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In Sachen AfD: Mit Vernunft und Maß

In Sachen AfD: Mit Vernunft und Maß

In Sachen AfD: Mit Vernunft und Maß

AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen spricht auf dem Bundesparteitag Foto: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd
AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen spricht auf dem Bundesparteitag Foto: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd
AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen spricht auf dem Bundesparteitag Foto: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd
In Sachen AfD
 

Mit Vernunft und Maß

Die AfD steht unter Druck. Sie sollte in den Parlamenten seriöse Arbeit leisten und deren Wirkungen nicht durch skandalisierbare Polemik verderben. Und sie sollte in den eigenen Reihen und in ihrer Anhängerschaft nicht Ressentiments fördern, sondern mäßigend wirken.
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In etlichen Bundesländern wurde die AfD vom Verfassungsschutz als extremismusverdächtig eingestuft. Womöglich droht das auch der Bundespartei. Die so bewirkte Ächtung wird es gesellschaftlichen Leistungsträgern bald unmöglich machen, sich für die AfD einzusetzen. Das ist ja auch der erwünschte Effekt. Zwar versteht man, daß deshalb über eine politische Funktionalisierung des Verfassungsschutzes geschimpft wird. Doch die richtige Reaktion wäre es, sich nun erst recht so zu verhalten, daß Zweifel an der Treue zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zerstreut werden. Und natürlich dürfen entsprechende Bekenntnisse nicht vorgeblendet sein, sondern müssen der tatsächlichen inneren Haltung entsprechen – und den Taten erst recht.

Doch so haben sich viele AfDler in den letzten Jahren gerade nicht verhalten. Manche haben die Einstufung ihrer Partei als rechtsextremistisch nachgerade provoziert. Auch hat die AfD erst spät – und weiterhin ohne Unterstützung der ganzen Partei – mit juristischer Gegenwehr begonnen. Statt dessen geben sich manche AfD-Politiker stolz darauf, vom „System“ sozusagen verfolgt zu werden, denn man wähnt sich im Widerstand gegen eine neue Nationale Front. Dabei wird übersehen, daß die dem SED-Staat Widerstehenden einen ganz anderen Tonfall pflegten als die AfD, und daß gegnerische Fouls in einer Demokratie etwas anderes sind als Staatsterror in einer Diktatur.

Es haben viele Mitglieder und Anhänger der AfD anscheinend noch nicht begriffen, daß eine strikte Trennung von Regierungskritik und Systemgegnerschaft die Voraussetzung politischer Freiheit ist. Eine Regierung und die sie tragenden Parteien darf man sehr wohl scharf angreifen – nicht aber eine Verfassungsordnung, nur weil deren Spielregeln derzeit den Gegner an der Macht sein lassen.

Die AfD darf nicht zum eigenen Zerrbild werden

Doch in der AfD meinen inzwischen viele, nicht nur das ihnen verhaßte System der „Altparteien“ gehöre auf den Müllhaufen, sondern unsere ganze politische Ordnung. Warum nur erkennen die nicht, daß solches zur nachträglichen Bestätigung derer gerät, die schon Bernd Luckes AfD als Wiedergängerin der Nazis ausgaben? Offenbar sind der AfD allzu viele Leute zugelaufen, die gut in die NPD paßten, wichtigtuerische Selbstdarstellung mögen oder biographische Wunden durch Beifall eines rhetorisch angefixten Publikums zu heilen versuchen.

Zweifellos haben sich viele ihrer Gegner von Anfang an unfair zur AfD verhalten. Das begann mit Verleumdungen von Luckes Partei als rechtsextrem, setzte sich fort in der – oft einer „Feigheit vor dem Feind“ gleichenden – Ausgrenzung von AfD-Vertretern aus Podiumsdiskussionen und Talkshows, zeigt sich im Druck auf Hoteliers und Gastronomen, ja keine AfD-Veranstaltungen zu beherbergen, äußert sich in Gewalttaten gegen AfD-Wahlkampfstände oder AfD-Politiker und mündet in unverhohlene Schadenfreude, wann immer AfDler ihre Partei blamieren.

