Wie im Urlaub kommentierten zahlreiche Bankkunden den Umtausch der alten D-Mark-Scheine in das neue Eurogeld. Zu schön bunt und fremdländisch muteten die neuen Banknoten an. Entsprechend fröhlich gestimmt war auch die erste Kauflaune der Konsumenten. Der übliche Konsumeinbruch zum Januar blieb vorerst weitgehend aus und die Umsätze des Einzelhandels schlossen sich nahtlos an den Umfang der Weihnachtseinkäufe an. Der Reiz des Neuen hat die Deutschen zum schnellen Adieu zur D-Mark animiert. „Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu ändern ist“, wußte schon die Operette zu singen. Der reibungslose Übergang zum Euro ersetzt jedoch weder den nach wie vor fehlenden Konjunkturaufschwung noch die Lösung der unerledigten Probleme einer umfassenden Strukturreform, kurz die Wende in der deutschen Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitik, der öffentlichen Sozialpolitik und nicht zuletzt der Bildungspolitik. Die im Europavergleich immer noch als besonders diszipliniert einstufbaren Deutschen haben den unvermeidlichen Euro schnell adoptiert und – wie es momentan scheint – sich auch nicht aufgrund der optisch gesunkenen Preise zu übermäßigen Kaufabenteuern hinreißen lassen. Wenn dies in Einzelfällen passiert ist, wird die Strafe in Form der nächsten Lohnüberweisung noch in diesem Monat folgen. Die Euro-Euphorie hat eher die Politiker ergriffen, die nun schon das Ende des Konjunkturdramas eingeläutet hören wollen. So tönt der Bundesfinanzminister aus dem fernen China, daß „Rezession kein Thema mehr“ sei. Aus der Nähe der Daheimgebliebenen sieht es nicht so optimistisch aus. 3,85 Millionen Arbeitslose meldet die Statistik für den Jahresdurchschnitt 2001. Im ersten Monat des neuen Jahres rechnen die Experten mit einer Arbeitslosenzahl über 4,3 Millionen. Von der versprochenen Senkung unter 3,5 Millionen, an der sich der Bundeskanzler messen lassen wollte, ist Deutschland so weit entfernt, wie Eichel von der Realität, der immer noch mit einer regierungsamtlichen Herabsetzung der Wachstumsprognose für das Jahr 2002 zögert. Die Regierung, wie im übrigen die ebenfalls für den Euro mitverantwortliche Opposition, drohen einen schweren Fehler zu begehen, wenn sie die technisch schnelle Umsetzung der Zwangswährung als Wendepunkt des Wirtschaftsabschwungs interpretieren. Selbst der kurze Anstieg bei Wechselkurs des Euros gegenüber dem US-Dollar, nicht mehr als ein respektvoller Applaus für die technisch hervorragend organisierte Umtauschaktion gegenüber der Europäischen Zentralbank, mußte sich schnell wieder den ökonomischen Realitäten beugen. Auf Hilfe aus dem Ausland zu hoffen, ist der zweite Fehler, der in der momentanen Wirtschaftssituation begangen wird. Die Erwartung, in den USA stünde die wirtschaftliche Erholung in der Mitte des Jahres bevor, mag durchaus zutreffend sein. Daraus zwangsläufig auf eine Gesundung der deutschen Wirtschaft zu schließen, ist jedoch vermessen. Vor allem ist die Annahme eines solchen Zusammenhangs eine Ohrfeige für die Verfechter der Eurowährung, die damit Europa endlich aus der wirtschaftlichen Verkettung mit dem Wohl und Wehe der USA zu erlösen versprachen. Sollten die USA tatsächlich schnell wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren, kann dies durchaus auch zu europäischen Nachteilen führen. Denn dann steigen mit hoher Wahrscheinlichkeit die amerikanischen Zinsen wieder an. Damit schrumpft nicht nur der Zinsvorteil der Eurozinsen, so daß der Wechselkurs des Euros wieder unter Abwertungsdruck gerät, es schwindet auch der Spielraum für Zinssenkungen in Europa. Der Wirtschaftsaufschwung wird damit noch schwieriger. Ausländische Hilfe kann es allenfalls im indirekten Sinne von den Euro-Partnerländern geben, wenn diese Deutschland energischer zu Reformen ermahnen. Insbesondere die europäischen Länder, denen an einer monetären Entmachtung Deutschlands gelegen war, weil sie die Dominanz der D-Mark nicht länger ertragen wollten, haben möglicherweise vorher zu wenig bedacht, daß der Euro sie in eine neue Abhängigkeit von Deutschland zwingt. Krankt die deutsche Wirtschaft, dann krankt die Wirtschaft der Euro-Länder. Ist die deutsche Wirtschaft stark, dann partizipieren auch die Euro-Länder davon. Mit zunehmender Erkenntnis dieser Zwangsverbindung könnte der Druck auf die deutsche Wirtschaftspolitik nicht nur seitens der EU, sondern durchaus auch bilateral vor allem durch Frankreich zunehmen. Allerdings hat die deutsche Regierung auch ein unmittelbares Interesse an einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation: Die bevorstehende Bundestagswahl. Für eine echte Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik ist es jedoch zu spät. Bis solche Änderungen durchgesetzt werden und reale Effekte eintreten, vor allem eine Reduktion der Arbeitslosigkeit, vergeht mehr Zeit als ein dreiviertel Jahr. Viel mehr als wirtschaftspolitische Finten und Versprechen wird daher in der Vorwahlzeit nicht zu erwarten sein. Alles, was in den kommenden Wochen diskutiert und möglicherweise sogar durchgesetzt wird, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, warum dies nicht früher geschehen ist. Die Unternehmen, die letztlich für die Beschäftigung zuständig sind, werden sicher kaum Vertrauen gegenüber solch wirtschaftspolitischem Aktionismus entwickeln. Ob das Wahlvolk sich wieder einmal narren läßt?