BERLIN. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch angezeigt. Angeblich habe sie ihn im Bundestag beleidigt und ihm einen Vogel gezeigt. Doch weder Parlamentsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), der die fragliche Sitzung leitete, noch das Protokoll können Lauterbachs Variante bestätigen. Demnach war alles etwas anders.
In einer Strafanzeige bei der Polizei, die dem Spiegel vorliegt, heißt es, von Storch habe nach der Rede des Ministers zum Infektionsschutzgesetz vergangene Woche in Richtung Regierungsbank geschaut, Blickkontakt zu diesem gesucht und laut vernehmlich die Worte „Sie sind völlig irre!“ geäußert. Dazu habe sie eine kreisrunde Fingerbewegung am Rande ihrer Stirn gemacht, was Lauterbach als „einen Vogel zeigen“ interpretiert habe.
Der Minister machte die Anzeige bekannt, indem er auf Twitter den Spiegel-Artikel teilte und dazu schrieb: „Immer wieder Beleidigungen und Bedrohungen durch Mitglieder und Abgeordnete der #NoAfD. Beides gehört zum Politikstil der Partei. Nur konsequentes Anzeigen kann hier helfen.“
Immer wieder Beleidigungen und Bedrohungen durch Mitglieder und Abgeordnete der #NoAfD. Beides gehört zum Politikstil der Partei. Nur konsequentes Anzeigen kann hier helfen. https://t.co/EcxCUzvaUD
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) September 15, 2022
Kubicki: Lauterbach-Anzeige ohne Aussicht auf Erfolg
Die AfD-Politikerin bekommt allerdings Unterstützung von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki. Der FPD-Politiker sagte der Welt, er habe sich aufgrund der Anzeige vom stenographischen Dienst das vorläufige Protokoll bringen lassen. Bei der Lektüre habe er „festgestellt, daß der Zwischenruf lautete: ‚Das ist doch irre‘“. Diese Formulierung sei jedoch „nicht sanktionsfähig, weshalb ich in Übereinstimmung mit der Bundestagsverwaltung keinen Ordnungsruf erteilte“.
Kubicki, der Lauterbach kürzlich selbst attackierte, versichert: Hätte die angezeigte Äußerung im Protokoll gestanden, hätte er „Ordnungsmaßnahmen ergriffen“. Aufgrund dieser Lage sehe er jedoch wenig Aussicht auf Erfolg der Anzeige. Der 70jährige ist Jurist.
Der SPD-Politiker hat in der Anzeige Kubickis Parteifreund, Bundesverkehrsminister Volker Wissing, und die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Soziales, Annette Kramme (SPD), als Zeugen benannt.
Beatrix von Storch kommentierte gegenüber der dpa den Vorfall so: „Lauterbach hat jeden Bezug zur Realität verloren. Das bekräftige ich gern auch noch mal. Seine Corona-Panik ist irrational und zeigt Züge von Besessenheit. Daß er den Meinungsstreit um seine Politik jetzt mit Anzeigen austragen will, zeigt, daß er die Nerven verliert.“
Von Storchs Fraktionskollege Malte Kaufmann sagt, es sei eine „Unverschämtheit“, daß ein Minister seine Partei als „NoAfD“ bezeichnet habe. Von einer Strafanzeige wird er aber absehen. (fh)