Am 4. Juli hat der Bundesrat eine Gesetzesinitiative der unionsgeführten Bundesländer Saarland, Hessen und Thüringen nach erregter Debatte vertagt, die gewerbliche Suizidbeihilfe unter Strafe stellen sollte. Die Antragsteller der Gesetzesinitiative sehen dringenden Handlungsbedarf, da sich in Deutschland eine „mit erheblichen Gefahren verbundene Entwicklung“ abzeichne, „die zum Ziel habe, Suizidbeihilfe in gewerblicher und/oder organisierter Form anzubieten … Es widerspricht dem Menschenbild des Grundgesetzes, wenn mit dem Suizid und mit dem Leid anderer Menschen Geschäfte gemacht werden“. Der Bundesrat ist dem Antrag leider nicht gefolgt. Tröstlich ist, daß der SPD-Vorsitzende Kurt Beck davon spricht, daß es „keine grundsätzlichen Unterschiede“ in der Frage das Schutzes von Leben und Würde des Menschen gegeben habe. Erhalten aber durch diese Vertagung nicht solche Organisationen wie Dignitate oder der Sterbehilfeverein von Roger Kusch einen gewissermaßen zeitlich begrenzten Freibrief für weitere Aktivitäten? Wie aggressiv und menschenverachtend das provokante Vorgehen solcher Organisationen ist, zeigt der Medienauftritt des ehemaligen Hamburger Justizsenators Kusch. Er versucht, die soziale Notlage einer vereinsamten fast 80jährigen Frau zu Zwecken der Selbstdarstellung auszunutzen. Kusch gibt an, der betreffenden Frau, die weder unheilbar krank war noch unter unkontrollierbaren Schmerzen litt, bei ihrer Selbsttötung mit einem Medikamentencocktail beigestanden zu haben. Der ehemalige Justizsenator reist nicht nur mit einer Selbsttötungsmaschine durch Altenheime, er hat sogar einen Sterbehilfeverein gegründet, dessen Mitglieder eine Aufnahmegebühr und einen Jahresbeitrag von 100 Euro zu zahlen haben. Dignitate kündigt schon seit einiger Zeit an, einen Präzedenzfall in Deutschland zu schaffen, um den Gesetzgeber zu zwingen, aktive „Sterbehilfe“ zu erlauben. Bisher hat man sich wenigstens dahinter versteckt, „lediglich“ unheilbar kranken Menschen ihr Leiden verkürzen zu wollen. Doch Roger Kusch geht weiter. Er verhilft einer Frau, die „panische Angst“ davor hat, in ein Pflegeheim übersiedeln zu müssen, mit einem tödlichen Cocktail zum Tod. Welches Signal wird da gesetzt? Ist das nicht ein Schlag ins Gesicht für alle Alten-und Pflegeheime, für die Hospizbewegung, ja letztendlich für alle, die sich rührend um alte und kranke Angehörige kümmern? Wird hier nicht ein Bild vermittelt, daß man als alter, einsamer Mensch keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft hat? Gibt es wirklich bei uns keine Solidarität mehr mit alten und kranken Menschen? Müssen sie im wahrsten Sinne des Wortes „Todesangst“ vor dem Alter, vor einem Altenheimaufenthalt haben? Wenn das so wäre, dann werden die „Sterbehelferorganisationen“ Hochkonjunktur haben. Die demographische Entwicklung in Deutschland geht dahin, daß immer weniger junge für immer mehr ältere Menschen sorgen müssen. Der Druck auf die Alten und Kranken wächst, der jungen Generation nicht unnötig zur „Last“ zu fallen. Es ist sehr befremdlich, wenn ausgerechnet der Vorsitzende des neuen Deutschen Ethikrates, Edzard Schmidt-Jortzig (FDP), den Gesetzesvorstoß zum Verbot von gewerblicher Sterbehilfe mit den Worten ablehnt, daß grundsätzlich nichts falsch daran sei, daß „Organisationen wie die des Hamburger Ex-Senators Roger Kusch Menschen auf dem Weg zum Suizid begleiten, wenn der Betroffene in einem persönlichen Abwägungsprozeß zu der Erkenntnis kommt, sein Leben beenden zu wollen.“ Außerdem befürchtet Schmidt-Jortzig einen Sterbehilfe-Tourismus nach Holland oder in die Schweiz. Nur: Diese Argumentation kennen wir schon allzu gut von der Abtreibungsdebatte. Statt sich Gedanken zu machen um die Förderung und Verbesserung der verschiedensten Hilfseinrichtungen, die den letzten Lebensabschnitt eines Menschen erleichtern und mit menschlicher Nähe humaner gestalten können, denkt man daran, wie Menschen ihrem Leben „besser“ ein Ende setzen können. Damit sind wir auf einem absoluten Tiefpunkt menschlicher Solidarität angekommen. Solidarität mit Kranken und Alten muß gerade am Ende des Lebens sichtbar werden. Wenn dagegen ein „Sterbehelfer“ den Tod durch die Hand eines Menschen sogar auf Video aufzeichnet, um nachher eine Imagekampagne für sich selbst zu starten, darf es dafür kein Verständnis eines Ethikrat-Vorsitzenden geben. Vielmehr sollte dieses Vorgehen Kuschs unsere Gerichte beschäftigen. Gleichzeitig muß man dann prüfen, ob man seinem Sterbehilfeverein nicht auch die Gemeinnützigkeit entzieht. Wir müssen die Bereitschaft, das Töten gesellschaftsfähig zu machen, sofort und nachhaltig stoppen – gerade damit alte Menschen keine Angst vor ihren letzten Lebensjahren haben müssen! Wir fordern vom Gesetzgeber ein rasches Handeln und ein klares Zeugnis für das Leben und gegen die gewerbliche Suizidhilfe.