BERLIN. Nach dem Tod des polnischen Präsidenten Lech Kaczyński hat Parlamentspräsident Bronisław Komorowski eine einwöchige Staatstrauer für sein Land angeordnet. Auch die Europäische Union will Kaczyńskis am Montag mit zwei Schweigeminuten gedenken und in Brüssel alle Fahnen auf Halbmast setzen.
Kaczyński, der seit 2005 Staatspräsident war, ist am Sonnabend beim Absturz der Präsidentenmaschine im russischen Smolensk ums Leben gekomen. An Bord der Tupolew befanden sich 96 Menschen. Alle kamen ums Leben. Mit dem Präsidenten starben seine Frau sowie weitere hochrangige Vertreter von Regierung, Armee und Wirtschaft.
„Die moderne Welt hat noch nie eine solche Tragödie erlebt“, erklärte Premier Donald Tusk. „Wir beten für unser Vaterland“, sagte der Kardinal Stanisław Dziwisz bei einer Messe in der Krakauer Kathedrale auf dem Wawel. In Warschau strömten Tausende zur Militärkirche, um dort der Messe beizuwohnen. Zehntausende verfolgten den Gottesdienst auf Leinwänden. Auch in der Nacht harrten tausende Polen vor dem Präsidentenpalast in Warschau aus.
Auf dem Weg von Warschau zu einer Gedenkfeier
Die Regierungsmaschine vom Typ Tupolew Tu-154 stürzte bei einem mißglückten Landeanflug auf den russischen Militärflughafen Smolensk-Nord ab. Die polnische Staatsdelegation war auf dem Weg von Warschau zu einer Gedenkfeier für die Opfer des sowjetischen Massenmordes von Katyn. „Das ist ein verfluchter Ort“, sagte der frühere polnische Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski. „1940 war dort die Elite des Vorkriegspolens ermordet worden, jetzt starb dort die Elite der Dritten Republik.“
Ex-Präsident Lech Wałęsa sprach von einem „großen intellektuellen Verlust für die Nation“. Es werde lange dauern, bis die Lücken wieder gefüllt seien, welche die Verstorbenen hinterließen, so der Friedensnobelpreisträger und frühere Chef der polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarność. „Zum zweiten Mal haben wir einen Teil der Elite unseres Landes verloren“, sagte Wałęsa in Anspielung auf die vor siebzig Jahren bei Katyn vom sowjetischen Geheimdienst NKWD ermordeten polnischen Offiziere.
Unter den Opfern befinden sich neben Vize-Verteidigungsminister Stanisław Komorowski und dem Feldbischof der polnischen Streitkräfte, General Tadeusz Płoski, fast der gesamte Generalstab: Generalstabschef Franciszek Gągor, General Tadeusz Buk (Befehlshaber des Heeres), Vizeadmiral Andrzej Karweta (Chef der Kriegsmarine), General Andrzej Błasik (Chef der Luftwaffe), General Włodzimierz Potasiński (Chef der Sondereinheiten) sowie General Bronisław Kwiatkowski (Chef des Operationskommandos der Armee) sind ebenfalls bei dem Unglück mit ums Leben gekommen. Einen tragischen Tod fand ebenfalls der Vizefraktionschef der Regierungspartei Bürgerplattform (PO), Grzegorz Dolniak (Interview der JUNGEN FREIHEIT mit Dolniak).
An Bord befanden sich ebenfalls der polnische Nationalbankchef Sławomir Skrzypek, Vizeaußenminister Andrzej Kremer und der letzte polnische Exil-Präsident, Ryszard Kaczorowski sowie Lech Kaczyńskis Ehefrau Maria Kaczyńska.
Neben zahlreichen Staats- und Regierunschefs aus aller Welt zeigte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel tief betroffen vom Tod des polnischen Präsidenten. „Es handelt sich um eine politische und menschliche Tragödie für unser Nachbarland“, sagte Merkel.
„Kaczynski wird uns in Deuschland fehlen“
Lech Kaczyński habe sein Land geliebt und sei ein streitbarer Europäer gewesen. „Ich wußte, daß sein ganzes Leben dem Kampf für die Freiheit Polens und die Freiheit Europas gegolten hat.“
„Lech Kaczyński wird uns auch in Deutschland fehlen“, sagte die Bundeskanzlerin.
Der russische Premier Wladimir Putin, der die Untersuchungskommission zum Absturz leiten wird, sagte: „Dies ist auch unsere Tragödie, und wir trauern und leiden mit Euch.“
Der Marschall des polnischen Sejm, Bronisław Komorowski, übernimmt als Parlamentspräsident nun geschäftsführend die Aufgaben des Staatsoberhaupts von Polen. Ein Nachfolger Kaczyńskis muß laut Verfassung bis spätestens 20. Juni gewählt werden. Komorowski ist seit seinem Sieg bei der parteiinternen Vorwahl zugleich Präsidentschaftskandidat von Tusks liberalkonservativer Regierungspartei PO. Für die sozialkonservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) könnte nun Lech Kaczyńskis Zwillingsbruder und PiS-Chef Jarosław Kaczyński kandidieren. (ms/fis)