Die Geschichte von Samson und Dalilah spielt in Gaza – es ist biblisches Land, daher sind die meisten der etwa 8.000 israeli-schen Siedler, die seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 hier ansässig geworden sind, zutiefst religiös. Folgerichtig empfinden sie ihre bevorstehende, möglicherweise gewaltsame Evakuierung nicht nur als politischen Akt, sondern auch als tiefen Einschnitt in ihren Glauben und in ihre gottbefohlene Mission. Sie Jahr für Jahr vor dem Terror zu bewachen, hat den israelischen Wehretat jährlich mit Millionen-Beträgen belastet, ohne die Welle der Gewalt völlig aufzuhalten. Andererseits ist der Gaza-Streifen aus arabischer Sicht ein einziges riesiges Armenhaus, ein Lager mit der weitaus größten und zugleich ärmsten Bevölkerungsdichte in ganz Palästina. Die religiösen Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad haben hier ihren natürlichen Nährboden – und die Mehrheit der Wählerstimmen. Ariel Scharons Entschluß, die Siedler aus Gaza abzuziehen, hat in diesem Kontext wahrlich historische Bedeutung. Wird von Gaza auch nach dem Rückzug Terror ausgehen, wird Scharon viel rücksichtsloser zurückschlagen als bisher – denn er wird auf die Sicherheit der Siedler keine Rücksicht nehmen müssen. Wird es aber still in Gaza, wäre die erste Bedingung der „road map“, des internationalen Friedensplans, erfüllt – nämlich ein Ende des Terrors. Der israelische Rückzug kann also gleichsam eine Eskalation der Gewalt mit sich bringen oder einen Funken Friedenshoffnung, je nach Grad der Rationalität zukünftigen palästinensischen Verhaltens.