Die richtige Reaktion auf solche Fouls wäre es, gerade nicht zum von Gegnern lustvoll gezeichneten Zerrbild zu werden. Doch immer, wenn genau das in den Reihen der AfD versucht wurde, standen selbstberauschte Rechts­demagogen dagegen auf. Oft setzten sie sich durch. Erst Jörg Meuthen – selbst spät zur Einsicht gelangt – konnte für die „Realos“ zwei, drei aufsehenerregende Etappensiege erringen.

Die CDU will AfD-Wähler nicht zurückgewinnen

Womöglich gewinnen aber doch wieder die „Fundis“ beim zentralen Richtungsstreit ihrer Partei. Bei ihm geht es darum, ob die AfD im deutschen Parteiensystem einfach den von der Union wider viele Warnungen verlassenen Raum zwischen der rechten Mitte und dem rechten Rand besetzen, ansonsten aber ein ganz normaler Mitbewerber um Wählerstimmen sein sollte.

Zur AfD gelangte Wutbürger und einflußreiche Anführer wollen genau das nicht. Sie wünschen sich eine Anti-System-Partei, die irgendwann „aufräumt“. Taktisch sind sie davon überzeugt, Anziehungskraft und Mobilisierungswirkung auch auf klar Rechtsradikale wäre ein legitimes, ja unverzichtbares Mittel zum Zweck weiterer Wahlerfolge.

Diese Rechnung kann bei den kommenden Wahlen sogar aufgehen. Immerhin muß – und will – sich die Union fortan alternativlos auf Regierungsbündnisse mit den Grünen einlassen, allenfalls ergänzt um eine weitere Partei. Die zur AfD abgewanderten Wähler möchte die Union ohnehin nicht mehr zurückgewinnen. Sie könnte das auch gar nicht mehr. Denn bei den von der Union zur AfD Übergegangenen ist die Empörung über Vertrauensbrüche der CDU-Kanzlerin gegenüber Nicht-Linken einfach zu groß. Die erkennen sie bei der Euro-Politik, bei der Energiepolitik, erst recht bei der Migrationspolitik.

AfD-Erfolgen fehlt die Machtperspektive

Zwar mögen AfDler die nun dauerhaft zu erwartenden schwarz-grünen und grün-schwarzen Koalitionen inhaltlich nicht. Doch sie passen der AfD bestens ins strategische Kalkül. Als einzige gegen Schwarz-Grün stehende Kraft kann die AfD nämlich sehr wirkungsvoll auf die von ihr abgrundtief verachtete CDU einschlagen.

Und bei einer von Rot-Grün – mit oder ohne FDP – aus ihren Regierungsstellungen vertriebenen Union kann sie das auch noch mit berechtigter Häme tun. Es hat sich nämlich die Union selbst um ihre einst selbstverständlichen Chancen gebracht, durch Repräsentation nicht nur der politischen Mitte, sondern auch der meisten Wähler zwischen der rechten Mitte und dem rechten Rand der zentrale Machtblock in der Bundesrepublik Deutschland zu bleiben.

Also wird eine klar systemgegnerische AfD auch am Ende dieses Jahres in vielen deutschen Parlamenten eine große – oder gar die größte – Oppositionsfraktion sein. Doch dann? Was nutzt es eigentlich, wenn diese Rolle keinerlei Machtperspektiven bietet? Und solche können sich auch gar nicht auftun, solange nicht die AfD dem Beispiel der Grünen gefolgt ist, also ihre „Fundis“ zugunsten der „Realos“ niedergerungen hat.

Die AfD sollte mäßigend wirken

Gestaltungsmacht würde die AfD nämlich nur dann gewinnen, wenn sie von einer Anti-Establishment-Partei zu einer solchen Partei geworden wäre, die nicht bloß ein medial wirksames Anderssein, sondern ein – dann auch politisch nachzuweisendes – Bessersein zu ihrem Anspruch machte.

