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Wählen gehen?

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Am 18. September werde ich wählen gehen, obwohl ich unsere gegenwärtige Demokratie für defizitär halte. So werden das Recht auf eigene Meinung und das Recht auf Eigentum durch ein totalitäres Machtprinzip ausgehöhlt, welches es einer Mehrheit erlaubt, sich auf Kosten einer Minderheit zu bereichern und dieser Minderheit Rede- und Diskriminierungsverbot zu erteilen. Der Wahlgewinner wird unmittelbar nach der Wahl die Mehrheit mit „dem Wähler“ und dem „Volkswillen“ identifizieren und sich legitimiert sehen, Politik auf Kosten derer zu machen, die ihn nicht gewählt haben, meistens aber auch auf Kosten derer, die ihn gewählt haben. Warum soll ich dann überhaupt wählen? Und warum sollte ich meinen Protest gegen dieses erstarrte System nicht durch Wahlenthaltung ausdrücken? Ganz einfach, weil ich als Gefangener dieses Systems wohl oder übel das kleinere Übel wählen muß. Wenn ich als Freund von Freiheit, Eigentum, Selbstverantwortung und christlichen Grundwerten das Wählen denjenigen überlasse, welche sich gerne versklaven, auf Kosten anderer oder sittenlos leben wollen, werden ich und meine Gesinnungsgenossen sich vielleicht dereinst ärgern, daß sie nicht wenigstens versucht haben, das Zünglein an der Waage zu sein. Ebensowenig bringt es meines Erachtens, irgendwelche Extremsozialisten mit dem Kalkül zu wählen, daß die das Land erst einmal gegen die Wand fahren sollen, damit es dann bergauf geht. Denn wer sagt mir, daß „der Wähler“ die richtigen Schlüsse zieht, wenn der Karren im Graben steckt? Vielleicht zieht der Wähler den Karren ja vom Graben in die tiefe Schlucht nebenan. Das Risiko möchte ich nicht eingehen. Daher empfehle ich jedem, das zu wählen, was seinen Vorstellungen am nächsten kommt. Und er sollte versuchen, darauf hinzuwirken, daß die Partei seiner Wahl sich in seinem Sinne verändert. Björn Tscheridse ist freier Journalist und arbeitet als Deutschlehrer in Alexandria (Ägypten). Warum ich nicht zur Wahl gehe, hat formale und inhaltliche Gründe. Der formale ist, daß ich diese Wahl für ungesetzlich halte. Daran ändert auch das 8:1-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts, das den Weg zur Neuwahl aufgrund eines manipulierten Mißtrauensvotums freigemacht hat. Im Gegenteil, es bestärkt mein Gefühl, daß unsere Politik vollständig beherrscht wird von einer Klasse von Berufspolitikern, zu denen auch die Berufsbeamten und politisch bestimmten Richter gehören. Wie kann man den Bürgern Achtung vor den Gesetzen abverlangen, wenn sie sehen, wie die politische Klasse mit dem Grundgesetz nach Gutdünken umgeht? Insofern ist die Wahlverweigerung auch ein stummer Protest gegen diese Art von politischer Willkür. Über den formalen Aspekt hinaus ist hier auch der Kern unseres politischen Systems betroffen, das ich von Grund auf für reformbedürftig halte. Doch Fragen der politischen Struktur werden in diesem Wahlkampf nicht angesprochen, weil sich die politische Klasse in den bestehenden Strukturen wohlig eingerichtet hat. Denn das Interesse der Parteien und Berufspolitiker ist in erster Linie eins: an die Macht zu kommen und dort zu verbleiben. Man könnte diese unheilvollen Strukturen mit drei mutigen Reformen aufbrechen: Erstens muß dem Volk die Möglichkeit gegeben werden, auch zwischen den Wahlen „seine Stimme zu erheben“ durch Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden. Die Beschränkung des Mandats auf zwei Legislaturperioden verhindert das Entstehen einer Kaste von Berufspolitikern. Drittens wird eine radikale Reduzierung der staatlichen Parteienfinanzierung den übermächtigen Einfluß der Parteien auf ein gesundes Maß beschränken. Nur mit solchen strukturellen Reformen wird auch eine bessere, an den Interessen der Bürger ausgerichtete Politik möglich sein. Solange das nicht angegangen wird, lohnt es sich nicht, zur Wahl zu gehen. Dr. Werner Peters ist Vorsitzender und Begründer der Partei der Nichtwähler ( www.parteidernichtwähler.de ).

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