Diskrepanz zwischen den Parteifunktionären und der Parteibasis. Ich bin deshalb überzeugt, daß Teile der CDU-Basis heimlich eher mit dem sympathisieren, was Heimat Hamburg vertritt, als mit dem, wofür die CDU inzwischen steht. Warum gab es dann an der Basis keinen Aufstand gegen den Ausverkauf der CDU-Werte durch die Funktionäre? Kusch: Die Hamburger CDU ist eine Kaderpartei, bei der die Basis wenig zu melden hat. Bereits die Schill-Partei hatte versucht, sich als Partei der bürgerlich-individuellen Freiheit und der Inneren Sicherheit zu profilieren, also die Elemente zu verbinden, deren Synthese offenbar auch Ihnen vorschwebt. Kusch: Eine derart kurzlebige Partei kann keine Orientierung für Heimat Hamburg sein. Schills Partei Rechtsstaatlicher Offensive war eine originelle und überzeugende Antwort zu einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Situation, auf bestimmte Probleme. Diese Faktoren haben sich aber geändert. Wie stehen Sie zu den bestehenden Rechtsparteien wie den Republikanern und der Deutschen Partei? Kusch: Politik ist für mich Gestaltung. Für Parteien, die nichts zu bieten haben außer Protest, habe ich mich nie interessiert. Stattpartei, Schill-Partei, Heimat Hamburg: Haben Sie nicht Angst, am Ende vielleicht nur als eines der vielen Hamburger Parteiexperimente in die Geschichte einzugehen? Kusch: Politik funktioniert nur mit langem Atem. Ich bin fest davon überzeugt, daß Heimat Hamburg im Frühjahr 2008 mit deutlich über fünf Prozent in die Bürgerschaft einzieht. Das ist dann ein schöner Etappen-Erfolg, aber mein persönliches Ziel ist ein ganz anderes: daß wir im Frühjahr 2012 mit noch besserem Ergebnis wiedergewählt werden. Dann wissen die konservativen Hamburgerinnen und Hamburger, daß sie bei uns eine dauerhafte politische Heimat haben. Die Schill-Partei ist nicht nur am Verhalten ihres Vorsitzenden gescheitert, sondern auch an ihrem rasanten, aber unkoordinierten Wachstum. Heimat Hamburg hat bislang offiziell nur gut siebzig Mitglieder. Kusch: Mit siebzig Mitgliedern sind wir ein halbes Jahr nach unserer Gründung auf einem guten Weg. Sie haben erklärt, keine bundesweite Ausdehnung anzustreben. Nun wollen Sie aber immerhin schon mit der in Gründung begriffenen konservativen Alternativ-Partei „Bremen muß leben“ (JF 42/06) des ehemaligen Journalisten Joachim Siegerist kooperieren. Der erste Schritt über Hamburg hinaus? Kusch: In unserer Satzung haben wir eine bundesweite Ausdehnung ausgeschlossen. Außerdem zeigt schon unser Name, daß wir ausschließlich für Hamburg Politik machen wollen. Zwischen den Hansestädten Bremen und Hamburg gibt es politische Parallelen. In Bremen wird in wenigen Monaten gewählt. Da ist es selbstverständlich, daß wir die Aktivitäten einer bremischen Wählerinitiative rechts von der CDU mit großem Interesse verfolgen und wenn möglich auch unterstützen. Klassische konservative Themen sind etwa Zuwanderung und Multikulturalismus. Kusch: Ausländer, die in Hamburg auf eigene Kosten leben, zum Beispiel eine Ausbildung machen oder arbeiten und Steuern zahlen, sind uns herzlich willkommen. Jene aber, die nur nach Hamburg kommen, um an unserem Sozialsystem zu partizipieren, die sind uns herzlich unwillkommen. Eine Weltstadt wie Hamburg lebt von kultureller Vielfalt, aber nicht von multikulturellen Sozialhilfeempfängern. Also die Beckstein-Formel. Die ignoriert aber die Form, die die Zuwanderung