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Geschichtsdidaktik

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Stefan Scheil zog aus dem landläufig gebotenen Geschichtsunterricht hier kürzlich die einzig naheliegende Konsequenz: Das Geschichtsbild sollte nicht dem System politischer Bildung überlassen werden. Zum einen sind die Schulen gar nicht mehr in der Lage, überhaupt noch wesentliche Inhalte zu sichern, zum anderen geschieht das wenige, was geleistet wird, in tendenziös ideologischer Einfärbung. Mit welchem Erfolg?

Zum einen mit der Bilanz, daß sich die geschichtliche Allgemeinbildung – ebenso wie die geographische und naturwissenschaftliche – auf dem niedrigsten Niveau seit Gründung der Bundesrepublik befinden dürfte, und dies, obwohl so viele wie nie durchs Abitur gewunken werden; zum anderen mit der pauschalen Verheißung, dank derzeit erreichter Demokratiestandards und vor allem dank europäischer Integration hätten endlich auch die Deutschen das Gipfelplateau der Weltgeschichte miterklommen, auf dem der große Frieden und der Völkerfrühling verkündet bleibt, wenn es nur weiter gelänge, diesen gegen die böse Rechte, den einzig verbliebenen Feind, zu verteidigen.

Die bundesdeutsche Demokratie als beste aller Welten

Es lohnt ein genauer Blick in die Unterrichtsrahmenrichtlinien, beispielsweise jene Mecklenburg-Vorpommerns, wo der über „Endstation rechts“ und die „Storch-Heinar-Kampagne“ einschlägig profilierte Ex-Linke und Sozialdemokrat Matthias Brodkorb flugs zum Kultusminister avancieren konnte, nachdem sein farbloser Vorgänger zurück aufs Land geschickt wurde. Abgesehen davon, daß die verbindliche Rahmenrichtlinie für das Fach Geschichte genau die richtige Übungsvorlage für Rhetorikseminare abgäbe, die sich mit der Ventilation von Worthülsen und Allgemeinplätzen befassen, offenbart sie doch symptomatisch, auf welche politische Schwerpunktsetzung es ankommt.

Schon im ersten Themenkomplex für die Abiturstufe – „Herrschaft und Partizipation der Vormoderne“ – wird die Zielstellung klar, indem die bundesdeutsche Demokratie, mithin die beste aller denkbaren Welten, bereits in antiken Ursprüngen angelegt scheint, die nicht weiter differenziert werden: „Der heutige demokratisch-parlamentarisch regierte Staat führt sich nominell und historisch bis auf die antike Demokratie zurück und hat andere vormoderne Formen der Herrschaft im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa verdrängt.“

Reduktion des Kaiserreichs auf Imperialismus und Militarismus

Überhaupt rang nach Darstellung der Rahmenrichtlinien das Gute geschichtlich stets dergestalt mit dem Bösen, daß alles Autoritäre, Traditionelle und vor allem der Ausbund des Ungerechten und Schrecklichen, die Diktaturen, glücklicherweise dem stets so mündig wie couragiert handelnden Bürgern immer wieder unterlagen. Zum besonderen Problemfeld wird dabei unweigerlich das Kaiserreich ab 1871. Es ist den Didaktikern ein reines Ärgernis. Leider, leider, so die Diktion, unterbricht es das europäisch-demokratische Kontinuum, das mit der Französischen Revolution so verheißungsvoll begonnen hatte, also erscheint es atypisch und hochproblematisch. Zudem: „Die Stärke nationaler Orientierungen und nationalistischer Bewegungen hält bis in die Gegenwart an, ebenso die Brisanz des damit erzeugten Konfliktpotentials.“

Offenbar unfreiwillig wird die Geschichte des Kaiserreiches von den Kultusbürokraten durchweg in einen Nexus mit dem Dritten Reich gestellt, wie ihn die Nazis selbst zu vermitteln versuchten, wenn sie Friedrich den Großen, Bismarck, Hindenburg und Hitler traut vereint auf eine Propaganda-Postkarte druckten. Nach den vom Verband der Geschichtslehrer Deutschlands vereinbarten „Bildungsstandards“ sollte für das Kaiserreich allein der „Zusammenhang von Nationalismus, Imperialismus und Militarismus“ in Anschlag zu bringen sein.

Loblieb auf EU und Globalisierung

Hier wie in der Rahmenrichtlinie ist also gar keine Rede von der demokratischen Verfaßtheit des Reiches, von den erfolgreichen Lösungsversuchen der sozialen Frage, von Kunst, Kultur und Wissenschaft oder gar von der Jugend- und Reformbewegung der Jahrhundertwende, dafür um so mehr von Hereromassaker, Boxeraufstand und Hunnenrede. Statt zu Einstein, Planck und Siemens, statt zu Jugendstil, Berliner Secession und Expressionismus soll allein der Zusammenhang zu „Nationalismus und Rechtsextremismus in Europa“ hergestellt werden.

Weil wegen der pathologisch anmutenden Erblast deutscher Geschichte alles unweigerlich ins Grauen führte, denn das Bürgerbewußtsein versagte gegen die perfide Propaganda der Rechten ausnahmsweise weitgehend, wird um so höher das Loblied auf EU und Globalisierung angestimmt. Die Richtlinie fordert: „Entwicklung eines EU-Bewußtseins, einer europäischen Identität und von Leitbildern einer europäischen Integration.“ Das alles ist, pauschal betrachtet, sicherlich gut gemeint, aber gibt ein Beispiel für die Instrumentalisierung und Simplifizierung der Geschichte und verkürzt sie auf einen teleologisch veranschlagten Durchlauf, der bei der gepriesenen derzeitigen Gestalt von Politik ankam und dort unbedingt verharren sollte. Aber – panta rhei – bisher kam das noch nicht vor.

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