BERLIN. Der Leiter des Evangelischen Fachverbandes für Sexualethik und Seelsorge Weißes Kreuz, Rolf Trauernicht, hat kritisiert, daß der Einfluß der Sexualisierung der Gesellschaft auf die Mißbrauchsfälle an kirchlichen und privaten Einrichtungen in der momentanen Diskussion unterschätzt wird.
Die Kulturrevolution der sechziger Jahre mit ihrer sich revolutionär gebenden, hedonistischen sexuellen Zügellosigkeit habe mit dazu beigetragen, „daß sich die Auffassung von der Sexualität als Mittel eines angeblichen Individualismus, einer Jugendkultur und der ‘Spaßgesellschaft’ durchsetzen konnte“, sagte Trauernicht im Interview mit der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT.
Insofern habe der Augsburger Bischof Walter Mixa durchaus Recht, wenn er darauf hinweise, daß die sexuelle Revolution nicht unschuldig an der Zunahme der Mißbrauchsfälle sei. Dies werde jedoch kaum thematisiert, da Medien, Sex-Industrie, Werbewirtschaft, Politik und ideologische Lobbygruppen sich der dann sichtbar werdenden eigenen Verantwortung stellen müßten.
Zölibat spielt keine maßgebliche Rolle
Daß der Zölibat eine maßgebliche Rolle bei den Mißbrauchsfällen in der katholischen Kirche spielt, hält der Sexualethiker dagegen für unwahrscheinlich. Vielmehr spiegelten sich in den Vorfällen die „ungesunden Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse in den Internaten“ wider, ist Trauernicht überzeugt. Das Zölibat als Hauptursache für alle katholischen Mißbrauchsfälle zu erklären, gehe dagegen am Kern des Problems vorbei. (JF)
Das vollständige Gespräch mit Rolf Trauernicht ist in der aktuellen Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT erschienen. Ebenso wie ein weiteres Interview mit dem Publizisten und Leiter der Aktion Kinder in Gefahr, Mathias von Gersdorff und ein Hintergrundbeitrag zu den Versuchen der Grünen, Pädophilie zu legalisieren.