Fahrerfahrung ist der beste Unfallschutz. Diesen Leitsatz beherzigt das Modell „Begleitetes Fahren ab 17“. Mit Begleitetem Fahren erwerben Fahranfänger bereits vor der selbständigen Verkehrsteilnahme mit dem Auto viel Fahrroutine. Da sich dies in einem geschützten Kontext vollzieht, setzen sie sich weitaus geringeren Unfallrisiken aus, als Fahranfänger, die sofort nach einer vergleichsweise kurzen Fahrausbildung den Sprung ins kalte Wasser der selbständigen Verkehrsteilnahme machen. Nach dem Erfahrungsaufbau durch das Begleitete Fahren liegt das Unfallrisiko, aufgrund der gewachsenen Fahrkompetenz, deutlich unterhalb des Einstiegsrisikos eines normalen Fahranfängers. Der Umfang der Risikoverringerung durch Fahrpraxis wurde auf der Grundlage von Unfalldaten deutscher Fahranfänger berechnet: so sinkt das Anfangsrisiko bereits nach neun Monaten auf die Hälfte, nach 2,6 Jahren auf ein Restrisiko von 10 Prozent. Bisher ist keine Maßnahme bekannt, die das Unfallrisiko in ähnlich großem Umfang verringern würde. Deshalb ist es folgerichtig, den fahrpraktischen Erfahrungsaufbau in einen Maßnahmenansatz einzubauen und ihn als eine „natürliche“ Lernquelle für eine Absenkung des Einstiegsrisikos zu nutzen. Begleitetes Fahren ist zwar neu für Deutschland – es ist aber nichts Exotisches. In einer Reihe europäischer Länder wird es bereits seit Jahren mit großem Erfolg und mit wachsenden Teilnehmerzahlen praktiziert. Seine unfallreduzierende Wirkung wurde am umfassendsten in Schweden nachgewiesen. Dort zeigte sich: Fahranfänger mit einer fahrpraktischen Vorerfahrung von 5000 km und 110 bis 120 Praxisstunden haben ein bis zu 40 Prozent geringeres Risiko als Fahranfänger mit der üblichen „Kurzausbildung“. Aber auch die Erfahrungen in den anderen Ländern machen klar: wer sich fahrpraktisch längerfristig vorbereitet hat, ist am Anfang des selbständigen Fahrens kein „Wackelkandidat“ mehr. Georg Willmes-Lenz ist Geschäftsführer der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)-Projektgruppe „Begleitetes Fahren“. Er soll die Zahl der verletzten und getöteten Fahranfänger reduzieren, so die Befürworter des eiligen Vorstoßes. Der AvD hält dies für eine populistische Meinung, die durch keinerlei Fakten abgesichert ist, und spricht sich gegen das „Begleitete Fahren“ und den damit verbundenen Führerschein ab 17 aus, weil das Fahren mit einem Weisungsberechtigten keinerlei Einfluß auf die allgemeine Reife hat – im Gegenteil: speziell bevorzugte Jugendliche, deren Eltern sich das „Begleitete Fahren“ leisten können, müssen später innerhalb ihrer jugendlichen Gruppierungen als Fahrer für die Diskotouren herhalten und sind leicht Opfer des noch ungefestigten Selbstbewußtseins. Für zwölf Monate Zeitgewinn werden manche ohnehin überforderten Eltern mit schlechtem Vorbildverhalten im Verkehr zukünftig ihren Kindern beim „Begleiteten Fahren“ pflichtbewußt und vor allem pädagogisch wertvoll zur Seite stehen, obwohl ihre Eignung kaum geprüft wird. Sie haben nach den Plänen keine Zweit-Pedalerie und dürfen nicht zu Handbremse und ins Lenkrad greifen. Der Führerschein ab 17 wird das Unfallgeschehen um ein Jahr nach vorn verlagern, ohne die nachfolgenden Jahre positiv zu beeinflussen, die Statistik wird schlechter. Auch biologische Kriterien gelten: Die Erweiterung des Gesichtsfeldes von Jugendlichen ist mit 14 noch nicht abgeschlossen, synchrones und asynchrones Handeln mit Armen und Beinen im Sport oder auch durch Instrumentalunterricht erst im Alter vor 20 Jahren ausgereift – beides sind grundlegende Voraussetzungen zum Fahren. Das Training soll auf öffentlichen Straßen stattfinden, weil weder Verkehrsübungsplätze noch ein zielführender Verkehrsunterricht von der Politik gefördert werden. Der Führerschein ab 17 soll auf völlig unabgesicherter Basis ausgerechnet im gefährlichsten Segment des Alltags ausprobiert werden – der Bundesrat sollte diesem unqualifizierten Versuch des Stimmenfangs vor Landtagswahlen sein Nein entgegensetzen. Wolfgang-Ernst Fürst zu Ysenburg und Büdingen ist Präsident des Automobilclubs von Deutschland e.V. (AvD).