Als Poesie gut“, kommentierte Friedrich Wilhelm III. eine militärische Denkschrift, die Neidhard von Gneisenau 1811 verfaßt hatte. Dem preußischen König fehlte eben, meint Günter de Bruyn, jede Ader für „Gefühlsüberschwang und Phantastik“. Auch Staaten benötigen Poesie. Der gebürtige Berliner de Bruyn untersucht die Klassik und Frühromantik in seiner Heimatstadt. Am Beginn steht der Tod Friedrichs II. im Jahre 1786, das Ende markiert der Tilsiter Frieden 1807. Zwei Jahrzehnte umfaßte die Blüte der deutschen Literatur. Neben Weimar lag ihr Mittelpunkt in Berlin. Preußische Zensur-edikte lähmten die besten Köpfe, und immer noch prügelte man Soldaten wie Hunde. Während der napoleonischen Zeit durfte Berlin „keinen Briefwechsel mit den Feinden der französischen Monarchie pflegen“. Korrelierten politischer Niedergang und literarische Triumphe? Leider ignoriert der am 1. November 2006 achtzig Jahre alt gewordene Schriftsteller diese Frage. Das Brandenburger Tor, durch Langhans errichtet, symbolisierte Berlins „große Kunstepoche“. Schinkel gestaltete Meisterwerke der Architektur. Deutsche Romanciers, die Friedrich II. mißachtet hatte, faszinierten alle Gebildeten. De Bruyn schildert die Jugend Heinrich von Kleists, bewundert Königin Luise, erzählt die Abenteuer der Gebrüder Schlegel. Viele andere Geistesgrößen komplettieren das reichhaltige Bild. Die berühmten „Salons“ von Henriette Herz und Rahel Levin zogen Intellektuelle magnetisch an. „Statt göttlich sage ich goethelich“, lautete Levins Wahlspruch. Jean Paul, der zeitweise in der Residenz lebte und Preußen kritisch beurteilte, ist de Bruyns Leib- und Magenthema. Witzige Details ergänzen die Darstellung. 1799 kam der Däne Henrik Steffens nach Preußen. Ihm gefiel das Berliner Umland nicht – es ähnele der „Sahara“. Später lernte er Preußen schätzen. „Skepsis und Derbheit“ galten als „typisch berlinische Eigenschaften“. Allerdings hat die lexikalische Vollständigkeit des Buches ihre Kehrseite. Fast immer thematisiert de Bruyn nur äußere Lebensläufe seiner Helden. Der Inhalt ihrer Werke bleibt schemenhaft; die Vielfalt der Gestalten begrenzt analytischen Tiefgang. Dieser Schwachpunkt kann die Stärken des Werkes nicht jedoch nicht überschatten. So darf das gediegene, üppige Buch jeden wohlsituierten Gabentisch krönen. Der Rezensent empfiehlt Geigenmusik zur Untermalung. Günter de Bruyn: Als Poesie gut. Schicksale aus Berlins Kunstepoche 1786 bis 1807. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006, 524 Seiten, gebunden, 24, 90 Euro