inzwischen angenommen hat: Masseneinwanderung und Parallelgesellschaften. Ist angesichts dieser Dimensionen Ihre Antwort nicht völlig unzulänglich? Kusch: Beckstein ist nicht Einstein. Für die schwierigen Fragen der Ausländerpolitik gibt es keine Formel, sondern Gelassenheit und Vernunft. Ich kann nur wiederholen: Wer hier arbeitet und Steuern zahlt, ist willkommen. Wer dauerhaft hier bleiben will, vielleicht sogar mit einem deutschen Paß, muß eine weitere Voraussetzung erfüllen: den Willen und die Fähigkeit zur Integration. Daß Angeklagte mit deutschem Paß vor Gericht einen Dolmetscher brauchen, ist ein Skandal. Daß Kinder deutscher Staatsbürger bei der Einschulung nur gebrochen Deutsch sprechen, ebenfalls. Noch viel schlimmer aber ist das Bleiberecht, das viele ausländische Schwerverbrecher in Deutschland genießen. Nicht die Ausländer sind unser Problem, sondern die Feigheit der deutschen Politik, willkommene Gäste anders zu behandeln als Schmarotzer und Störenfriede. Die CDU hat sich von ihrem Konzept der deutschen Leitkultur verabschiedet. Wie sieht das Heimat Hamburg? Kusch: Ich will mit einem Beispiel antworten: Zu unserer Kultur gehört das sonntägliche Läuten der Kirchenglocken – aber nicht der Ruf des Muezzins! Wenn Sie das nun „Leitkultur“ nennen wollen, bitte. Mir kommt es auf das Wort nicht an. Wie steht Heimat Hamburg zum geschichtlichen Selbstverständnis unseres Landes? Kritisieren Sie etwa die dominierende Geschichtsdarstellung in unseren Medien? Kusch: Ich sehe in dieser Frage keinen Auftrag für den Staat oder für eine Partei. Deutschland hat mit Luther, Goethe, Beethoven, Bismarck, Bosch und zigtausend anderen, die hier zu nennen wären, so viel zur Weltkultur beigesteuert, daß wir es gar nicht nötig haben, staatlich gelenkte Geschichtspflege zu betreiben. Wenn einige Fußball-Nationalspieler beim Deutschlandlied nicht textsicher sind, ist das nicht so schlimm. Sollte Bosch von einem ausländischen Finanzinvestor geschluckt werden – das wäre eine nationale Katastrophe. Dr. Roger Kusch ist Vorsitzender der Partei „Heimat Hamburg – der rechte Weg für unsere Stadt“. Nach 34 Jahren Mitgliedschaft in der CDU trat er 2006 wegen des Linksrucks der Partei aus und gründete die Heimat Hamburg. Der ehemalige Ministerialrat im Bundeskanzleramt und Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof war von 2001 bis 2006 Justizsenator der Stadt Hamburg. Erstmals bundesweit bekannt wurde Kusch im August 2003 in Zusammenhang mit der Affäre um die Entlassung des damaligen hamburgischen Innensenators Ronald Schill durch Regierungschef Ole von Beust. Heimat Hamburg: Im April 2006 in Hamburg von enttäuschten CDU-Anhängern als „rechte“ Alternative zur Union in der Hansestadt gegründet. Die Partei ist politisch eher freiheitlich als konservativ orientiert, verbindet damit aber betont bürgerliche und heimatliche Elemente. Besonders engagiert sich die Partei etwa bei Themen wie dem Islam oder der Inneren Sicherheit, wo konservative Positionen vertreten werden. Liberal ist Heimat Hamburg allerdings zum Beispiel in puncto Lebensrecht: etwa in der Abtreibungsfrage und vor allem mit ihrer eindringlichen Forderung nach aktiver Sterbehilfe. Kontakt und Informationen: Postfach 10 04 10, 20003 Hamburg, Tel.: 01 51 / 52 06 21 08, Internet: www.heimathamburg.de weitere Interview-Partner der JF

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