Anzeige
Anzeige

Zum 200. Geburtstag von Karl Marx: Alles kaputtzumachen war der Kern seiner Ideologie

Zum 200. Geburtstag von Karl Marx: Alles kaputtzumachen war der Kern seiner Ideologie

Zum 200. Geburtstag von Karl Marx: Alles kaputtzumachen war der Kern seiner Ideologie

40964660
40964660
Der Himmel im Marxismus – mit Stacheldraht verhangen: Detailaufnahme eines kommunistischen Gulags in Rumänien Foto: picture alliance / AP Photo
Zum 200. Geburtstag von Karl Marx
 

Alles kaputtzumachen war der Kern seiner Ideologie

Die Marxsche Parole „Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes Wesen ist“ wird von Anhängern des vor 200. Jahren in Trier geborenen Revolutionärs gern zitiert. Aufschlußreich, daß Marx die Worte „alle Verhältnisse umzuwerfen“ unterstrichen hat, während die Klage über die Erniedrigung des Menschen ohne Betonung blieb – ein Indiz dafür, daß es Marx vor allem darum ging, ohne Ausnahme und Rücksicht auf Opfer Revolution zu machen. Ein Einwurf des Marx-Kenners Konrad Löw.
Anzeige

Der Bayerische Rundfunk präsentierte am 2. Februar die beliebte Sendung „Fastnacht in Franken“. Durch die Sendung führte zeitweilig ein Büttenredner, unverkennbar als Karl Marx verkleidet und geschminkt, ein gewinnender Künstler, dem niemand böse sein kann, dem man bedenkenlos seine Kinder anvertraut. Ein sanfter, liebenswürdiger Revolutionär, umrankt von einem Monument. Es verkörpert „Das Kapital“, rund zwei Meter hoch.

Vor genau zwanzig Jahren erschien eine Anzeige, betitelt: „Ein Glas auf Karl Marx“. Sie enthält auch eine scheinbar sachliche Begründung für den Ehrerweis, einige Sätze aus der immensen literarischen Hinterlassenschaft Marxens. Da wird zitiert und gewertet: „‘Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist’ – dieser Anspruch hätte gereicht, um seinen Geburtstag zu feiern.“ Und dann ein weiteres Argument für die Verehrung: „Sympathisch ist uns sein Lebensmotto: ‘De omnibus dubitandum’, an allem ist zu zweifeln.“

Es folgen die Sätze: „Mehr als 180 Marxistinnen und Marxisten gratulieren Karl Marx zu seinem 180. Geburtstag“ (5. Mai 1998). Die Litanei der Gratulanten beginnt mit Hans-Henning Adler und endet mit Gerhard Zwerenz, mit einem linken Politiker und mit einem linken Schriftsteller.

Der „Vernichter“ Marx wollte „alle Verhältnisse umwerfen“

Die Parole: „Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes … Wesen ist“ wird von allen zitiert, die die lauteren Motive des in Trier geborenen Revolutionärs glaubhaft machen wollen. Und in der Tat sind diese Worte geeignet, die Marxkritiker nachdenklich zu machen. Da lohnt sich genaueres Hinsehen:

Der landauf, landab zitierte Satz steht nicht alleine. Er ist entnommen dem Essay „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ und Teil eines längeren Satzes. Sein Anfang lautet: „Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen …“ Daraus folgt, daß mit den Worten: „der Mensch das höchste Wesen für den Menschen“ der Tod Gottes und nicht das Gebot der Brüderlichkeit verkündet werden sollte. Gegen „Brüderlichkeit“, „fraternité“, haben sich die Freunde mehrmals ausdrücklich ausgesprochen, so wenn Marx in einem Brief an Friedrich Adolph Sorge die „fraternité“ zur „Phrase“ der „modernen Mythologie“ degradiert.

