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Demokratische Architektur

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Über die Qualität der Erzeugnisse deutscher Architekten der Gegenwart darf man bisweilen wenig erfreut sein. Eine oft dem Kommerz verpflichtete Kisten-Architektur wird häufig als schick verkauft und weist doch gelegentlich bereits nach wenigen Jahren gravierende Bauschäden auf, wie etwa die Gebäude des Bundeskanzleramtes. Ein gerne genutztes Argument der Vertreter der vorherrschenden modernistischen Architektur ist, daß man aus den Erfahrungen der düsteren Vergangenheit gelernt habe und stattdessen eine „demokratische Architektur“ pflege, die sich durch ihre „Transparenz“ wohltuend hervorhebe. „Bauhaus“ statt Säulen, Giebel oder Fensterrahmungen, könnte man es verkürzt wiedergeben.

Doch deutsche Architekten halten es mit diesem moralischem Codex dann doch nicht so genau, wenn sich mit ihrer „demokratischen Architektur“ auch in Regionen Geld verdienen läßt, die nach gängiger öffentlicher Meinung nicht zu den demokratischen Musterländern gezählt werden. Architekturbüros wie Gerkan, Marg und Partner sind seit Jahren in hohem Maß in China engagiert, verdienen dort Unmengen an Geld, leben sich baulich aus, und all das nicht immer zum ästhetischen Nutzen ihres Auftragslandes: Von Dequing über Hangzhou bis zum vietnamesischen Hanoi werden Stadtlandschaften mit „demokratischer“ deutscher Qualitätsarchitektur beglückt, die glücklicherweise dann immerhin nicht hierzulande errichtet wird.

Im Besitz des demokratischen Zauberelements

Berührungsscheu ist dabei nicht gegeben, denn man wähnt sich ja im Besitz des demokratischen Zauberelements, das nun Thomas Bader in einem kritischen Blogbeitrag so umschrieb: „Häufig beschränkt sich das vermeintlich Demokratische am ’demokratischen Bauen‘ auf die Wahl des Materials durch den Architekten. Die Gleichung ’Glas = Demokratie‘ umschreibt ein entsetzliches Mißverständnis, das in der Vorstellung besteht, ein bestimmtes Material wäre in der Lage, allein durch seine Beschaffenheit komplexe Inhalte und Ideen unserer Wertegemeinschaft sichtbar zu machen. Glas stehe, so ist häufig zu hören, für die Transparenz und Offenheit, die die Grundlagen einer jeden Demokratie seien.

Diese Vereinfachung ist aber nun dermaßen primitiv, daß man sich nur wundern kann, wie so viele allgemein als Intellektuelle bezeichnete Menschen sie gedankenlos nachplappern konnten. Eine solche Interpretation eines bestimmten Materials ist natürlich vollkommen willkürlich. Genauso gut ließe sich behaupten, Glas stehe symbolisch für alltägliche Täuschungen (da es, sofern sauber genug, auch sein Nichtvorhandensein vortäuschen kann), für Illusionen (da die Umgebung widergespiegelt wird) oder für die Schwäche einer Gesellschaft (da zerbrechlich).

Letztlich aber hat kein Material wirklich etwas mit gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun, sondern mit Funktionen (nicht jedes Material ist an jeder Stelle sinnvoll einsetzbar), dem Ort (manche Materialien haben in bestimmten Regionen Tradition und in anderen nicht) und natürlich auch mit persönlicher Vorliebe. Letztere zumindest läßt sich für eine größere Anzahl von Menschen leicht ermitteln, was wesentlich mehr mit Demokratie zu tun hätte als das Austüfteln fragwürdiger symbolischer Zusammenhänge. Bislang hat sich jedenfalls niemals jemand die Mühe gemacht herauszufinden, ob die Menschen mehrheitlich Glasfassaden tatsächlich mit ’Demokratie‘ assoziieren.“

Deutscher Modernismus enttäuscht Chinesen

Die Chinesen sind den Deutschen trotz ihrer Glasmanie bislang freundlich gewogen und hatten nun deutsche Architekten dazu ermuntert, in einem Vorort von Shanghai ein typisch deutsches Wohnquartier zu bauen: Anting. Heraus kamen nicht „Fachwerk und Mittelalter-Kitsch“, wie bei Spiegel-Online gegrummelt wird, sondern ein typisches Neubauviertel der Gegenwart: Apartmentblöcke mit Isolierverglasung, eine Kirche im Bauhaus-Stil mit Turm und Schiff aus hellgrauem Beton, ein mit künstlichem Graffiti verziertes Pseudo-Trafohäuschen. Was in Deutschland vermutlich schulterzuckend hingenommen worden wäre, da man schon viel Schlimmeres an Bausünden gewohnt ist, hat die Chinesen indes nicht richtig erwärmt:

„Mit ’missionarischem Eifer‘ wollte man Transparenz und Offenheit schaffen – was man an den großen Innenhöfen und breiten Alleen sieht. Heute muss er aber ernüchtert feststellen: ’Die Chinesen hatten gar kein Interesse daran.‘“ Das Stadtquartier ist mehrheitlich leerstehend, ein Finanz- und Image-Desaster. Niemand will dort leben. In einer Spiegel-Online-Fotostrecke kann man das Trauerspiel sehen. Die deutschen Architekten reagieren verschnupft, und das Büro Albert Speer & Partner gab schon zu Protokoll, daß man derartige Aufträge in Zukunft nicht mehr annehmen werde. Ob man sie zukünftig überhaupt noch angeboten bekommt, ist indes eine andere Frage.

Mustergültig präsentierte sich deutsche Architektur dagegen einhundert Jahre zuvor, etwa im damals kaiserlichen Pachtgebiet Kiautschou mit der Hauptstadt Tsingtao.

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