Lächerlich ist jedenfalls die Hoffnung mancher AfDler, es reiche irgendwann zur absoluten Parlamentsmehrheit ihrer Partei. Auch relative Mehrheiten wird es allenfalls in ostdeutschen Landtagen geben; und selbst diese bringen so lange keine Macht ein, wie die AfD keinen Koalitionspartner findet. Doch auf eine rechtsdemagogische oder rechtsradikale AfD kann sich niemand einlassen, der moralisch oder politisch bei Trost ist.

AfD-Sprecher müssen sachlich bleiben

Also treibt gerade jene AfD, die von Luckes zu Höckes Partei geworden ist, unser Land zu einem Kurs, den zwar Grüne und Linke wollen, jene aber gerade nicht, die einst in der AfD ein Korrektiv Merkelscher Politik erhofften.

Dem letzteren dienliche Ratschläge bekam die AfD während der vergangenen Jahre oft. Sie trafen freilich auf taube Ohren, häufiger noch auf selbstgefällige Besserwisserei. Doch sie bleiben richtig: Die AfD sollte in den Parlamenten seriöse Arbeit leisten und deren Wirkungen nicht durch skandalisierbare Polemik verderben; sie sollte sich keinesfalls als „NPD light“ aufstellen; und sie sollte nicht zur thematisch beschränkten Protestmaschinerie werden, sondern ein stimmiges, wirklichkeitstaugliches Politik­programm entwickeln.

Dieses Programm bräuchte gewiß nicht für Linke plausibel sein. Doch einleuchten sollte es all jenen, die sich weder als mittig noch als links empfinden, sondern als rechts – und dabei gerade kein Verlangen nach Chauvinismus oder Rassismus hegen. Auch sollten AfD-Sprecher stets betont sachlich und gemäßigt bleiben, wenn ihre Gegner, wie so oft, emotional und hyperventilierend auftreten.

Die AfD sollte von der SPD lernen

Die Partei sollte sich ferner von den Lieblingszielscheiben ihrer Gegner trennen oder diese zumindest ins Abseits stellen. Und sie sollte in den eigenen Reihen und in ihrer Anhängerschaft nicht Ressentiments fördern, sondern mäßigend wirken – wie einst, zum Besten unseres Landes, die SPD hinsichtlich der revolutionären Linken.

Doch zumal in ihren ostdeutschen Landesverbänden will man eine solche AfD mehrheitlich nicht. Deren Wortführern bundesweit zu folgen, machte das AfD-Milieu deshalb dauerhaft zur rechtsradikalen Schmuddelecke unseres Landes. Diese trägt jetzt schon viel zur Vergiftung von Deutschlands politischer Kultur bei – teils direkt durch Reden und Handeln dort, teils indirekt über Reaktionen von etablierten Parteien und Antifa, die sich ihrerseits nicht an die Spielregeln unserer freiheitlichen Demokratie halten.

Schafft die Partei die Kurskorrektur?

Jene AfD-Politiker, deren Bekundung von Zuneigung zu unserem Land mehr ist als bloß ein abwehrender Reflex auf die Verachtung Deutschlands unter Linken, sollten genau an dieser Stelle ihre jetzt zu erfüllende staatspolitische Pflicht erkennen. Die gründet in der Einsicht, daß nur eine vernünftige, gemäßigte, den Respekt auch von Gegnern verdienende AfD zum Partner der politischen Mitte werden kann.

Exakt hier hat die AfD eine Bringschuld abzutragen, weil sie wirklich nicht nur durch Bosheit ihrer Rivalen, sondern weithin durch eigenes Tun und Lassen zum politischen Paria geworden ist. Ob das aber eine Mehrheit der Anführer und Mitglieder der AfD einsieht? Und dann auch die politische Kraft oder überhaupt weitere Gelegenheiten hat, die AfD auf einen solchen Kurs zu führen?

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Prof. Dr. Werner J. Patzelt, Jahrgang 1953, ist emeritierter Ordinarius für Politikwissenschaft an der Technischen Universität Dresden.

JF 8/21

AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen spricht auf dem Bundesparteitag Foto: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd
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