Es ist aufschlußreich, daß Marx die Worte „alle Verhältnisse umzuwerfen“ unterstrichen hat, während die Klage über die Erniedrigung des Menschen ohne diese Betonung geblieben ist – ein Indiz dafür, daß es dem „Vernichter“, so einer seiner Spitznamen, vor allem darum ging, ohne Ausnahme „alle Verhältnisse umzuwerfen“, Revolution zu machen, und die Berufung auf die Notlage weiter Kreise der Bevölkerung nur der Beschönigung dienen sollte. Dafür sprechen auch zahlreiche andere Passagen des erwähnten Marxschen Artikels, beispielsweise: „Krieg den deutschen Zuständen! Allerdings! Sie stehn unter dem Niveau der Geschichte, sie sind unter aller Kritik, aber sie bleiben ein Gegenstand der Kritik, wie der Verbrecher, der unter dem Niveau der Humanität steht, ein Gegenstand des Scharfrichters bleibt (…) Ihr Gegenstand ist ihr Feind, den sie nicht widerlegen, sondern vernichten will.“

Der Kommunismus als „totaler Gegensatz“ gegen die bestehende Weltordnung

Den Aufsatz „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ verfaßte Marx 1843 unmittelbar im Anschluß an „Zur Judenfrage“. Obwohl selbst Jude unter Juden mit sicherlich gutem Einblick in das jüdische Leben seiner Vaterstadt, überschüttet er sie mit haltlosen, in ihrer Heftigkeit unüberbietbaren Pauschalurteilen: „Betrachten wir den wirklichen weltlichen Juden, nicht den Sabbatsjuden, (…) sondern den Alltagsjuden. Suchen wir das Geheimnis des Juden nicht in seiner Religion, sondern suchen wir das Geheimnis der Religion im wirklichen Juden. Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus der Juden? Der Schacher. Welches ist sein wirklicher Gott? Das Geld.“ Und so geht es weiter.

Marx und Engels haben sich, wie sie selbstbewußt bekennen, die „rücksichtslose Kritik alles Bestehenden“, die „unbarmherzige Kritik für alle“ zum Vorsatz gemacht und mit den unterschiedlichsten Redewendungen mehrmals schriftlich bekräftigt. Ihren Kommunismus nennen sie den „totalen Gegensatz … gegen die bestehende Weltordnung“. „Die erste Pflicht der Presse ist nun, alle Grundlagen des bestehenden politischen Zustandes zu unterwühlen.“

Wer diese Zitate nüchtern zur Kenntnis nimmt, weiß so gut wie sicher, daß der Relativsatz des „kategorischen Imperativs“, die Absicht, „alle Verhältnisse umzuwerfen“, nicht relativiert. Alles ohne Ausnahme ist nach ihrer Auffassung faul. Daher, so wörtlich die Devise im „Manifest der Kommunistischen Partei“: „Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung“.

Einerseits „historische Gesetzmäßigkeiten“, andererseits „man muß an allem zweifeln“

Das „Man muß an allem zweifeln!“ – paßt zu einem Skeptiker, der nichts von Dogmen, nichts von „erkannten historischen Gesetzmäßigkeiten“ wissen will. Doch der Revolutionär Marx nahm für sich in Anspruch: „Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weiter treibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.“ So belehrt Marx im „Manifest“.

Warum nennt er dann „Man muß an allem zweifeln“ sein Lebensmotto? Die Antwort gibt einen tiefen Einblick in Marxens Naturell. Er schrieb das Motto seiner Cousine in den Fragebogen, der damals in der Gesellschaft als Herausforderung an Geist und Witz beliebt war. Ihr Vater, Lion Philips, ein bürgerlich gesinnter, zum Christentum übergetretener Bankier, fungierte als Nachlaßverwalter von Karls Vater. Um ihn, den Onkel, zu Zahlungen zu bewegen, mußte Karl den Revolutionär in sich verleugnen und dem Onkel gegenüber als seinesgleichen auftreten, der an der Börse spekuliert und sich zugleich zum Judentum bekennt. Das ist übrigens Marx’ einziges derartiges Bekenntnis in allen seinen schriftlichen Aufzeichnungen. Zugleich nennt Marx mit Nachdruck den weithin bekannten Ferdinand Lassalle „meinen Freund“.

Dieser „Freund“ wird nun von Karl instrumentalisiert, um dem Onkel mit fingierten Texten zu imponieren. Marx bittet Lassalle: „Du weißt, daß ich hier mit meinem Onkel (der das Vermögen meiner Mutter verwaltet und in früheren Zeiten mir öfter bedeutende Vorschüsse auf mein Erbteil gemacht) schwierige Geldverhältnisse in Ordnung bringen will. Der Mann ist zäh, hat aber viel Eitelkeit auf mein Schriftstellertum. Du mußt daher in Deinem Brief an mich von dem Erfolg (obwohl das Gegenteil der Fall ist) meiner letzten Schrift gegen Vogt, von gemeinschaftlichen Zeitungsplänen usf. sprechen, überhaupt Deinen Brief so einrichten, daß ich dem Herrn Onkel ‘das Vertrauen’ schenken kann, ihm den Brief mitzuteilen.“ – „Herr Vogt“, so der Buchtitel, war ein totaler Mißerfolg. Gemeinsame Zeitungspläne gab es nicht.

