SCHWERIN. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Norbert Nieszery, hat den Schriftsteller Günter Grass gegen Antisemitismusvorwürfe in Schutz genommen. „Der reflexartig erhobene Vorwurf des Antisemitismus gegen jeden, der Israel kritisiert, ist intellektuell erbärmlich und politisch unredlich“, sagte Nieszery.
Grass hatte in einem in mehreren Tageszeitungen erschienenen Gedicht die israelische Iran-Politik scharf kritisiert und dem jüdischen Staat vorgeworfen, den „ohnehin brüchigen Weltfrieden“ zu gefährden. Gleichzeitig forderte er, Israel und der Iran müßten ihre Atomwaffen beziehungsweise ihr Atomprogramm für internationale Kontrolleure öffnen.
Politiker von CDU, SPD, FDP und Grünen sowie der Zentralrat der Juden in Deutschland hatten mit Empörung auf Grass’ Äußerungen reagiert und ihm unter anderem vorgeworfen, antisemitische Klischees zu vertreten.
Reflexhaftes Schwingen der Antisemitismuskeule
Nieszery verteidigte am Donnerstag Grass gegen seine Kritiker: Dessen Appell stehe in einer klaren humanistischen Tradition, betonte der SPD-Fraktionschef. Die Forderung nach atomarer Abrüstung, egal gegenüber welcher Nation, sei für die gesamte Menschheit von existentieller Bedeutung. Grass befürchte, daß die Deutschen sich aus falsch verstandener Wiedergutmachung an Israel heraus mitschuldig an einem Atomkrieg im Nahen Osten machten, erläuterte der SPD-Politiker.
Er verstehe daher nicht, „warum es heute immer noch nicht möglich ist, Kritik an Israel zu üben, ohne dafür mit der Antisemitismuskeule verdroschen zu werden und ein entsetztes Aufheulen der vermeintlichen Gutmenschen zu provozieren“. Dieser Reflex sei „so stark im deutschen Schuldstolz verankert, daß auch Grass’ deutliches Bekenntnis zu Israel von derlei Kritikern schlicht ignoriert wird“.
Nieszery stellte sich mit seinen Äußerungen auch gegen die offizielle Position seiner Partei zu dem Vorgang. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hatte am Mittwoch Grass’ Gedicht als „irritierend und unangemessen“ kritisiert. (krk)