Die Wehrpflicht bietet unbestritten Vorteile, die mit ihrer Abschaffung verloren gehen würden: ein großer Teil der Zeitsoldaten und des Führungsnachwuchses der Bundeswehr rekrutiert sich aus Grundwehrdienstleistenden, die während ihres Dienstes angeworben werden und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten mitbringen. Auch produziert nur die Wehrpflicht in großem Umfang Reservisten, die die notwendige Aufwuchsfähigkeit für den Fall einer direkten territorialen Bedrohung sicherstellen. Andererseits ist bereits die jetzige Wehrdienstdauer von zehn Monaten für die Ausbildung einsatzfähiger Soldaten nicht mehr ausreichend. Eine alle Extremsituationen militärischer Einsätze umfassende Ausbildung im Rahmen der Wehrpflicht ist kaum noch zu praktizieren. Nur gut ausgebildete Zeit- und Berufssoldaten können alle Anforderungen erfüllen, die von den komplexen Aufgaben der heutigen Sicherheitspolitik gestellt werden. Gefragt ist künftig immer stärker das Profil des „Expeditionssoldaten“ (Helge Hansen). Nur gut ausgebildete, modern ausgerüstete Streitkräfte, organisiert in kleinen, hochbeweglichen Verbänden, haben in modernen Konflikten Erfolgsaussichten. Diesem Anforderungsprofil entspricht am ehesten eine Freiwilligenarmee. Das würde nichts am Prinzip der Inneren Führung und des Bürgers in Uniform ändern. Die Bundeswehr ist und bleibt eine in der Demokratie fest verankerte Armee. Der Einsatz von Streitkräften unterliegt heutzutage ohnehin einem hohen öffentlichen Rechtfertigungsdruck. Ferner wird mit der bevorstehenden Öffnung der Bundeswehr für Frauen die Wehrpflicht juristisch angreifbar. Eine Aussetzung der Wehrpflicht in ihrer jetzigen Form liegt daher nahe. Die jüngsten Vorschläge aus den Reihen der CDU/CSU, die Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee umzubilden und mit Hilfe eines militärischen Kurzdienstes zusätzlich eine Milizkomponente aufzustellen, weisen in die richtige Richtung. Kristian W. Tangermann ist Landesvorsitzender der Jungen Union in Niedersachsen. Bei der Entscheidung für die Beibehaltung der Wehrpflicht sind vor allem sicherheitspolitische, aber auch gesellschaftspolitische Aspekte zu berücksichtigen gewesen. Der Auftrag der Bundeswehr bleibt grundsätzlich unverändert. Vorsorge für die Landesverteidigung bleibt nach unserer Verfassung die einzige Legitimation für die Streitkräfte. Der eventuell notwendige Verteidigungsumfang der Bundeswehr kann nur mit der Beibehaltung der Wehrpflicht erreicht werden. Die Wehrpflichtarmee ist die vitalere Armee. Sie beugt Verkrustung und Entfremdung der Streitkräfte gegenüber der Gesellschaft vor. Die Wehrpflichtigen bringen ein breites Spektrum an Einstellungen und Anschauungen in die Truppe ein. Fast 50 Prozent des Nachwuchses an Offizieren und Unteroffizieren der Bundeswehr werden aus den Reihen der Wehrpflichtigen gewonnen. Dies trägt dazu bei, daß der Soldat als „Staatsbürger in Uniform“ fest in der Gesellschaft verankert bleibt. Die Befürworter für die Aussetzung oder Abschaffung der Wehrpflicht führen die mangelnde „Wehrgerechtigkeit“ ins Feld. „Dienstgerechtigkeit“ ist meines Erachtens der bessere Begriff, da auch die Zivildienstleistenden der allgemeinen Wehrpflicht genügen. Der Dienst an der Gemeinschaft, wie sie der Wehr- und Zivildienst darstellen, ist ein hohes Gut unserer Solidargemeinschaft. Der Wert einer Gesellschaft bemißt sich aus meiner Sicht auch an dem Grad persönlicher Freiheit, welche die Gesellschaft dem einzelnen Bürger bieten und schützen kann. Auch die Erfahrungen unserer Bündnispartner mit der Abschaffung der Wehrpflicht bestärken mich darin, an der jetzigen Wehrform festzuhalten. In einigen Ländern mußten die Leistungskriterien für den Eintritt in die Streitkräfte abgesenkt werden, da nicht genügend qualifizierte Bewerber zur Verfügung standen. Eine Bundeswehr mit Berufs- und Zeitsoldaten sowie Wehrpflichtigen ist in ihrer Qualität jeder Berufsarmee überlegen. Peter Zumkley ist SPD-Bundestagsabgeordneter und Verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion.