Anzeige
Anzeige

Warum strenge Gesetze immer die Falschen treffen: Verschärfung des Waffenrechts: Beutetier Jäger

Warum strenge Gesetze immer die Falschen treffen: Verschärfung des Waffenrechts: Beutetier Jäger

Warum strenge Gesetze immer die Falschen treffen: Verschärfung des Waffenrechts: Beutetier Jäger

Ein Jäger steht mit seinem Hund im Abendlicht, die Flinte auf dem Rücken. Aufgrund der jüngsten Anschläge in Aschaffenburg könnte es den Waffen des Jägers an den Kragen gehen
Ein Jäger steht mit seinem Hund im Abendlicht, die Flinte auf dem Rücken. Aufgrund der jüngsten Anschläge in Aschaffenburg könnte es den Waffen des Jägers an den Kragen gehen
Ein Jäger mit seinem Hund (Symbolbild) / Foto: picture alliance / imageBROKER | alimdi / Arterra
Warum strenge Gesetze immer die Falschen treffen
 

Verschärfung des Waffenrechts: Beutetier Jäger

Wann immer bei einem Unglück eine Waffe im Spiel ist, wird das Halali geblasen: Die Jäger, Sportschützen und Waffenbesitzer sind schuld! Warum das auf die Falschen zielt und Anschläge nicht verhindert. Ein Debattenbeitrag von Walter Schulz.
Anzeige

„Solingen“, „Mannheim“, „Aschaffenburg“ – die Namen dieser drei Städte stehen stellvertretend für ein in den zurückliegenden Jahren in Deutschland massiv gewachsenes Problem. Dabei klingt der Begriff „Messerkriminalität“ noch beschönigend, verdeckt er doch die damit verbundene Brutalität gegen Menschen.

Sehr eigentümlich muten dann Berichte in Medien an, in denen Polizeibeamte mit Körperschutz gezeigt werden, die in Innenstädten selbst Rentnerinnen auf das Mitführen von Taschenmessern filzen und tatsächlich auch fündig werden, zwischen Lippenstift, Hausschlüssel und Hustenbonbons ein Messerchenzum Schälen eines Apfels auf der Parkbank entdecken, das natürlich konfisziert wird und die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens bewirkt. Als wären jetzt Messermorde wie in Mannheim oder Solingen in Zukunft nicht mehr möglich.

Früher spielten Grundschüler mit Messern auf dem Schulhof

So grotesk sich die Realität um die Sicherheit und das Waffengesetz in Deutschland zum Jahreswechsel 2024/2025 darstellt, so typisch ist sie schon seit vielen Jahrzehnten. Führten sich bis in die 1960er Jahre selbst Drittkläßler noch in der großen Pause in der Schule ihre neuesten Taschenmesser vor, und konnte jeder unbescholtene deutsche Bürger in den späten 1960er Jahren auch ohne Jägerprüfung gesetzeskonform eine Jagdflinte oder ein Kleinkalibergewehrchen kaufen, änderte sich die Gesetzgebung beim Waffenrecht in den 1970er Jahren mit den Morden und Anschlägen der Baader-Meinhof-Terroristen.

Das Waffengesetz, die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz und die Allgemeine Verordnung zum Waffengesetz sind in ihrem Charakter seit damals in Schüben erheblich restriktiver geworden. Das Waffenrecht wurde sehr offensichtlich vom Ordnungsrecht zum „Sicherheitsrecht“. Mit anderen Worten: Ging es bis vor etwa 55 Jahren nur um Registrierung, um Verwaltung und Registratur des Waffenbesitzes der Bürger, machten es die Politiker zu einem Rechtsbereich, der vorgeblich der „Sicherheit“ im Land dienen soll. Doch diese Aussage, wie sie auch von den Innenministerien kommuniziert wird, hält der Faktenlage nicht stand. Alle kriminologischen Daten zeigen: Über das Waffenrecht läßt sich keine öffentliche Sicherheit herstellen.

Terroristen arbeiteten immer schon mit Kriegs-, nicht mit Jagdwaffen

Doch der Reihe nach: Als im Zuge des Baader-Meinhof-Terrors mit dem Höhepunkt der Entführung und Ermordung von Hanns-Martin Schleyer und der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ durch palästinensische Terroristen und der glücklichen Geiselbefreiung aus der Maschine in Mogadischu die Terrorangst in Deutschland mehrmals am Siedepunkt war, zeigte die damalige Bundesregierung Aktivismus und verschärfte das Waffengesetz in den 1970er Jahren radikal.

Das mutet im Rückblick bizarr an: Trieben die Terroristen mit auch damals illegalen vollautomatischen Kalaschnikow-Sturmgewehren, Handgranaten und Pistolen aus dem Warschauer Pakt ihr mörderisches Unwesen – Gegenstände, die auch damals für den normalen deutschen Bürger verboten waren –, richtete sich das neue Gesetz auf die legal Jagd- und Sportwaffen sowie Kleinkalibergewehrchen besitzenden Bürger, die mit den schwerstkriminellen Taten überhaupt nichts zu tun hatten, deren Waffen für Terroristen und Verbrecher auch nicht interessant waren und sind.