„Negerhafte Grundsubstanz“, hetzte Marx gegen Lassalle

Damit sind wir mitten in der Frage nach seinen Charaktereigenschaften angelangt, die nicht umgangen werden kann, wenn es um seine Glaubwürdigkeit geht. Wer weiß, wie Marx den „Freund“ in Briefen an Engels mit Häme und Spott übergossen hat, findet kaum passende Worte für diese unüberbietbare Niedertracht. Hier nur – auszugsweise – einer von zahlreichen Belegen: „Es ist mir jetzt völlig klar, daß er [Lassalle] wie auch seine Kopfbildung und sein Haarwuchs beweist, – von den Negern abstammt, die sich dem Zug des Moses aus Ägypten angeschlossen (wenn nicht seine Mutter oder Großmutter von väterlicher Seite sich mit einem Nigger kreuzten). Nun, diese Verbindung von Judentum und Germanentum mit der negerhaften Grundsubstanz müssen ein sonderbares Produkt hervorbringen.“

Nie hat er sich gegenüber Engels oder einem der anderen zahlreichen Kampfgefährten so geäußert wie gegenüber der Cousine: „Man muß an allem zweifeln.“ Nur in diesem Fragebogen begegnen wir auch der einschmeichelnden Maxime: „Nichts Menschliches ist mir fremd.“

Die Marx-Zitate in ihrer Gesamtheit zeigen uns, daß Engels mit seiner Feststellung am offenen Grabe von Marx ins Schwarze traf, als er sagte, „Marx war vor allem Revolutionär“, der namhafteste Kommunist. Wie ist er zum Revolutionär, zum Kommunisten geworden? War es das gesellschaftliche Sein, das sein Bewußtsein bestimmt hat? Oder war es nicht umgekehrt?

Im Urteil des Vaters war Marx ein zerrissener, von Dämonen beherrschter Mensch

Er war der geborene Revolutionär. Dafür spricht alles, was vom jungen Marx auf uns gekommen ist – aus seiner und aus der Feder des Vaters. In der DDR wurde Marx amtlich als „Größter Sohn des deutschen Volkes“ gefeiert. Doch von den zahlreichen Jugendgedichten hat man nicht eines als Lesestoff für die Schüler ausgewählt, auch nicht „Des verzweifelten Gebet“: „Einen Thron will ich mir auferbauen, / Kalt und riesig soll sein Gipfel sein“.

Kostproben väterlicherseits aus demselben Jahr 1837: „Ich lasse Dir viel Gerechtigkeit widerfahren, aber ich kann mich nicht ganz des Gedankens entschlagen, daß Du nicht frei von Egoismus bist, etwas mehr als zur Selbsterhaltung nötig (…) Die erste aller menschlichen Tugenden ist die Kraft und der Wille, sich zu opfern, sein Ich hintanzusetzen, wenn Pflicht, wenn Liebe es gebeut (…) Lebe wohl, mein lieber Karl, und halte mich immer so lieb, wie Du sagst, doch mache mich mit Deinen Schmeicheleien nicht rot.“ Am Jahresende: „Ich will und muß Dir sagen, daß Du Deinen Eltern vielen Verdruß gemacht und wenig oder keine Freude.“ Die letzten Zeilen des todkranken Mannes an seinen ältesten Sohn: „Ich bin erschöpft, lieber Karl, und muß schließen.“

Das Porträt, das uns die Briefe skizzieren, zeigt mit den Worten des Vaters einen „zerrissenen“, von „Dämonen“ beherrschten Menschen, der in seine eigenen finstern Gedanken eingesponnen lebt, der Welt, auch der eigenen Familie „entfremdet“.

Statt das Glas zu erheben, hat sich vor 59 Jahren die SPD mit dem Godesberger Programm diskret von ihrem „großen Führer“ verabschiedet.

Der Himmel im Marxismus – mit Stacheldraht verhangen: Detailaufnahme eines kommunistischen Gulags in Rumänien Foto: picture alliance / AP Photo
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag