BERLIN. Die Unionsparteien und die SPD haben die Möglichkeit von Volksentscheiden auf Bundesebene in ihren Koalitionsverhandlungen ausgeschlossen. „CDU, CSU und SPD haben verabredet, daß wir in dieser Koalitionsvereinbarung keinen Vorstoß zu Volksentscheiden machen“, sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) der Welt.
„Es ist Aufgabe politischer Führung, auch unpopuläre Entscheidungen durchzusetzen, die man für richtig hält. Die Rente mit 67 hätte es mit einer Volksabstimmung nie gegeben.“
Ursprünglich hatte es in einem gemeinsamen strategischen Papier von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, geheißen, das Volk solle „bei europapolitischen Entscheidungen von besonderer Tragweite“ direkt befragt werden. Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte „Referenden in Deutschland zu grundlegenden europapolitischen Entscheidungen“ verlangt. Nach Kritik an dem Vorschlag ruderte Friedrich jedoch zurück.
Streit seit Gründung der Bundesrepublik
De Maizière betonte dagegen, Deutschland sei in seiner Geschichte mit der Ablehnung von Volksentscheidungen gut beraten gewesen. „Das zeigen die grundlegenden Weichenstellungen von der Wiederbewaffnung über die Ostpolitik bis zur Reform der sozialen Sicherungssysteme“, sagte er der Zeitung. „Wir müssen sicherstellen, daß wir in unseren Strukturen der Willensbildung diejenigen begünstigen, die Ja sagen und etwas verändern wollen. Volksabstimmungen begünstigen strukturell diejenigen, die Nein sagen.“
Seit Gründung der Bundesrepublik herrscht Streit über die Einführung von Volksentscheiden nach Schweizer Vorbild. Während die Befürworter im Artikel 20 Absatz zwei des Grundgesetzes die Aufforderung nach einer noch ausstehenden gesetzlichen Regelung sehen, befürchten Kritiker dagegen die Begünstigung populistischer Politik. (FA)