Die Hatz auf das „Spatzengewehrchen“

Plötzlich wurden kleinkalibrige „Spatzengewehrchen“ erlaubnispflichtig, der Erwerb von großkalibrigen Jagd- und Sportwaffen wurde erheblich verkompliziert. Fast überflüssig zu erwähnen, daß diese Restriktionen keinerlei Einfluß auf den bekämpfungswürdigen Terrorismus und die schwere Gewaltkriminalität nahmen. Über viele Legislaturperioden hinweg zogen sich dann die Diskussionen zwischen den Verbänden der Jäger, Sportschützen und Waffensammler auf der einen Seite und dem Gesetzgeber auf der anderen Seite, ohne daß sich an der unbefriedigenden Situation etwas änderte.

Erst im Frühjahr 2002 führten diese Auseinandersetzungen um praktikablere und praxisgerechte waffengesetzliche Regelungen unter maßgeblicher Mitarbeit der Waffennutzerverbände aus dem Jagd-, Schützen- und Sammlerwesen fast zum Ziel – der Schaffung eines praxisgerechten und einfach umzusetzenden modernen Waffenrechtssystems.

Doch quasi punktgenau zum Datum der dafür anberaumten Bundestagsabstimmung erschütterte das furchtbare Massaker eines 19jährigen in einer Erfurter Schule mit 17 Toten die Republik – er hatte sich über die vorgetäuschte Mitgliedschaft in einem Schützenverein Zugang zu den Tatwaffen, eine Vorderschaftrepetierflinte und eine Pistole, besorgt.

Jäger als Sündenbock

Die erarbeitete gute gesetzliche Lösung wurde sofort verworfen. Vor allem von links-grüner Seite und den damals schon als politisch links zu bezeichnenden Massenmedien brach ein Sturm gegen alle legal Waffen besitzenden Schützen und Jäger los, der in massivsten Verbotsforderungen gipfelte.

Wie schon während der heißen Phase des Baader-Meinhof-Terrorismus schossen sich Medien und Politiker auf die Falschen, die völlig unbeteiligten Jäger, Sportschützen und Waffensammler ein, die zu Sündenböcken für das Unfaßbare aufgeblasen wurden. Daß man psychisch wirre Menschen mit unbändigem Tötungswillen nicht durch das Verbot von Tatmitteln stoppen kann, ist zwar eine bekannte Tatsache, störte aber den Verbotsforderungswahn nicht.

Abrechnung mit dem wertkonservativen Lager

Man nutzte die Chance, um anständige Bürger aus dem eher wertkonservativen Lager, dem Schützen und Jäger überwiegend angehören, aus ideologischen Gründen an den Pranger zu stellen und mit neuen Verboten und Restriktionen zu überziehen.

Es ist dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily und dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein zu verdanken gewesen, daß im folgenden Gesetzgebungsverfahren sowohl Schützen als auch insbesondere die Jäger „mit einem blauen Auge davongekommen sind“, wie es Otto Schily damals in Berlin ausdrückte, die Verschärfungen nicht zu einem totalen Erwerbs- und Besitzverbot von Jagd-, Sport- und Sammlerwaffen führten.

Der Amoklauf von Erfurt war ein Wendepunkt

Kaum war dann, nach einigen weiteren Verschärfungen des Gesetzes und der Verordnungen, einigermaßen Ruhe an der Waffenrechtsfront eingekehrt, kam der 11. März 2009: In der Albertville-Realschule und deren Umgebung in Winnenden sowie in Wendlingen erschoß der 17jährige Tim Kretschmer 15 Menschen und zuletzt sich selbst. Tatwaffe war die großkalibrige Sportpistole des Vaters, die der Täter heimlich entwendet hatte. Der Sturm in Medien, Schulen, Kirchen gegen alle, die irgendwie legal mit Waffen zu tun haben, war dieses Mal noch schlimmer als nach den Erfurt-Morden. Und wieder gab man der Existenz von Waffen die Schuld an der brutalen Tat und stellte massive Verbotsforderungen auf.

Das Waffenrecht wurde dann auch – wieder anlaßbezogen – erneut verschärft – in etwa auf den Stand, der bis Sommer 2024 aktuell war. Und wieder richteten sich die Verschärfungen ausschließlich gegen gesetzestreue Bürger, die keinerlei Verantwortung für die brutale Tat tragen. Und wieder wurden wichtige kriminologische Fakten ausgeblendet. Denn mit Waffen durchgeführte Gewalt- und Totschlagdelikte werden zu weit über 99 Prozent mit illegalen Waffen begangen.

