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In die verhärteten Fronten des Parteienstreits um eine Volksabstimmung über die neue EU-Verfassung könnte Bewegung kommen. Darauf deuten Bemerkungen von SPD-Chef Franz Müntefering hin, der ein Referendum in dieser Frage nicht mehr ausschließt. Doch vermutlich handelt es sich bei dem Vorstoß um ein Ablenkungsmanöver mit dem Ziel, die zerstrittene Opposition vorzuführen. Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer hatten ein Referendum bisher strikt abgelehnt. Der Außenminister sprach von einer „populistischen Falle“. Schröder wies darauf hin, daß das Grundgesetz keine Volksabstimmung vorsehe. Doch als immer mehr europäische Regierungen Referenden ankündigten, gerieten die Berliner Regierungsparteien unter Druck. Dem Volk schien kaum noch zu vermitteln, daß die Franzosen mündig genug sind, über die Verfassung abzustimmen, die Deutschen aber nicht. Für zusätzlichen Druck sorgte CSU-Chef Edmund Stoiber, der ebenfalls für ein Referendum eintritt. Die CDU ist aber dagegen, die FDP wiederum dafür. Im Unterschied zu Schröder, den das politische Gespür längst verlassen hat, nimmt Müntefering die Volksmeinung noch zur Kenntnis. Der SPD-Vorsitzende sieht, daß seine Genossen in Umfragen beim Wähler auf dem Tiefpunkt von rund 25 Prozent angekommen sind und wenig für einen Wiederaufstieg in kürzerer Frist spricht. Die kommenden Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen und in Brandenburg sowie die nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen dürften der SPD erneut starke Verluste bescheren. Zu groß ist der Ärger über Hartz IV, die Gesundheitsreform und eine insgesamt gescheiterte Politik des rot-grünen Bündnisses. Da bietet es sich an, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ein „weiches“ Thema zu ziehen – die Volksabstimmung. Die Referendums-Problematik birgt genug Sprengstoff, um als Koalition damit eine Zeitlang über die Runden zu kommen. Rot-grüne Politik dieser Tage besteht im wesentlichen darin, mit politischen Luftballons Ablenkungsmanöver zu inszenieren. Müntefering und Schröder warten auf einen günstige Gelegenheit, die dem dahintreibenden Regierungsschiff wieder Wind in die Segel bläst. Das kann ein Krieg, eine Flut oder ein anderes die Welt oder wenigstens die Deutschen in Atem haltendes Ereignis sein. Bis dahin werden die Bürger mit den schönsten Blüten aus dem politischen Themen-Sumpf erfreut. Dieser Fall liegt bei den Volksabstimmungen vor. SPD und Grüne haben schon seit längerem einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Bürgern in beschränktem Umfang direkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll. Das Projekt scheiterte bisher am Widerstand der CDU, deren Zustimmung für die Grundgesetzänderungen notwendig wäre. Auch die CSU will Volksabstimmungen auf Bundesebene nur auf wenige Möglichkeiten beschränken. Dazu gehörte aus ihrer Sicht eine Abstimmung über die EU-Verfassung. Volksentscheide zu innenpolitischen Fragen lehnt die CSU hingegen weiterhin ab. Jetzt wollen Müntefering, aber auch Grünen-Chef Reinhard Bütikofer, den Entwurf der Regierungskoalition reaktivieren und stellen dabei in Aussicht, bei einer Verabschiedung des Gesetzes könne man zugleich über die EU-Verfassung abstimmen lassen. Das taktische Spiel von Rot-Grün bringt die Union natürlich in Schwierigkeiten. Unvergessen ist der Spruch des CDU-Europapolitikers Peter Hintze, der nach Ankündigung des französischen Referendums davor warnte, die Erfolge bei der europäischen Einigung aufs Spiel zu setzen. Auch CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer stellte nur in Aussicht, die Unionsfraktion werde bei ihrer Klausurtagung über das Thema diskutieren. Die Parteivorsitzende Angela Merkel ist auf Tauchstation. Es gibt in der CDU eine starke Gruppierung, die sich das Ziel auf die Fahnen geschrieben hat, die Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union aufgehen zu lassen. Ihr Wortführer ist neben Hintze der Europaabgeordnete Elmar Brok. Diese Leute haben längst erkannt, daß Volksabstimmungen der Hebel sein können, um die Souveränität Deutschlands zu erhalten statt zu schwächen. Das zeigt Hintzes Reaktion auf das Referendum in Frankreich. Münteferings Spiel scheint nun darin zu bestehen, sich als Wahrer des Volkswillens aufzuführen, obwohl sich die Begeisterung der SPD über ein Verfassungs-Referendum in Grenzen halten dürfte. Die Genossen warten nur darauf, daß CDU und CSU in dieser Frage übereinander herfallen und damit dem Wähler ihre Regierungsunfähigkeit bescheinigen. Der Konflikt könnte die eigentlich wichtigen Themen wie Arbeitsmarkt und soziale Sicherheit in den Hintergrund drängen. Die Union wäre mit sich selbst beschäftigt, wie das bereits bei der Gesundheitspolitik der Fall ist, wo Merkel und Stoiber sich über die Kopfpauschale streiten und die SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt machen kann, was sie will. Und was ist, wenn es aus Versehen doch zu einer Volksabstimmung über die EU-Verfassung kommen und die Befragten Nein sagen sollten? Kein Problem für die politische Klasse. Man läßt das Volk einfach noch einmal abstimmen. Das Beispiel Dänemark beim Vertrag von Maastricht hat es gezeigt.

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