BERLIN. Mehrere türkische Attentäter, die für ein Massaker an Aleviten in der Türkei mitverantwortlich sind, genießen in Deutschland Asyl. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor.
Im Sommer 1993 kam es im zentraltürkischen Sivas während eines alevitischen Festes zu Spannungen mit der sunnitischen Mehrheit, die sich am 2. Juli in einem islamistischen Pogrom entluden. Nach dem Freitagsgebet wurden Aleviten von aufgebrachten Sunniten in einem Hotel eingeschlossen, das in Brand gesteckt wurde. In den Flammen kamen 35 Menschen um.
Flüchtige Täter mit gültigem Aufenthaltsrecht
Wie die Bundesregierung nun bekannt gab, leben derzeit mindestens neun der flüchtigen Täter mit einer gültigen Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland. Von ihnen hatten acht Personen in ihrem erfolgreichen Asylantrag die Verurteilung wegen des Massakers angegeben. Ein weiterer Täter hat mittlerweile mit einer Deutschen ein gemeinsames Kind und besitzt aus diesem Grund eine Aufenthaltserlaubnis.
Die von der Türkei gestellten Auslieferungsersuche wurden von deutscher Seite abgelehnt. In mehreren Fällen sei keine individuell zurechenbare Tatbeteiligung an dem Pogrom nachweisbar, heißt es in der Antwort. Andere Ersuche wurden aus formaljuristischen Gründen abgelehnt. So seien in zwei Fällen Militärrichter an dem Prozeß beteiligt gewesen, was nach dem Europäischen Menschengerichtshof unzulässig ist.
Zu harte Strafe schützt vor Bestrafung
In einem weiteren Auslieferungsgesuch wurde das Verfahren eingestellt, da der Täter zu einer erschwerten lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Diese würde der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes entgegenstehen. Weitere flüchtige Täter, die sich ebenfalls in Deutschland aufhalten sollen, seien nicht zu ermitteln gewesen.
Einer der in Deutschland lebenden Täter, der im September in Polen aufgegriffen und aufgrund des bestehenden Haftbefehls festgesetzt wurde, befindet sich mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Deutschland hatte bereits zuvor eine Auslieferung abgelehnt.
Türkei zeigt sich desinteressiert
Allerdings übt die türkische Regierung auch nur geringen Druck auf Deutschland aus. Alevitische Vereine kritisieren immer wieder eine Verschleppung der Strafverfolgung. Bereits unmittelbar nach dem Pogrom wurde der Vorwurf laut, türkische Sicherheitskräfte hätten das Massaker teilweise toleriert oder sich sogar aktiv daran beteiligt. Bis heute wird von der türkischen Regierung das Pogrom nur als „trauriges Ereignis“ bezeichnet. (FA)