Legal besessene Jagd- und Sportwaffen spielen nur in Bruchteilen von einem Prozent der Taten eine Rolle. Daraus folgt, daß, wenn man schon Tatwaffen aus dem Verkehr ziehen will, illegale Tatwaffen aus dem Verkehr ziehen müßte, was natürlich nicht gelingt, weil Täter ihre Waffen üblicherweise nicht registrieren lassen und keine Behörde jemals vor Taten davon etwas erfährt.

Die Waffen sind nicht das Problem

Ein weiterer Punkt: Die Gleichung „mehr Waffen = mehr Straftaten“ stimmt weder in Deutschland noch anderswo. So ist in der Schweiz etwa die Schußwaffendichte je Einwohnerzahl am höchsten (sogar Sturmgewehre stehen bei Reservisten im Schrank), die Totschlag- und Gewaltkriminalität ist eine der niedrigsten der Welt. Und auch die Zahlen aus den wegen ihrer Schußwaffendichte in Privathand immer wieder zitierten USA zeigen klar, daß obige Gleichung nicht stimmt.

So gibt es dort Städte und Staaten wie New York oder Kalifornien mit extrem strengen Waffengesetzen, aber hoher Mordrate, während in Staaten mit sehr liberalen Waffengesetzen wie Idaho, Wyoming, Utah oder Texas die Mordraten um viele Größenordnungen niedriger sind. Alle verfügbaren Zahlen zeigen: Die Mordraten in einem Land oder einer Region hängen von unterschiedlichen Faktoren ab wie gesellschaftlicher Stabilität, Sozialstruktur, Arbeitslosigkeit, Traditionen und vieles mehr – aber nicht von der Schärfe der Waffengesetze.

Die Kontrollen treffen die Falschen

Wie wenig diese Faktenlage bei der Gesetzgebung eine Rolle spielt, zeigt die neuerliche Verschärfung des Waffengesetzes, die zum 31. Oktober 2024 in Kraft trat. Diese wurde, maßgeblich angetrieben von der derzeitigen Bundesinnenministerin Nancy Faeser, nach den Messermorden von Mannheim und Solingen auf den Weg gebracht und brachte unter der Bezeichnung Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems einen neuen Wust an Restriktionen. So begehen jetzt flanierende Damen in Fußgängerzonen eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie mit einem kleinen Messerchen in der Handtasche erwischt werden.

Diese Gesetzesverschärfung zeigt, wie alle Verschärfungen des Waffenrechts seit den frühen 1970er Jahren, das gleiche Muster: Nach aufwühlenden Mord- und Gewalttaten sorgt die Politik rasch für Restriktionen beim Waffenrecht, die sich dadurch auszeichnen, daß sie sich gegen die Verfügbarkeit des Tatmittels Waffe durch gesetzestreue Bürger richtet und diese Bürger einem erhöhten Risiko des Begehens strafbarer Handlungen durch reinen Besitz aussetzen.

Gleichzeitig erzielen sie aber keinerlei Wirkung im Hinblick auf eine Verringerung des Risikos schwerer Gewalt- und Mordtaten. Denn wer schwere Gewalt- und Mordtaten im Schilde führt, wird sich von keinem Gesetz die Beschaffung und den Besitz der Tatmittel verbieten lassen.

Die Jagd auf Schußwaffen lenkt vom Problem ab

Der Fokus auf das Tatmittel lenkt im Gegenteil ab von der Bekämpfung der Ursachen aufwühlender Gewalttaten. Diese sind immer in der Persönlichkeitsstruktur, der Sozialisation, der Kultur des Täters zu finden. Die richtige Blickrichtung fehlt – gerade bei den islamistischen Messermorden.

Der Generalverdacht Faesers gegen ihre eigenen Bürger erhält dagegen Gesetzesstatus, Bürokratieexzesse und überwachungsstaatliche Übergriffigkeiten gegen gesetzestreue Bürger manifestieren sich. Der Aktionismus zur Ablenkung von den eigenen Verantwortlichkeiten treibt seine Blüten.

Ob Frau Faeser, ob die Legislative, ihren gesetzesverschärfenden Aktionismus gegen Tatmittel auch dann noch aufrechterhalten wird, wenn demnächst ein mit Elektromotor angetriebenes Fahrzeug im Stile des Terroranschlages von Magdeburg über einen belebten Markt rast?

——————————————————–

Walter Schulz, Jahrgang 1956, Journalist, studierte Biologie und Chemie und absolvierte danach ein Volontariat in einem technischen Fachverlag. Von 2002 bis 2020 war Schulz Verleger und Chefredakteur des Deutschen Waffen-Journals (DWJ).

Aus der JF-Ausgabe 06/25.

Ein Jäger mit seinem Hund (Symbolbild) / Foto: picture alliance / imageBROKER | alimdi / Arterra
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag