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AKW-Betriebsmoratorium: Die Bundesregierung handelt pflichtgemäß

AKW-Betriebsmoratorium: Die Bundesregierung handelt pflichtgemäß

AKW-Betriebsmoratorium: Die Bundesregierung handelt pflichtgemäß

 

AKW-Betriebsmoratorium: Die Bundesregierung handelt pflichtgemäß

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Karl Albrecht Schachtschneider Foto: privat

Die „vollziehende Gewalt ist an Gesetz und Recht gebunden“. Dieser Vorrang nach Artikel 20 des Grundgesetzes ist ein unverrückbarer Grundsatz des Rechtsstaates. Die Gesetzesbindung folgt auch aus dem demokratischen Prinzip; denn in der Gesetzlichkeit des Handelns setzt sich der Wille des Volkes durch. Aber über dem Gesetz steht die Verfassung, die weitgehend, aber nicht ausschließlich, im Grundgesetz zu finden ist. Verfassung und Gesetze machen das Recht aus. Dieses hat ein inneres Rangverhältnis.

Die Gesetze müssen dem höherrangigen Recht gehorchen. Sonst sind sie nichtig (soweit nicht verfassungskonform interpretierbar). Alles Handeln des Gemeinwesens, sei es staatlich oder privat, sei es die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt oder die Rechtsprechung, sei es innen- oder außenpolitisch,  steht unter dem Primat des Rechts. Die Politik dient der Verwirklichung des Rechts. Nicht jedes Gesetz verwirklicht jedoch das Recht. 

Der Durchsetzung des Rechts gegen das Gesetz dient vornehmlich die Verfassungsgerichtsbarkeit,  aber  diese hat kein Monopol oder auch nur eine Prärogative, die Rechtswidrigkeit der Gesetze festzustellen. Jeder Amtswalter trägt nach dem Beamtenrechtsrahmengesetz „für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung“. Freilich ist die Gesetzes- und Rechtsbindung differenziert verfaßt. So haben die Richter jedes Gesetz, das sie anwenden, auf die Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfen, dürfen aber ein Gesetz, das sie für rechtswidrig halten, nicht einfach unangewendet lassen, sondern müssen nach Artikel 100 des Grundgesetzes die konkrete Normenkontrolle durch das zuständige Verfassungsgericht beantragen, dem die Normverwerfung vorbehalten ist.

Eine solche Vorschrift gibt es für die Verwaltung nicht. Man könnte allenfalls ihre analoge Anwendung bedenken. Aber dafür hat sich ausweislich des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes weder der Gesetzgeber noch das Bundesverfassungsgericht entschieden. Es wäre auch nicht zu empfehlen, weil die Verfahren zu lange dauern. Die Amtswalter sind zwar, wenn sie ein Gesetz für rechtswidrig halten, zur Remonstration verpflichtet, das heißt, sie müssen die Frage den Vorgesetzten überantworten, aber die Regierung trägt die eigenständige Verantwortung für das Recht.

Sie ist an das Gesetz gebunden, aber nur, wenn dieses dem Recht genügt, nicht aber, wenn es nichtig ist. Sie kann, wenn sie an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes Zweifel hat, im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 93 des Grundgesetzes die Rechtsfrage vom Verfassungsgericht entscheiden lassen, ist aber dazu nicht verpflichtet. Die Gewaltenteilung ist fein abgestimmt. Gegen die gesetzwidrige, aber dem Recht verpflichtete Handlung gibt es Rechtschutz bis hin zur Verfassungsbeschwerde.

Im übrigen können auch die Landsregierungen und ein Viertel der Mitglieder des Bundestages wegen Meinungsverschiedenheit über die Rechtmäßigkeit des Gesetzes die abstrakte Normenkontrolle beantragen. Es kommt somit bei jeder Regierungsmaßnahme darauf an, was die Regierung für Recht hält. In der Verantwortung für das Recht steht das Parlament nicht über der Regierung, sondern nur bei der Materialisierung des Rechts durch Gesetze, die aber das Recht wahren müssen. 

Das dreimonatige „Moratorium“ des Betriebs der sieben ältesten Kernkraftwerke, um, aufgeschreckt durch den schweren Störfall in Fukushima, deren Sicherheit einer erneuten Sicherheitsprüfung zu unterziehen, weckt Zweifel an der Gesetzmäßigkeit. Aber wenn dessen Anordnung gesetzwidrig ist, wie einige Parlamentarier sich sorgen und einige Staatsrechtslehrer zum Besten gegeben, muß es nicht schon rechtswidrig sein. Die Regierung ist, wie gesagt,  dem Recht verpflichtet, auch wenn sie dieses nicht im Gesetz findet und auch, wenn sie bislang zwar gesetzesgemäß, aber rechtswidrig gehandelt haben sollte.

Kernkraftwerke dürfen nach Paragraph 7 des Atomgesetzes „nach dem (weltweiten) Stand von Wissenschaft und Technik“ keine Schadensmöglichkeit mit sich bringen. Das folgt rechtlich aus der Schutzpflicht des Staates für Leben und körperliche Unversehrtheit. Das ungeheure Schadenspotential der Atomkraft läßt keinerlei wirtschaftliche Relativierung der Gefahr zu. Gefahr ist die Möglichkeit eines Schadens. Es geht nicht um nicht theoretisierbare Restrisiken, wie das allgemeine Gerede Glauben machen will, sondern um reale Gefahrenlagen, wie in Fukushima.

Erdbeben der Stärke 9 der Richterskala sind denkbar, allemal in Japan, und sie können, wie sich gezeigt hat, mit einem Tsunami einhergehen. Das wußte man, scheute aber die Kosten der Sicherungsmaßnahmen, falls solche überhaupt möglich waren und sind. In Deutschland bestehen andere Gefahren. Bestünden keine, sondern nur das nicht erkennbare Restrisiko, wäre der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie grundrechtlich bedenklich. 

Sicherheit, insbesondere Kernkraftsicherheit ist eine Erkenntnisfrage und steht damit stetig auf dem Prüfstand. Atomkraft ist nicht sicher nutzbar. Das weiß man seit langem, wenn viele es auch nicht wahr haben wollen, vor allem wegen des Geschäfts. Auch wenn die tatsächliche Lage sich in Deutschland nicht geändert hat, so doch die Einsicht der Regierung, welche sich dem Stand der Wissenschaft nähert. Die Erkenntnislage ist Tatbestandsmerkmal der fortdauernden Gesetzes- und Rechtmäßigkeit des AKW-Betriebs.

Die Regierung ist auf dem Weg, erneut die Irrtümer zu korrigieren, die Deutschland schon einmal korrigiert hatte. Dazu verpflichtet sie nicht nur das Atomgesetz, zumindest in verfassungskonformer Interpretation, sondern das von ihr eigenständig zu verantwortende Recht, unser aller Sicherheit. Sie geht jetzt mit Augenmaß vor, indem sie mehr oder weniger die Rückkehr zum zügigen Ausstieg eingeleitet hat. Sie handelt pflichtgemäß, auch wenn das zugleich dem Wahlkampf dient. Hoffentlich dankt sich die Erkenntnis nicht einem lucidus intervallus der Wahlzeit.

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Prof. Dr. iur Karl Albrecht Schachtschneider hat 2006 „Prinzipien des Rechtstaates“, 450 Seiten, bei Duncker&Humblot veröffentlicht und nach dem GAU von Tschernobyl 1986 eine wegweisende Abhandlung zum „Rechtsbegriff Stand von Wissenschaft und Technik im Atom- und Immissionsschutzrecht“ geschrieben.

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