Wenige Tage vor dem diesjährigen Burschentag, der vom 15. bis zum 19. Juni in Eisenach stattfindet, gehen die Wogen innerhalb der zweitgrößten Vereinigung von Studentenverbindungen hoch. Auslöser ist ein Gutachten, das der Rechtsausschuß der Deutschen Burschenschaft (DB) erstellt hat und das die Aufnahmekriterien der Mitgliedsbünde regeln soll.
Die DB, der derzeit etwas mehr als 100 Burschenschaften der Bundesrepublik und Österreichs angehören, bekennt sich in ihrer Verfassung zum „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ – für die Mitgliedschaft ist demnach der Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft nicht ausreichend. Jahrzehntelang spielte dieses Thema innerhalb des Verbandes eine eher untergeordnete Rolle, man orientierte sich am geltenden Staatsbürgerschaftsrecht.
Durch die rot-grüne Novellierung des Gesetzes im Jahr 2000 und die Aufweichung des Abstammungsprinzips war nun auch der Rechtsausschuß der DB aufgerufen zu entschieden, wer nach Verbandsmaßgabe Deutscher im Sinne der Verbands-Verfassung ist und damit Burschenschafter werden kann.
Dramatische Verschärfung der Verbandsverfassung
Herausgekommen ist eine dramatische Verschärfung, deren Auswirkungen für den Gesamtverband derzeit nicht absehbar sind. So heißt es wörtlich: „Maßgeblich ist die Abstammung von Angehörigen des deutschen Volkes. Deutscher im Sinne der Grundsätze der Deutschen Burschenschaft ist daher nur derjenige Bewerber, dessen familiäre Wurzeln schwerpunktmäßig im deutschen Siedlungsgebiet in der Mitte Europas oder in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschlossenen deutschen Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa liegen.“
Die bisherige – an dem alten Staatsbürgerschaftsgesetz – orientierte Regelung, wonach das Vorhandensein eines volksdeutschen Elternteils ausreichend war, ist damit aufgehoben. Denn in einem weiteren Absatz des Gutachtens heißt es: „Eine Überprüfung hat in folgenden Fällen zu erfolgen: 1. Bei einem Bewerber, der nicht dem deutschen Volk angehört. 2. Bei einem Bewerber, dessen Eltern nicht beide dem deutschen Volk angehören.“ Damit wäre die Tür beispielswiese für Adoptivkinder zu. Kinder aus binationalen Ehen müßten sich einer Überprüfung unterziehen.
Innerhalb des Verbands geht es nun drunter und drüber. Auf dem Burschentag soll nach dem Willen der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn die Mannheimer Burschenschaft Hansea ausgeschlossen werden. Grund: In ihre Reihen sei ein „chinesischstämmiger Mann“ aufgenommen worden. Die Raczeks haben derzeit den Vorsitz der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ inne, einem erzkonservativen Zusammenschluß von knapp 40 Bünden.
Burschentag als Zäsur
Innerhalb dieser Interessengemeinschaft gibt es seit langem Kritik an der Aufnahmepraxis vor allem von Bünden aus der Bundesrepublik. So verwundert es nicht, daß auch ein Antrag innerhalb des Verbands kursiert, wonach „Menschen mit außereuropäischer Gesichts- und Körpermorphologie“ nicht Mitglied der Deutschen Burschenschaft werden können.
Für den Gesamtverband könnte der diesjährige Burschentag eine Zäsur bedeuten. Schon in der Vergangenheit haben zahlreiche Mitgliedsverbindungen ihren Austritt erklärt, unter anderem haben alle Jenenser Urburschenschaften die DB verlassen. In deren Reihen schüttelt man derzeit den Kopf über die Vorgänge innerhalb der DB, von einer „zunehmenden Extremisierung“ ist die Rede. Bundesdeutsche Spitzenpolitiker wie Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) oder der niedersächsische Regierungschef David McAllister (CDU) könnten nach der neuen Definition nicht Mitglied einer Deutschen Burschenschaft werden.
Innerhalb der DB wird teilweise daher „von einem Rückschritt in die Steinzeit“ gesprochen. Einige Bünde wollen versuchen, das Gutachten mittels Burschentagsbeschluß zu kippen. Sicher erscheint derzeit nur, daß die Deutsche Burschenschaft in jetziger Verfassung meilenweit davon entfernt ist, ein bedeutender politischer Faktor zu sein.
JF 24/11