Das Herz-Jesu-Fest fiel heuer auf den letzten Sonntag im Juni. Wie jedes Jahr bereitete ich mich mit einer buntgemischten Truppe auf diesen besonderen Tag vor. Rucksäcke wurden mit Speck, Brot und Wein sowie rund 200 Litern Öl bepackt. Am Abend sollten die Gipfel brennen, die Tradition weiterleben. Im Hinterkopf: Auch Peter Tauber wird als historisch interessierter Mensch bei einem Fest zum Entzünden der traditionellen Herz-Jesu-Feuer in Südtirol teilnehmen. Doch eins nach dem anderen.
Am 15. April 1796 errangen napoleonische Truppen in der Schlacht von Dego einen Sieg über das österreichisch-piemontesische Armeekorps. Unmittelbar davon betroffen war auch das weiter nordöstlich gelegene Land Tirol. Daraufhin versetzten die Tiroler Landstände das „Heil’ge Land“ in Kriegsbereitschaft. Dem Vorschlag von Pfarrer Anton Paufler nachkommend, entzündeten die Tiroler im Juni im ganzen Land meterhohe Feuer auf den Berggipfeln. Der Tiroler Landsturm erhielt einen bis dahin noch nie dagewesenen Zustrom an freiwilligen Kämpfern.
Wenige Jahre später gelobten die Tiroler Schützen 1809 erneut den Schwur auf das „Heiligste Herz Jesu“. Wieder schimmerten die stolzen Gipfel hellrot. Der Tiroler Aufstand errang drei Siege gegen das übermächtige bayerisch-französische Heer und befreite das kleine Land vom Besatzer. Erst im späten Herbst desselben Jahres konnte Tirol erneut besetzt werden, bis es nach der Niederlage Napoleons 1814 wieder an Österreich zurückfiel.
Lebendiger Brauch
Abermals politisch aufgeladen wurde das Herz-Jesu-Fest 150 Jahre später. Aktivisten des Befreiungsausschusses Südtirol sprengten in der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1961 demonstrativ 37 Hochspannungsmasten. Große Teile der norditalienischen Industrie waren lahmgelegt. Dieser Sonntag ging als „Feuernacht“ in die Geschichtsbücher ein.
Zurück in die Gegenwart. Obgleich unser Verein mit großer Akkuratesse alles vorbereitet hatte, mußten wir unser Vorhaben abbrechen. Am Vormittag setzten starke Regenfälle ein, die schließlich in stürmische Gewitter übergingen: auf über 2.500 Metern Meereshöhe, mit Kindern und gestandenen Tirolern mit über 70 Jahren, zu gefährlich. Dennoch: entscheidend ist, der Brauch ist auch heute noch im gesamten Tirol verbreitet und lebt weiter. Bemerkenswert ist, daß diese Tradition generationsübergreifend fortgeführt wird. Obgleich ein nicht unwesentlicher Teil über typische Folklore der Alpenregion nicht hinauskommt, ist es von unschätzbarer Bedeutung, daß Jung und Alt gemeinsam diese Tradition weiterleben lassen und sich auf unsere Vorväter und den Glauben besinnen.
Drei Tage vor dem Herz-Jesu-Sonntag ist das „Team Tauber“ in Südtirol angekommen. Der CDU-Generalsekretär spendierte seinem Wahlkampfteam bei der Bundestagswahl ein paar freie Tage in Bozen. Am Freitag abend kam schließlich Tauber selbst direkt aus Berlin angeflogen. Zuvor mußte er seinen „urbanen Masterplan“ unter Dach und Fach bringen. Jünger, weiblicher und bunter, kurzum „moderner“ solle sie werden, die alte CDU.
Bei der CDU nur aufgesetzt
Um so interessanter ist es dann auch, daß sich der CDU-General gleich am ersten Abend in einem Schützenlokal im Pustertal mit Frauen in Dirndln ablichten ließ, die reichlich ausgestattet sind mit Attributen, die Frauen traditionell attraktiv wirken lassen. Zudem ist der Südtiroler Schützenbund das exakte Gegenteil von dem, was Tauber aus parteipolitischen oder persönlichen Gründen so vehement fordert. Bei den Schützen gibt es eine klare Rollenverteilung. Nur ein Mann kann ein Schütze werden. Frauen können Marketenderinnen werden.
Wie ist dieses gespaltene Verhältnis zu Brauchtum, Eigenart und Tradition also zu erklären? Ist es für einen wichtigen Politiker von Deutschlands stärkster Partei erlaubt, sich dafür einzusetzen und sich zu interessieren, solange es außerhalb Deutschlands passiert? Oder war diese Kulturreise nach Südtirol für Tauber einfach nötig, um sein Gewissen zu beruhigen, ein bißchen Kultur zu erleben, während er dabei ist, die eigene abzuschaffen?